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vonHelmut Höge 20.08.2009

Hier spricht der Aushilfshausmeister!

Helmut Höge, taz-Kolumnist und Aushilfshausmeister, bloggt aus dem Biotop, dem die tägliche taz entspringt. Gonzo-Journalismus der feinen Art.

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Die Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT) scheint besonders für Bürgerinitiativen (BIs) was herzugeben. Geht es der ANT doch nicht nur darum, den nicht-menschlichen Wesen Bürgerrechte (Sitz und Stimme in Basisparlamenten) einzuräumen, sondern auch den Artefakten.  An zwei BIs, die sich gegen eine bestimmte Artefakt-Verplanung wenden, wurde das hier im blog bereits mehrmals versucht, deutlich zu machen: an der BI Groß Köris, die gegen die Trassierung der Ostsee-Pipeline kämpft, die mitten durch die Vorgärten der Dorfbewohner führen soll sowie gegen eine riesige Verdichterstation, die direkt hinter dem Dorf gebaut werden soll. Und an der BI Gasometer – bei der es um den denkmalgeschützten Gasometer in Schöneberg geht, aus dem inklusive des Parks drumherum der schon mehrfach unangenehm aufgefallene  Westberliner Investor Reinhard Müller eine private Energie-Uni (EUREF) nebst Hotel machen will. Obwohl die sozialdemokratischen Bezirkspolitiker das gigantomanische Bau-Projekt bereits abgenickt haben, ist es noch nicht in trockenen Tüchern, wie man dort im Rathaus zu sagen pflegt. Die BI schrieb auf ihrer Internet-Seite (http://www.bi-gasometer.de) vor einigen Tagen:

Müllers Mannen haben das Sommerloch mit einer in meinen Augen ziemlich aberwitzigen Aktion gefüllt: Am Donnerstag, dem 06.08.2009 gab es im Wasserbecken des Gasometers ein “kleines Richtfest” – überrascht? Ganz sparsam und hausfraulich hat der Projektentwickler die (hoffentlich nicht ganz rostige-) WM-Kuppel der Fußball-WM 2006 in den Gasometer einbