Dass der Tod von Michael Jackson („Moonwalk“) und das Jubiläum der ersten Mondbegehung (Armstrong) zusammenfallen, ist natürlich ein schöner Zufall, aber dass die Medien sich seit Tagen wegen dieses „kleinen Schritts“ auf dem Mond überschlagen ist mehr als dämlich.
Die NZZ schreibt heute: „Die Gründe für das wiedererwachte Interesse am Mond sind vielschichtig. Neben dem Ringen um die Vormachtstellung im Weltraum spielen handfeste wirtschaftliche Interessen – Stichwort Bodenschätze – eine Rolle. Auch die Wissenschaft meldet sich zu Wort und verweist darauf, dass der Mond trotz den Apollo-Missionen immer noch Rätsel aufgibt.
In den kommenden Monaten wird sich zeigen, ob Obama auch in der Raumfahrtpolitik neue Akzente zu setzen gedenkt. Dabei geht es nicht primär um die Frage, ob man zum Mond fliegen soll oder anderswohin. Entscheidend ist vielmehr, ob es Obama gelingt, eine Gesamtstrategie zu entwickeln, die auf breite Zustimmung stösst. Denn ohne gesellschaftliche Geschlossenheit rückt im Weltraum jedes Ziel in weite Ferne – ob es nun Mond, Mars oder anders heisst.“
Es geht also um „gesellschaftliche Geschlossenheit“ – deswegen das ganze Mediengedröhne, auch in Europa: „So wäre die europäische Raumfahrtbehörde ESA ohne die Nasa kaum in der Lage, ihre Pläne für eine bemannte Mission zum Mond zu verwirklichen,“ schreibt die NZZ. Auch eine Reihe von Wissenschaftlern in Berlin-Adlershof hofft auf ein neues Mond-Programm:
Vor 1945 befanden sich in Adlershof ein Windkanal, ein Testlabor für Antriebsaggregate und zwei Werkstätten, die u.a. von den Raketenbauern in Peenemünde genutzt wurden. Zu DDR-Zeiten siedelte man deswegen hier u.a. das Institut für Kosmosforschung an, das nach der Wende als eines von elf Instituten der Akademie „positiv evaluiert“ wurde, dann im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt aufging und nun Orbitforscher aus Ost und West vereint, die sich neuerdings auch noch schwerpunktmäßig mit „Energie und Verkehr“ befassen. Unter anderem bauten sie bisher die Kamera für den „Mars-Expreß“, beschäftigen sich mit „Asteroiden-Prävention“ und bereiten sich schon mal auf die Mond-Mission vor, denn „der Mond ist schlechter als der Mars erfaßt“, wie mir dort erklärt wurde.
Hier einige schlechtgelaunte Feuilletons dazu:
1.
Im Haus der russischen Kultur traten einmal der US-Astronaut Charles Duke und seine Ehefrau Dotty auf. Den beiden ging es primär um ihren Gottesbeweis. „Charlie“ leitete den Vortrag mit seinem Spaziergang auf der dunklen, „erdabgewandten Seite des Mondes“ und seiner anschließenden Ehekrise ein: „Wenn ich zu Hause war, gab ich meinen Kindern Befehle, als wäre ich ein General, der ich auch tatsächlich war.“ Dotty wurde derweil immer depressiver: „Als er vom Mond zurückkam, hatte er sich nicht geändert!“ Dazu konnte man für 2 Euro ein Büchlein von ihr erwerben: „Die Gattin eines Astronauten – Von der Traurigkeit zur Freude“. Ihr Mann ist inzwischen Priester in Texas, sein Geld verdient er als Bierhändler – wobei er einer seiner besten Kunden ist, wie der Berliner Kurier schrieb.
Ich unterhielt mich anschließend noch mit dem letzten – ebenfalls religiös gewordenen – US-Kommandanten des Spandauer Kriegsverbrechergefängnisses Eugene K. Bird, der in einem von Albert Speer im Knast entworfenen Haus in Dahlem lebt und Vertreter für Ofenrohrreiniger ist. Er meinte, Martin Bormann habe nach dem Krieg für den CIA gearbeitet und wäre erst 1992 in Argentinien gestorben, einer seiner Söhne sei von Walter Scheel adoptiert worden, und Rudolf Hess, der zuletzt ebenfalls zum Christentum zurückfand, sei von den Westalliierten ermordet worden, was man anschließend mit Sekt gefeiert habe. Der Nazismus, der Wahn von der Überlegenheit einer Rasse, sei im übrigen nicht tot, sondern lebe in Amerika weiter.
Vor allem der Wahn von der Überlegenheit des christlichen Gottes – z.B. gegenüber dem Mondgott „Trival“ der Fulbe in Burkina Faso. Immerhin hat dieser noch jeden Ami-Astronauten, der den Mond betrat, durchknallen lassen: Der größenwahnsinnige Ed Mitchell (Apollo 14) behauptet seitdem, Außerirdische hätten ihn zu einem „Guru“ ausgebildet. Der Schwachkopf Jim Irwin (Apollo 15) suchte danach die Arche Noah auf dem Berg Ararat und wurde Wanderprediger. Der Alkoholiker Edward Aldrin (Apollo 12) vergnügte sich oben angeblich mit „Weltraum-Groupies“ und schreibt seitdem Sciene-Fiction-Pornos. Der „erste Mensch auf dem Mond“ – Neil Armstrong – unterstützte zuletzt die beiden Bush-Präsidenten. Der Astronaut Alan Bean malt seit seiner Rückkehr auf die Erde ununterbrochen den Mond.
Dazu muß man wissen, dass die NASA die Astronauten rein nach physischen Kriterien auswählte. Sie durften nicht intelligenter als Schimpansen sein. Allerdings waren und sind auch ihre NASA-Chefs nicht gerade Zierden der Menschheit: Wernher von Braun und sein Spezi Arthur Rudolph ließen vor ihrer US-Karriere tausende von Zwangsarbeiter in Peenemünde zu Tode schinden, Rudolph flüchtete 1984 zurück in die BRD, weil man ihn deswegen in den USA gerichtlich belangen wollte. Der jetzige NASA-Manager Jesco von Puttkamer war und ist für das Geldeintreiben zuständig, dazu trat er regelmäßig in der BRD auf, wo er über den „Weltraum als Markt“ schwafelte und seine „Visions“ von der „Humanisierung des Alls“ verbreitete. Im Spiegel schwärmte er kürzlich von der geplanten „Mondstation“, die es den Astronauten erlaubt, länger dort oben zu bleiben und an der sich auch Russland beteiligen wird. Während jedoch für die gottlosen Sowjets die Erde harmonisch mit dem Kosmos verbunden war, stellt dieser für die allerchristlichen Amis eine „New Frontier“ dar, die ähnlich wie zuvor schon God’s own country kolonisiert werden muß. Dazu gibt es nicht nur einen Grundstücksmakler inzwischen, der bereits tausende von Mond-Quadratkilometer verkauft hat, sondern seit den Prophezeiungen des Club of Rome zu Umweltverschmutzung, Hunger, Ressourcenknappheit und Überbevölkerung 1973 auch jede Menge NASA-Szenarios für „Human Colonies in Space“.
In dem ersten kam der Princeton-Physiker Gerard O’Neill zu dem Schluß, „daß es weniger Dreck mache, einen Menschen in den Weltraum zu befördern, als ihn auf der Erde zu lassen.“ Dazu müßte jedoch der „amerikanische Kongreß ein Gesetz verabschieden, das den Kolonieerbauern den Wunschtraum des Amerikaners erfüllt, nämlich ein schuldenloses Eigenheim in der Weltraumkolonie. „Diese Maßnahme wird die Kolonisierung des Weltraums fördern.“ Neben unentfremdeter Arbeit und extraterrestrischem Kunsthandwerk, würde es dort neue, unschuldige Freizeitvergnügen geben, wie 3-D-Fußball, schwebende Schwimmbäder, meditative Weltraumausflüge oder Sex bei zero-gravity. Noch irrer war dann das Konzept des Harvard-LSD-Psychologen Timothy Leary, das er im Gefängnis ausbrütete: Wir seien dazu bestimmt, im Weltraum zu siedeln, behauptete er nach seiner Freilassung und legte dazu sogleich das Programm – S.M.I.L.E. – auf: „Space Migration, Intelligence Increase und Lifespan Extension“. Als er darüber im Westberliner Tempodrom referierte, wollte die Popsängerin Nina Hagen anschließend sofort die Erde verlassen.
2.
Die Amis haben gleich zu Anfang schon den Fehler gemacht, allzu scharf auf die erste Reihe der „Peenemünder“ (die Promis) gewesen zu sein, während die Russen dann die zweite unbekanntere Reihe – um Brauns Stellvertreter Gröttrup – abgriffen. Diese erwies sich als die fähigere Mannschaft, denn im deutschen Ingenieurwesen ist es so, dass die erste Riege primär mit Verwaltung und Organisation befaßt ist, während die zweite tatsächliche Ingenieurarbeit leistet. Zudem war Gröttrups Mannschaft hervorragend in der Lage, sich der sowjetischen Technikkultur anzupassen.
Anfang 2001 kamen in Berlin einige Fans und Experten der sowjetischen Raumfahrt zusammen:
Am 21. April jährt sich Juri Gagarins Weltraumflug zum 40. Mal. Aber schon jetzt trafen sich die Freunde der sowjetischen Kosmosforschung im Berliner Haus der russischen Kultur, wo seit 1988 ein Kosmonaut Direktor ist. Ihr Treffen wurde diesmal „überschattet vom Ende der Raumstation Mir“, wie es in den Hauptstadt-Medien hieß. Der DDR-Kosmonaut Sigmund Jähn wünschte der Mir einen „kontrollierten Absturz“, begrüßte ansonsten jedoch ihre internationale Nachfolgerin ISS, weil solche Stationen als „Objekt des Stolzes“ für die einzelnen Nationen inzwischen zu teuer geworden seien.
Auch Alexander Kaleri war nach Berlin gekommen. Er hatte im vergangenen Jahr am 15. Juni als Letzter oben das Licht ausgeknipst – und den Autopiloten angeschaltet. Jähns damaliger Kopilot Waleri Bykowski hielt statt einer Rede, die er in Moskau vergessen hatte, eine Eloge auf Gagarin – „den Träumer und strengen Ausbilder“. Dessen Autobiografie ist auf Deutsch im Elbe-Dnjepr-Verlag erschienen. Mit Gagarin wurde – folgt man dem Philosophen Emmanuel Lévinas – endgültig das Privileg „der Verwurzelung und des Exils“ beseitigt. Man könnte auch sagen: Seit Gagarins Weltraumflug gilt die einstige jüdische „Juxtaposition“ für jeden und niemanden mehr. Hinzu kommt, dass in der sowjetischen Kosmonautik die Psychoanalyse überlebte, d.h. jeder Kosmonaut hatte – wegen seiner irren Träume dort oben, über die auch Siegmund Jähn einmal ausführlich berichtete – neben dem Ground-Control-Diensthabenden noch einen Psychoanalytiker am Boden. Mit Lévinas kann man das damit erklären, dass diese letztmalige „Verführung des Heldentums“ sich nur „jenseits der Infantilität“ verwirklichen ließ.
Laut Albert Einstein war die Atomphysik in ihrem Kern eine „jüdische Wissenschaft“, Ähnliches könnte man auch über den Marxismus und die Psychoanalyse sagen. Auf Deutsch erschien soeben – auch im Elbe-Dnjepr-Verlag – der zweite Band der Memoiren des stellvertretenden Leiters des sowjetischen Raketenbau-Programms: Boris E. Tschertok. An einer Stelle heißt es darin, dass trotz wiederkehrender antisemitischer Direktiven von oben (gegen die Kosmopoliten z. B.) „die Juden in der Verteidigungs- und in der Atomindustrie von Stalin und Berija nicht nur gelitten, sondern talentierte Juden sogar beschützt wurden. Sie wurden fast genauso bewacht wie Mitglieder der Regierung.“ Tschertok legt nahe, dass auch hinter dem Weißrussen Gagarin viele jüdische Forscher und Techniker standen, dass also auch die Weltraumforschung eine „jüdische Wissenschaft“ war, zumindest in der Sowjetunion. In den USA, aber auch in Frankreich und in Ägypten sowie in Zaire arbeiteten dagegen bekanntlich Nazi-Wissenschaftler an den Raketenprogrammen. Anfänglich taten sie dies auch noch für die Russen, bis 1953 wurden sie jedoch alle nach Hause entlassen. Im Osten konzentrierte man sie im Institut für Kosmosforschung, im Westen an der TU. Nach der Wende wurden „Wernher von Brauns Enkel“ (BZ) in Adlershof fusioniert.
Es ist wichtig, noch einmal an diesen ganzen Gagarin-Komplex zu erinnern – nachdem sich seit 1990 so viele sowjetische Wissenschaftler wieder in jüdische Emigranten rückverwandelten.
Mit dem Absturz der Mir wird auch ein Menschheitstraum begraben. Die bemannte Weltraumfahrt dient fortan fast nur noch der vom einstigen jüdischen Atomphysiker Edward Teller für die USA begonnenen SDI-Weiterentwicklung „National Missile Defense System“ (NMD) – und das ist, wie man spätestens seit Marx weiß, keine „produktive Tätigkeit“.
Mit ISS und NMD liegt der Schwerpunkt der neuen Weltraumforschung nun aber in Kalifornien. Ein Klein-Kalifornien schwebte bereits den Raketenbauern der SS in Peenemünde vor. Dies wurde gerade in dem Film „Prüfstand 7“ von Robert Bramkamp herausgearbeitet, der demnächst in Berlin Premiere hat. Diese Dokufiktion basiert auf Thomas Pynchons V2-Roman „Die Enden der Parabel“, der nun auch für die neue Konzeption des Raketen-Museums in Peenemünde herhalten muss, nachdem jüdische Historiker in Kalifornien gegen das Daimler-Benz/Dasa-„Spacepark“-Konzept für Peenemünde als „Wiege der Raumfahrt“ protestiert hatten: Diese deutsche Waffe habe mehr Menschenleben bei ihrer Produktion vernichtet (nämlich jüdische Zwangsarbeiter) als durch ihren Einsatz. Damals zog das Bonner Verteidigungsministerium sofort seine Mitwirkung zurück. Der „Spacepark“ wurde dann in Bremen verwirklicht – ging dort aber schnell pleite. Und „Gagarins Traum“ wird erst einmal nirgendwo mehr verwirklicht.
3.
Die besten Analysen Rußlands kommen nach wie vor von polnischen Intellektuellen. Besonders ihren Filmen haftet dabei manchmal so etwas wie Rache an. Diese ist am besten süß – das heißt wehmütig. Ein gutes Beispiel dafür ist der Dokumentarfilm von Maciej Drygas „Im Zustand der Schwerelosigkeit“ (1995) über die langsam in Agonie übergehende sowjetische Raumfahrt. Dazu wurden eine Reihe von Kosmonauten und Wissenschaftlern interviewt. Ihre freimütigen Reden kontrastierte der Regisseur mit Bildern der Raumstation Mir, die weiter still durch das All gleitet. Das russische Raumfahrtzentrum stellte Drygas sein Filmarchiv zur Verfügung.
Ausgangspunkt des Films ist ein Raumfahrtereignis Anfang der neunziger Jahre: Der Kosmonaut Serge Krikalew, der die Erde alleine im All umkreiste, kann nicht wie geplant zurückkehren, weil die sich auflösende Sowjetunion dafür kein Geld mehr hat. Langsam gehen seine Lebensmittel oben zur Neige. „Ich fühle eine gewisse emotionale Anspannung“, wird dazu aus seinem Funkprotokoll zitiert. Der erste von Drygas interviewte Kosmonaut (K1) thematisiert bereits die Unsterblichkeit.
Der zweite Kosmonaut (K2) erklärt: „Es ist wie bei einem Bergsteiger. Wenn er es schafft, fühlt er sich anschließend menschlicher, wenn er scheitert, ist er um eine Erfahrung reicher. Das Wichtigste dabei ist aber, sich selbst überwunden und dabei etwas empfunden zu haben, was nur einigen wenigen Auserwählten zuteil wird.“ Dazu werden aus dem Filmarchiv die ersten Flug- und Raketenexperimente gezeigt, die noch häufig verunglückten. Der kluge Kosmonaut (K3) formuliert ein erstes Fazit: „Die Schwerelosigkeit fühlte ich gar nicht – es war wie in einem Traum zu fliegen!“ K4 war angesichts der Unendlichkeit des Weltraums „geschockt“. Und K5 fühlte sich im dahinsegelnden Raumschiff auf „mystische Weise“ ständig beobachtet, bei Außenarbeiten verspürte er eine Art Sog, sich abzunabeln.
Bilder von einem Ausstieg lassen seine Ergriffenheit ahnen. Der Bodenstation berichtet ein Kosmonaut: „Wir haben gerade gegessen und müssen viel furzen, es stinkt bei allen gleich. Über Sachalin habe ich ein bißchen Flüssigkeit getrunken. Unser Kommandant hat dort gedient.“
Auch Tausende von Polen „dienten“ dort – in der Verbannung. K2 kommt auf das schreckliche „Heimweh“ zu sprechen, das einen dort oben befällt: „Ziolkowski (der Begründer der russischen Raumfahrt, 1857-1935) sagte einmal: Die Menschen werden die Erde verlassen. Das ist falsch. Es geht nicht – wegen des Heimwehs. Was kann man dagegen tun? Arbeiten ist die einzige Lösung! Und in der freien Zeit? Da habe ich das Klo gespült. Das ist sehr nützlich. Fünf Minuten – und die schlechten Gedanken sind weg.“ K2: „Am besten, man vergißt dort oben alle menschlichen Gefühle – und hält sich hundertprozentig an sein Flugprogramm, aber die Gefühle kommen wieder: im Schlaf. Kein Mensch hat solche Träume wie die Kosmonauten im Weltraum.“
Die Traumdeutung ist ein wichtiger Teil der Psychoanalyse. Diese hatte in der Sowjetunion nach der Ausschaltung der Trotzkisten offiziell fast nur noch in der Person von Otto Juljewitsch Schmidt überlebt (Ehemann der pädagogischen Psychoanalytikerin Wera Schmidt, deren „Experimente“ 1968 im Westen wiederausgegraben wurden). Der Lehranalytiker Otto Schmidt war erst Herausgeber der „Psychoanalytischen Bibliothek“ und dann bis 1941 der „Großen Sowjet-Enzyklopädie“, vor allem war er jedoch Leiter der mächtigen „Hauptverwaltung Nördlicher Seeweg“ und für die Polarforscher und -flieger verantwortlich, die populären Vorläufer der Kosmonauten. Zuvor, 1934, hatte man ihn selbst als Polarfahrer aus dem Eis gerettet. Diese „gescheiterte“ Expedition machte Schmidt so berühmt wie danach nur noch der erste bemannte Raumflug den Kosmonauten Juri Gagarin.
Emmanuel Lévinas sprach 1991 im Zusammenhang mit Gagarin einmal über Heldentum und Heimweh – als die zwei Seiten ein und derselben Wiederentdeckung: von „Welt und Kindheit“. Der zweite Kosmonaut (K2) in Drygas‘ Film erzählt: „Um die Erinnerungen, die einem vorm Einschlafen kommen, zurückzudrängen, hörst du dir die letzten Gespräche mit deiner Familie auf Tonband an. Alle vierzehn Tage können wir mit unseren Angehörigen reden. Und wenn du dann deren vertraute Stimmen noch einmal hörst und noch einmal, dann verschwinden die Erinnerungen. Man weiß, daß man gegen sie ankämpfen muß. Glücklichsein ist sicher ein starkes Gefühl – das ist aber auf langen Raumfahrten verboten: Man muß es unterdrücken.“
Archivmaterial: Ein Huhn flattert hilflos in der Schwerelosigkeit einer Kabine herum. K1 erzählt: „Die Landung ist ein kompliziertes psychologisches Problem. Während des Fluges gibt es oben keine Zigaretten, keinen Alkohol und keine Sexualität. Wir denken oft an unsere Frauen – das ist normal. Aber im Moment der Landung denke ich: Wenn alles glattgeht, werde ich erst einmal eine rauchen und einen Wodka trinken. Lieber Gott, laß es gutgehen… Und wie schön dann unten alles aussah. Die Tulpen blühten. Gleich nach der Landung schmeckte die erste Zigarette einfach wunderbar, auch der Weinbrand, sie gaben uns ein winziges Glas voll. Ein Produkt aus Erde und Sonne. Dann am dritten Tag der Besuch unserer Frauen: Noch jetzt kommen mir fast die Tränen, wenn ich davon erzähle. Das sind alles normale menschliche Gefühle. Aber wir waren auch angehalten, über den Tod zu sprechen, über die Angst vor dem Tod.“
Dazu Bilder von Übungen zur Flugvorbereitung. K4: „Sie teilten uns in drei Gruppen, jede bekam eine andere Betäubung, die, die ich bekam, unterdrückte die Schmerzempfindung – bei vollem Bewußtsein. Noch heute erinnere ich mich an alles, was sie mir antaten – ich wurde mehrmals ohnmächtig. Es war faszinierend, fast wie ein Gefühl von Unverletzbarkeit. Während dieses zweieinhalbstündigen Experiments gelangte ich vier- oder fünfmal auf die andere Seite des Lebens. Keiner der Ärzte kennt den Bewußtseinszustand nach Eintritt des Todes. Jeder von uns bemühte sich, so gut er konnte, aus dem Kollaps wieder hervorzukommen. Einige schafften es nicht, sie blieben seelische Wracks. Die Ärzte halfen uns in keiner Weise. Sie stellten auch nie eine Diagnose, sondern sagten höchstens: ,Du bist für die Tests nicht geeignet!‘ Offiziell existierten wir nicht einmal als Testpersonen. Das war sehr bequem für sie. Wir hatten alle eines gemeinsam: eine Leidenschaft für die Fliegerei und den Himmel. Die Tests waren ein Raumflugersatz. Es war wie ein Kampf: Ich schaff‘ das, ich werde es versuchen!“
Dazu filmte Drygas ein menschliches Wrack im Rollstuhl. „Viele Male habe ich gedacht: Ich gebe auf. Nein, ich habe dann doch weitergemacht.“ K3 fügt hinzu: „Schon als ich beschloß, Kosmonaut zu werden, versuchte ich mich mit gefährlichen Situationen vertraut zu machen. Irgendwann schien es mir, daß ich dem Tod ins Auge sehen konnte. Aber dem war nicht so. Es kam noch viel schrecklicher. Die Angst steigerte sich bis zum Verrücktwerden. Ich dachte, daß mir nur noch fünf Minuten zu leben blieben – bevor das Raumschiff auf der Erde zerschellte, so wie das von Komarow.“
Dazu wird Archivmaterial von dessen verunglückter Landung und vergeblicher Reanimation gezeigt. Eine Verantwortliche für die Flugkontrolle schildert die letzten Minuten. Dann Bilder von der Beerdigung.
K4 setzt seinen Bericht über die Vorbereitungen auf den Flug fort: „Trotz dieser schrecklichen Tests und meines schlechten psychischen Zustands denke ich, es war eine interessante Zeit – ein Abenteuer. Schon bei den Übungen im Simulator zum Beispiel fühlte man sich weit, weit von allen irdischen Problemen entfernt. Das regte die Phantasie an.“ Alte Archivaufnahmen von Experimenten mit Hunden und Affen, letztere kucken entsetzlich traurig. In den zwanziger Jahren hatte sich Otto Schmidt übrigens für eine künstliche Kreuzung von Mensch und Affe eingesetzt. Dann neuere Aufnahmen von dem mit Trümmern und Müll übersäten Weltraumforschungsgelände Baikonur und von einigen Fehlstarts.
K2: „Die Zeit von Gagarin – das war großartig. Die ganze Nation war begeistert: Es ist gelungen! Wir sind die ersten, wir haben gewonnen!“ K5 ergänzt: „Jetzt wollen die Leute was davon haben. Die Leute wollen, daß etwas Nützliches bei der Weltraumforschung herauskommt.“ K3: „Wir haben unser Hauptproblem nicht gelöst. Wir können in den Weltraum fliegen, dort arbeiten und wieder zurückkehren, aber wir haben keine natürliche menschliche Betätigung im Weltraum – im Zustand der Schwerelosigkeit – gefunden. Bis jetzt haben wir keine produktive Tätigkeit dort oben entwickeln können. Ich empfinde das als persönliches Versagen.“
Es folgt ein letzter Funkdialog zwischen Serge Krikalew und einer Diensthabenden in der Bodenstation, die ihn wegen der sich verzögernden Rückkehr beruhigt: „Hauptsache, du bist gesund.“ „Ja.“ „Du mußt auf dich aufpassen und darfst die Übungen nicht vernachlässigen.“ „Das ist nicht das Problem!“ „Aber was können wir denn für dich tun?“ „Ich bin jetzt exakt acht Monate hier oben – und nicht mehr motiviert, weiterzuarbeiten.“ „Das passiert hier unten jetzt auch: Niemand fühlt sich mehr in der Lage, was zu arbeiten. Du kannst dir nicht vorstellen, was hier los ist. Und das Schlimmste ist: Wir haben die Talsohle noch nicht einmal erreicht.“ „Wann wird das sein?“ „Ich weiß nicht, ich weiß nur, daß alles noch viel schlimmer werden wird…“ Eine sehr junge Testperson springt mit dem Fallschirm ab: das letzte Bild.
Was für ein Film! Vergeßt alle Science-fiction, Nasa-Dialoge und Propagandastreifen von der Dasa, wie sie in Peenemünde gezeigt werden. Auch die Wanderausstellung über die sowjetische Weltraumforschung – zuletzt im Berliner Haus der Russischen Kultur – ist dagegen nur Opernkitsch.
4.
Volk ohne Weltraum
Seit der Wende ist der nationalsozialistische Waffen-Erprobungsstandort und spaetere NVA-Marine-Stuetzpunkt Peenemuende ein Luft- und Freilichtmuseum.
Hier kann man jetzt quasi in situ deutsche Maenner und ihre Faszination fuer Raketentechnik beobachten. Die Erotik eines fuer den einmaligen Abschuss in den Himmel vorgesehenen Stahlkoerpers macht Ost- wie Westdeutsche nach wie vor gleich kirre.Gerade hat Jewgeni Jewtuschenko (in: „Stirb nicht vor deiner Zeit“) noch einmal auf dieses merkwuerdige Objekt maennlich-militaerischer Begierden hingewiesen – und einen am Putsch gegen Gorbatschow beteiligten Afghanistan-Veteran, der zugleich ein bekannter sowjetischer Schriftsteller geworden war, zitiert: „Ich spuerte in der Finsternis an meiner Handflaeche den schneeweissen Frauenkoerper der Kampfrakete. Anfangs war sie noch kuehl, aber je mehr ich sie streichelte, desto waermer und waermer wurde sie, ihre Hueften schienen schwer atmend vor unausgesprochener Leidenschaft zu vergehen, und es schien mir, als wuerde ich auf dem Koerper der Rakete unter meinen Fingerkuppen gleich die Woelbungen der in Erwartung meiner Beruehrung aufgerichteten Brustwarzen spueren.“
Dem US-Schriftsteller Thomas Pynchon kommt das Verdienst zu, als erster den Zusammenhang von Maennersexualitaet und Raketentechnologie herausgearbeitet zu haben: Sein Romanheld, Slothrop, wird noch waehrend der Kaempfe um Berlin auf die Spur der Nazi-Superwaffe (und eines neuen erektionsfaehigen Plastematerials) in Richtung Peenemuende gesetzt, nachdem Geheimdienste der Alliierten herausgefunden haben, dass ueberall dort, wo Slothrop in London mit einer Frau Geschlechtsverkehr hatte, wenig spaeter eine deutsche V2-Rakete einschlug.Was sich wie ein durchgeknallter amerikanischer Roman liest, ist in Wahrheit detailgenaueste Rekonstruktion: Dem ehemaligen Flugzeug-Ingenieur Pynchon stand dafuer Archivmaterial zur Verfuegung, das erst zwoelf Jahre nach Veroeffentlichung seines Romans „Gravity’s Rainbow“ freigegeben wurde (ihre dokumentarische Bearbeitung durch eine Frau, Linda Hunt, fuehrte dann uebrigens 1985 dazu, dass einige nach dem Krieg fuer das US-Militaer taetig gewesene Peenemuender Raketenforscher entehrt nach Deutschland zurueckkehrten).
Selbst Pynchons kritisch-paranoisches Einstiegs-Konstrukt einer Deckungsgleichheit zwischen Slothrops privater Sex-Topographie von London und den dortigen V2-Einschlaegen hat einen quasirealen Hintergrund: das drei Jahre vor seinem Roman veroeffentlichte „Selbstportraet“ des oesterreichischen Juden Jakov Lind (1983 im Wagenbach-Verlag erschienen).
Lind „fluechtete“ 1943 mit einem hollaendischen Pass, in dem er „Overbeek“ hiess, auf einem Duisburger Binnenschiff in das Deutsche Reich.
Dabei machte er die Entdeckung, dass es ueberall, wo er hinkam, und wo er meist auch Geschlechtsverkehr hatte, Bomben regnete: „Mein blosses Erscheinen setzte Luftmarschall Harris‘ Geschwader in Bewegung. Ich war der Superagent, im Hirn einen Hochleistungssender mit Richtstrahlen zum alliierten Oberkommando. Diese Wahnvorstellung bestimmte meine Existenz.“Lind-Overbeek muss einen Tripper in Boppard kurieren: prompt wird Boppard bombardiert, das gleiche geschieht dann in Koblenz und schliesslich in Giessen, wo saemtliche Schutzraeume des Krankenhauses getroffen wurden: „In dieser Nacht wurde Giessen ausradiert, und auf meinen Kopf fiel ein Stueck Zement von der Groesse eines Fingernagels.“Ende 1944 wird Jakov Lind aus dem Marburger Krankenhaus als gesund entlassen, zusammen mit einem gewissen Kolberg, der Leiter einer metallurgischen Firma ist, die im Auftrag des Luftfahrtministeriums Werkstoffe fuer die Raketenherstellung prueft.
Kolberg stellt Lind zunaechst in seiner Dillenburger „Baracke Mittelfeld“ ein und nimmt ihn anschliessend mit nach Berlin ins Reichsluftfahrtministerium, zuletzt nach Hamburg, von wo aus Lind dann nach London emigrierte.Im Sommer 1994 erwarb ich anlaesslich eines Besuchs im Freilichtmuseum Peenemuende an der dortigen Kasse das Buch „Insel ohne Leuchtfeuer“ von Ruth Kraft.
Die Autorin hatte als technische Rechnerin im Windkanal des aerodynamischen Instituts der Heeresversuchsanstalt gearbeitet und diese Erfahrung dann nach dem Krieg zu einem Roman verarbeitet, der 1959 im Verlag der Nation erschien.
Das Buch wurde bis zum Ende der DDR 23mal wiederaufgelegt und insgesamt ueber 500 000mal verkauft. 1991 gab es der ehemalige kaufmaennische Geschaeftsfuehrer des Verlags in seinem eigenen Verlag, Vision, neu heraus.Zwar haben viele „Peenemuender“ ueber ihre damalige Pionierarbeit Buch gefuehrt: erwaehnt seien Walter Dornberger (von der Autorin „der General“ genannt), und sein Direktor, Wernher von Braun („der Doktor“) – aber Ruth Kraft ist die einzige Frau, die dabei auch noch im Gegensatz zu den maennlichen Autoren, bewusst Fakten und Fiktion vermischte.
Ihr autobiographischer Roman wurde dann in der DDR auch, wenigstens anfaenglich, vor allem von Frauen gelesen.“Das Buch war sofort ein Knueller, weil zuvor noch niemand ueber das Thema geschrieben hatte.“
Gleich bei ihrer ersten Lesung in Wolgast wurde Ruth Kraft von einer Mathematiklehrerin angesprochen: „Das war die in dem Roman gewesen, die den spitzen Schrei unter der Dusche ausgestossen hatte.
Sie war mir aber nicht boese. ,Aber was du mit dem Buch hier angerichtet hast . . .‘, meinte sie.“Die Autorin, Jahrgang 1920, hatte in Torgau das Lyzeum besucht und war dann einer Klassenkameradin nach Peenemuende gefolgt.
Damals wurden gerade in den Arbeitsdienstlagern Maedchen mit Abitur fuer die Heeresversuchsanstalt rekrutiert. Obwohl ohne Abitur stellte die dortige Personalstelle Ruth Kraft aufgrund ihrer guten Mathematiknoten am 1. Maerz 1940 ein.Sie blieb drei Jahre und lernte dabei einige hundert Leute kennen: „beruflich und auf geselliger Ebene.
Aspekte, die mir spaeter die ganze Chose am deutlichsten darzustellen schienen, habe ich mir jeweils aus verschiedenen Personen rausgesucht. Wir lebten dort sehr freizuegig und in herrlicher Landschaft.
Es bildeten sich Freundeskreise. Viele Maenner, Ingenieure und Wissenschaftler, waren ja Junggesellen und meist vier bis sechs Jahre aelter als die Maedchen. Die Spitzen der Unverheirateten wohnten „Am Platz“ – Wernher v. Braun z.B. und sein Stellvertreter Eberhard Rees, ebenso die Erprobungsflieger, zu denen gelegentlich auch Hanna Reitsch gehoerte.
Am Platz befand sich auch das Kasino, das war unser Treffpunkt.Ein Grossteil ihres Buches befasst sich mit den Liebesabenteuern der freiwilligen und dienstverpflichteten Maedchen – auf Partys, Segeltoerns in den Greifswalder Bodden, Ausfluege zum Festland und Rendezvous am Strand.
Dabei gibt es mitunter erstaunliche Parallelen zu Thomas Pynchons Darstellung.Wenn Ruth Kraft („Eva“) z. B. eine nachlassende Verliebtheit mit Begriffen aus der Raketenforschung beschreibt: „Es war wie in einem Leitstrahl, aber jetzt kam die Umlenkung. Was sie noch vor einem halben Jahr in die Mitte getroffen haette, beruehrte sie gerade so, wie auf ihrem Millimeterpapier die Tangente die Parabel streift.“In dem von Ruth Krafts Roman („ein fetziger Stoff“) profitierenden DEFA-Film „Die gefrorenen Blitze“ (1967) heisst es an einer Stelle: „Die Vernichtung des Gegners wird zur mathematischen Gleichung.“
Realisiert wurde dieser Nazi-High-Tech-Traum freilich erst mit den „intelligenten Bomben“ der Amerikaner.In Peenemuende, wo zwei NVA-Luftwaffenoffiziere zusammen mit einem Usedomer Geschichtsverein angefangen hatten, ein „Informationszentrum ,Geburtsort der Raumfahrt'“ aufzubauen, tauchten die zu „Amerikanern“ gewordenen Alten Kameraden schon gleich nach der Wende wieder auf, um dort ihr „Know-how“ einzubringen.
Anlaesslich des 50. Jahrestags der Bombardierung Peenemuendes fand in der Kirche von Karlshagen eine Trauerfeier statt. In der Naehe befindet sich eine Gedenkstaette fuer die bei der Bombardierung 1943 umgekommenen Zwangsarbeiter, Kriegsgefangenen und freiwillig- bzw. dienstverpflichteten Deutschen.
Mangels genauer Namenslisten hatte die DDR sie anonym aber nach Nationalitaeten getrennt, aufgefuehrt: Hier ruhen 65 Polen, 20 Tschechen, 30 Franzosen usw.Daran hat man bis heute nichts geaendert, der deutschen Toten wird dort jedoch neuerdings mit Namensnennung auf Grabsteinen gedacht.
Initiiert hatte dies eine Gruppe ehemaliger Kriegshilfsdienst-Maiden, die Peenemuender geheiratet hatten und mit diesen dann in die USA gegangen waren.Beim ersten Insel-Treffen des in der BRD gegruendeten Vereins ehemaliger Peenemuender 1991 waren diese „Amerikaner“ besonders empoert ueber die mangelnde Pflege der Graeber durch die ehemalige DDR-Regierung gewesen. In der Bombennacht waren auch viele ihrer Freundinnen dort umgekommen. Der Karlshagener Pfarrer versprach daraufhin, sich um die Graeber zu kuemmern.Im Maerz 1943, „kurz nach Stalingrad“, steckte Ruth Kraft „in derart wirklich persoenlichen Konflikten“, dass sie unbedingt von Peenemuende weg wollte.
Ihr letzter Verehrer dort war ein oesterreichischer Testpilot gewesen, den man nach Dresden zu den Junkerswerken abkommandiert hatte.Das „Kraftchen“, wie Ruth Kraft in Peenemuende hiess, wurde am 1. April 1943 in der Wehrkreisverwaltung Stettin angestellt.
Sie war fuer die weiblichen Jugendlichen in den Lazaretten, beim Heeres-Sanitaetspersonal und in den Frauenarbeitslagern zustaendig. Als sie die Nachricht von der Bombardierung Peenemuendes, am 18.
August 1943, erreichte, fuhr sie – mit einem Dienstreisebefehl – sofort dorthin: „Ab Swinemuende herrschte bereits Chaos. Aber ich kam durch, und nahm an der Generalsbesprechung teil.
Ich habe dann die Belange der Frauen da vertreten. Meine fruehere Abteilung wurde nach Kochel in Oberbayern verlegt. Ich ging zurueck nach Stettin und unternahm in der Folgezeit viele Dienstreisen.
Meine Hauptperson, Eva, arbeitet in einer Ruestungsfabrik, ich selbst war jedoch nur als Inspekteurin in solchen Fabriken. Als die Stadt Ende Maerz von der oestlichen Oder-Seite beschossen wurde, verlegte man unsere Dienststelle nach Schwerin, das weibliche Personal kam in die Moltke-Kaserne.“Schon bald wurden sie auch von dort vor den anrueckenden Russen in Sicherheit gebracht – mit Lkw in Richtung Norden, nach Daenemark: Ein Stabsintendant war unser Reiseleiter.
Kiel stand in Flammen, in Luebeck stuermten die Fremdarbeiter gerade das Verpflegungsdepot.
In Rendsburg machten wir uns schliesslich selbstaendig, uebernachteten auf Heuboeden.“Sie fanden Arbeit im Krankenhaus. Dann kamen die Englaender.
Ruth Kraft gelang es schliesslich, sich bis in ihre Heimatstadt Schildau durchzuschlagen.
In ihrem Haus hatte sich jedoch der sowjetische Stadtkommandant einquartiert: „Verwandte von uns besassen einen Bauernhof, dort haben wir in der Landwirtschaft gearbeitet. Abends sassen wir beisammen und beschaeftigten uns mit Literatur. Mein Vater wurde dann enteignet, meinen Verwandten die Hoefe weggenommen, ich wusste nicht, was werden sollte. Es war eine Flucht in die Literatur.
Man riet mir, nach Leipzig zu gehen, wo sich jetzt in Auerbachs Keller die Intellektuellen aus den KZs und der Emigration treffen wuerden.“Der RomanIm Winter 1945 kam Ruth Kraft bereits mit einigen „aus dieser Truppe“ in Kontakt: Erich Loest und Georg Maurer z.B., in Dresden dann Ralph Giordano, Rudolf Leonhardt und Ludwig Renn. Auch ihren spaeteren Ehemann, Hans Bussenius, lernte sie in Leipzig kennen. Er arbeitete als Regisseur beim Mitteldeutschen Rundfunk.
Ab 1947 schrieb auch Ruth Kraft fuer das Radio – als Freie Mitarbeiterin beim Kinderfunk: „Der junge Goethe“ hiess eine ihrer ersten Sendungen.Dennoch wurden in der DDR viele positive Besprechungen nie gedruckt und einen Preis hat sie fuer ihren Erfolgsroman auch nie bekommen, das Buch passte nicht in den realen Sozialismus.
Die Antifas waren dagegen. „Ein beruehmter Schriftstellerkollege hat mir einmal gesagt, ich haette damit den Nationalsozialismus verharmlost, auch das juedische Problem. Meine Heldin, Eva, ist naemlich eine, wie es damals hiess, Halbjuedin, die ein HJ-Fuehrer kurzerhand zur Vierteljuedin erklaert hatte, und damit durfte sie in den Arbeitsdienst. Das gab es.
Ich bin aber keine Halbjuedin, eine sehr nahe Freundin unserer Familie war jedoch eine, die auch, wie die Eva in meinem Roman, ueberlebt hat. Meine Nachbarin in Babelsberg, Hilde, die Frau von Hans Marchwitza, sagte einmal zu mir: ,Ruth, Sie sind eine grosse Erzaehlerin, aber Ihre Heldin haette untergehen muessen.'“Ihr Roman wurde auch in Amerika gelesen, bei den dortigen „Peenemuendern“ vor allem, z.B. in Huntsville, wo Wernher von Braun es „wohlwollend“ aufgenommen haben soll.Das erste Nachwende-Treffen der Alten Kameraden fand im Mai 1990 an der Normandiekueste statt, von wo aus die V2 gen England abgeschossen worden waren.
Im September 1991 lud man aber bereits erstmalig nach Peenemuende ein.
Ruth Kraft traf dort die letzte Sekretaerin des „Raketenbarons“, Dorette Kersten, wieder (sie hatte in Peenemuende einen Leutnant geheiratet und war mit ihm zusammen dem „Von-Braun-Team“ nach Amerika gefolgt).Frau Kersten versicherte der Autorin, dass das Buch immer einen „sehr guten Platz“ in ihrem Haus haben werde. „Der Doktor“, von Braun, kommt bei Ruth Kraft in der Tat sehr gut weg.
In der DDR hat man ihr denn auch gerade „die positive Darstellung Wernher von Brauns uebel- genommen: Ich haette ihn zum halben Widerstandskaempfer gemacht“, hiess es.Im DEFA-Film „Die gefrorenen Blitze“ machte man spaeter statt dessen einen eigensinnigen Triebwerks-Ingenieur zum halben Peenemuender Widerstandskaempfer.
Dem Drehbuch-Autor und MfS-Offizier Harry Thuerk stand dafuer wahrscheinlich der seinerzeit fuer den englischen Geheimdienst zusammengestellte „Oslo-Bericht“ ueber die V2 zur Verfuegung, an dem der Peenemuender Ingenieur Kummerow mitgearbeitet hatte.
Er wurde dafuer am 4. Februar 1944 hingerichtet.Sowohl im DEFA-Film als auch bereits in Ruth Krafts Buch wird die Verbindung von Raketentechnik und Atomkraft thematisiert. Im Roman freundet sich Eva mit dem Atomphysiker Tiefenbach an, der „als Kernforscher bei den Raketenbauern nicht am richtigen Platz war“.
Und dann gibt es da noch einen Physiker Leupold, der in Wirklichkeit Max Steenbeck hiess.
Er wurde spaeter von den Sowjets zur Mitarbeit an der Atombombe verpflichtet und war dann der einzige deutsche Wissenschaftler, der bei der anschliessenden Konstruktion einer Neutronenbombe seine Mitarbeit verweigerte (mit einer Art Streik), weswegen er auch zu den allerletzten gehoerte, die 1956 in die DDR repatriiert wurden, wo 1978 seine „Schritte auf meinem Lebensweg“ erschienen.
In Peenemuende hatte Ruth Kraft vor allem den Quantenmechaniker Pascual Jordan kennengelernt.
Er interessierte sich fuer ihre Gedichte, die sie damals angefangen hatte zu schreiben.
Spaeter traf sie ihn noch einmal in Hamburg wieder.Mit Beginn der sechziger Jahre machte sie sich an eine weniger biographisch orientierte Fortsetzung ihres Romans, in dem es ihr vor allem um die Frage der „Verantwortung von Wissenschaftlern“ ging. Dazu besuchte sie „als erste deutsche Frau“ sogar das sowjetische Atomforschungszentrum Dubna.
Ihr Buch erschien 1965 in der DDR unter dem Titel „Menschen im Gegenwind“.Die Handlung war in der BRD angesiedelt und statt „Eva“ spielte der Kernforscher „Tiefenbach“ darin die Hauptrolle.
Er war aus Amerika zurueckgekehrt und suchte eine Anstellung in der sich gerade zusammenfindenden europaeischen Atom-Industrie.Auch dieses Buch, das in der DDR zehn- mal wiederaufgelegt wurde, erschien nach der Wende im Vision-Verlag.
In einem Nachwort schreibt die Autorin 1993, dass sie ihr Buch vor der Neuauflage „gruendlich ueberarbeitet“ habe, d. h. alles „Indoktrinierte“ entfernt – es hatte sowieso „dem Buch nur geschadet, dass ich auf alle Fragen eine Antwort zu wissen meinte“.Beim ersten Nachwende-Treffen der Raketenbauer in Peenemuende, 1991, kannten viele nur ihren ersten Peenemuende-Roman, den sie „zu erotisch“ fanden.
Auf einer gemeinsamen Bootsfahrt zur Greifswalder Oie, dem frueheren V1- und V2-Probeabschuss-Ort, wo im uebrigen auch 400 der etwa 2000 beim Luftangriff ums Leben gekommenen Zwangsarbeiter verscharrt worden waren, interviewte eine Wendtlaendische Filmgruppe Ruth Kraft: „Das stiess einigen Peenemuendern sehr sauer auf: ,Mein Buch muesste man in die Ostsee schmeissen‘, schimpften sie.“1992 wollte der Bundesverband der Luftfahrtindustrie den ersten erfolgreichen Abschuss einer deutschen Mittelstreckenrakete (V2), am 3.
Oktober 1942, spektakulaer in Peenemuende feiern.
Ein Staatssekretaer aus dem Wirtschaftsministerium, Riedl, sollte eine Rede halten. Nach Protesten aus dem In- und Ausland musste er jedoch davon Abstand nehmen.Dafuer sprach im Festzelt neben dem Pynchonforscher Friedrich A. Kittler der V1-Mitarbeiter und Testpilot Max Mayer, den Stoltenberg als Raketenexperte ins Verteidigungsministerium geholt hatte: „Er spielt ueberhaupt bei den Peenemuendern eine grosse Rolle. 1992 hatte ich aber zum Tag der Deutschen Einheit noch andere Einladungen, deswegen tauchte ich nur kurz im Hotel Baltic in Zinnowitz auf, wo die Crew wohnte, die Journalisten waren in Karlshagen untergebracht.
Weil ich das Goldene Kalb, das A4, wie wir die V2 nannten, nie angebetet habe, konnte ich auch immer offen darueber reden. Bei den alten Peenemuendern gibt es zudem immer noch eine Menge Antisemiten.
Das war auch ein Grund fuer die Aversionen gegen mein Buch: dass ich das juedische Problem mit der Raketengeschichte verflochten hatte.
Hinzu kommt: Ich bin keine Expertin, ich bin eine Frau und ich war in der DDR zu Hause.“RaumfahrtparkDem 3. ebenso wie dem letzten Inseltreffen der Peenemuender blieb Ruth Kraft fern. Dort trat jedoch der ehemalige technische Direktor von Peenemuende, Arthur Rudolph, der mittlerweile als Rentner in Hamburg lebte, erstmalig wieder auf. Durch die Veroeffentlichung von Akten ueber die Kriegsverbrechen der Peenemuender (vor allem in den Harzer „Mittelwerken“, wo die V2 serienmaessig von KZ-Haeftlingen hergestellt wurde) war Arthur Rudolph, der spaetere hochdekorierte Pershing-Konstrukteur, 1985 aus den Vereinigten Staaten vertrieben worden.Im Sommer 1993 hatte zudem noch ein Osnabruecker Historiker, Rainer Eisfeld, im Koblenzer Bundesarchiv, wo auch noch einige Peenemuender Rechenarbeiten von Ruth Kraft liegen, Unterlagen darueber gefunden, dass Arthur Rudolph schon im Juni 1943 fuer Peenemuende 1400 KZ-Haeftlinge von der SS angefordert hatte.
Durch die Bombardierung war es dazu dann nicht mehr gekommen.
In Peenemuende ging nur noch das Vorserienwerk in Betrieb – bis zum Januar 1945, als die gesamte Heeresversuchsanstalt wegen der heranrueckenden Front geraeumt werden musste.Die Sowjets uebernahmen nach Kriegsende im wesentlichen die unterirdischen Harzer „Mittelwerke“, um die herum sie unter der Leitung des Diplomingenieurs Helmut Groettrup und ca. 600 deutschen Mitarbeitern sofort eine neue V2-Fertigung aufbauten: Die sogenannten „Zentralwerke“.
Nachdem die Raketenproduktion in diesem Betrieb erfolgreich angelaufen war und ein Fuenfjahresplan des Obersten Sowjets die Raketen- und Atombombenentwicklung gleichberechtigt nebeneinander zu forcieren vorsah, wurden die „Zentralwerke“ am 22. Oktober 1946 mit Mann und Maus nach Russland verlegt.
Dabei konzentrierte man die zweite Garde der deutschen Raketentechniker (die erste hatten die Amerikaner in einer „Operation Paperclip“ sowie die Englaender eingesammelt) in ihrer Mehrzahl an einem Standort auf der Insel Gorodomlia im Seeliger See.Es gibt darueber mittlerweile einen systematischen Bericht der Historiker Albrecht, Heinemann-Grueder und Wellmann, 1992 unter dem Titel „Die Spezialisten“ im Dietz-Verlag veroeffentlicht.Aehnlich gruendliche Recherchen gibt es weder ueber die nach Amerika und England abgewanderten deutschen Wissenschaftler noch fuer die nach 1945 in franzoesische Dienste getretenen, schon gar nicht ueber jene Gruppe deutscher Ingenieure, die im Auftrag von Staatspraesident Nasser an einer aegyptischen Rakete gegen Israel arbeitete.
Sie wurde teilweise vom israelischen Geheimdienst Mossad mit Paketbomben dezimiert.Einige Mitarbeiter sollen in den siebziger Jahren in der Abschreibungsfirma von Lutz Kayser, OTRAG (Orbit-Transport-Aktiengesellschaft) eine neue Anstellung gefunden haben.
Aufsichtsratsvorsitzender dieses Konsortiums fuer den Bau von „Billigraketen“ war der Peenemuender Kurt Debus, sein alter Raketentechniker Richard F. Gomperts wurde Konstruktionschef.
Als Versuchsfeld hatte die OTRAG ein Gelaende in Zaire von der Groesse Oesterreichs erworben, fuer das sie mit dem Staatspraesidenten Mobutu ausserdem eine „freie Uranausbeutung“, „gesperrten Luftraum“ und die „Durchfuehrung beliebiger Arbeiten“ aushandelte.Gestuetzt auf Geheimdiensterkenntnisse outete 1976 ein Mitarbeiter der New York Times, Szule, die Firma von Lutz Kayser als „ein Unternehmen der Ruestungskonzerne Messerschmitt, Boelkow, Blohm“ (die heute zusammen mit der Dornier GmbH als Deutsche Aerospace AG, DASA, firmieren und zur Daimler-Benz AG gehoeren).
Die OTRAG-Experimente beendete spaeter der Buergerkrieg in Zaire. Die DASA gruendete 1990 eine „Deutsche Agentur fuer Raumfahrtangelegenheiten“, DARA GmbH, in deren „Sonderauftrag“ der Dornier-Wissenschaftler Dr.
Dieter Genthe 1991 eine Studie „Zur Realisierbarkeit eines Raumfahrtparks/Space Park in der BRD“ erstellte.
Diese Studie wurde dann Grundlage fuer eine „Betriebsgesellschaft Raumfahrtpark Peenemuende“, die der Landkreis Ostvorpommern, die Kommune Peenemuende und die Kreissparkasse Wolgast 1994 gruendeten.Zum Geschaeftsfuehrer ernannten sie den amerikanischen Pensionaer Veit Hanssen. Auch die zwei NVA-Offiziere vor Ort, Profe und Saathoff, waren mit von der Partie. Hanssen trennte sich jedoch schon bald von ihnen, weil sie ihm nicht „unbelastet“ genug waren („Ich moechte im Park keine MiGs und DDR-Kriegsschiffe sehen!“).
Dafuer wollte er ein „Astronauten-Trainingscenter“ in Peenemuende bauen.Zuvor hatte das Kultusministerium Mecklenburg-Vorpommern noch eine Herrenrunde mit der Begutachtung der DARA-Studie beauftragt: ein knappes Dutzend namhafter Museumsberater und -leiter des In- und Auslands, darunter auch einige Offiziere der Bundeswehrmuseen, sowie den Leiter der KZ-Gedenkstaette „Mittelbau-Dora“ im Harz, die das „Space Park“-Konzept einhellig ablehnten: Weder bestehe dafuer eine „bildungspolitische Notwendigkeit“, noch sei Peenemuende ueberhaupt die „Wiege der Raumfahrt“ gewesen.
Sie bezeichneten es als „Verdraengung von Geschichte“.In einem Gegenkonzept, verfasst vom Direktor des Berliner Museums fuer Verkehr und Technik, Prof. Guenther Gottmann, sprachen sich die Berater statt dessen fuer einen kleinen „Museums-Park Peenemuende“ aus, der an das Otto-Lilienthal-Museum im nahen Anklam angebunden werden solle.Die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern aeusserte sich zu diesem Konzeptionsstreit erst einmal nicht, ebensowenig die Bundesregierung, die bei einer Stellungnahme zum Thema Peenemuende in jedem Fall Proteste aus dem Ausland befuerchtete.
Die kamen im Oktober 1994 dennoch, und zwar initiiert von einer Frau: der Ost-Berliner Historikerin Regina Scheer, die im Auftrag der Bundeszentrale fuer politische Bildung saemtliche Gedenkstaetten Mecklenburg-Vorpommern katalogisiert und dabei auch Peenemuende besucht hatte, wo sie zu ihrem Entsetzen erfuhr, dass dort inmitten der „Waffenverherrlichung“ eine neue – allgemeine – Gedenkstelle „fuer die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft“ geplant sei, wobei man an erster Stelle auch noch der „Opfer der Vertriebenen aus Pommern“ zu gedenken beabsichtigte.Regina Scheer wandte sich daraufhin an die juedische Gemeinde in Mecklenburg-Vorpommern und diese informierte das Simon-Wiesenthal-Center in Los Angeles, wo ein Rabbiner, Abraham Cooper, sogleich eine Presseerklaerung herausgab, in der er die Bundes- und die Landesregierung sowie deutsche Firmen aufforderte, „kein Geld fuer ein Museum zu spenden, das eine Terrorwaffe in den Mittelpunkt stellt, die einst mehr als 2000 Briten und zehnmal mehr Zwangsarbeiter in Deutschland toetete“.Der Zeitpunkt des Protestes war gut gewaehlt, denn kurz zuvor war gerade eine grosse neue Studie ueber Peenemuende und die Operation Paperclip in den USA veroeffentlicht worden.
Der Verfasser, Dr. Michael Neufeld, Kurator im National Air and Space Museum, Washington, ist zugleich Mitglied in der Beraterkommission des Kultusministeriums von Mecklenburg-Vorpommern.
Sein Buch ist inzwischen auch auf deutsch erschienen. Auch das Dara-Konzept für einen Space-Park wurde dann noch verwirklicht – in Bremen. Die dortige Betreibergesellschaft ging jedoch schnell pleite.
Auf der Webpage des Peenemünde-Objekts, dessen Verwalter so viel ich weiß ein Wehrdienstverweigerer ist, heißt es jetzt: „Das Museum Peenemünde ist heute eine internationale Bildungs- und Kulturstätte. Neben Sonderaustellungen sind Veranstaltungen aus den Bereichen Theater, Performance, Musik, Bildende Kunst und Literatur ein fester Bestandteil des Gesamtprojekts.“ Dazu gehört auch noch „das größte U-Boot-Museum der Welt“. Ende des Jahres 2009 wurde außerdem vom Land beschlossen, das „Museum Peenemünde“ neu zu gestalten, der Nordkurier schreibt dazu:
Peenemünde, Wiege der Raumfahrt und zugleich ehemaliges Waffenforschungszentrum der Nazis, soll zu einem Ort von internationaler Bedeutung ausgebaut werden. Dafür wird das Land Mehrheitsgesellschafter in einer noch zu gründenden „Historisch-Technisches Museum Peenemünde GmbH“. „Der Schritt wurde notwendig, weil das bisher in kommunaler Trägerschaft stehende Historisch-Technische Informationszentrum in seinem Bestand nicht langfristig gesichert war“, sagte gestern Bildungsminister Henry Tesch. Das Kabinett hatte zuvor der Übernahme durch das Land und inhaltlichen Leitlinien einer interministeriellen Arbeitsgruppe unter Federführung des Bildungsministeriums zugestimmt.
Das seit 1991 in Peenemünde bestehende Informationszentrum hatte sich in den vergangenen Jahren mit jährlich 200000 Besuchern hinter dem Stralsunder Ozeaneum zum zweitgrößten Museum des Landes entwickelt. Die Kommune war allerdings mit den anstehenden Investitionen überfordert.
Einer der ersten Schritte nach der Übernahme durch das Land wird die Überwindung des Sanierungsstaus sein. Um die Denkmalwürdigkeit der Anlage zu erhalten, stehen der Gemeinde Peenemünde bis 2011 knapp vier Millionen Euro aus dem Konjunkturpaket II zur Verfügung. Das ehemalige Kraftwerk soll nach Abschluss der Arbeiten vollständig begehbar sein. Von der obersten Etage aus wird dann ein Blick über die gesamte ehemalige Versuchsanstalt möglich sein. Auch Objekte außerhalb des Museums wie der Prüfstand 7, von dem aus die erste Rakete ins All gestartet wurde, sollen für Besucher künftig zugänglich sein. Dagegen wird die bislang noch auf dem Museumsgelände ausgestellte Militärtechnik der NVA an anderen Stellen aufgestellt.
Bereits veranlasst wurde die Überarbeitung der Dauerausstellung. „Das Museum versteht sich als ein internationales Forum zur Diskussion über die Verantwortung im Umgang mit Vergangenheit und Technik“, heißt es in den Leitlinien. Mit Michael Gericke wurde inzwischen ein Geschäftsführer für die künftige GmbH bestellt. Neben dem Leiter sollen noch mindestens zwei Wissenschaftlerstellen auf Dauer eingerichtet werden.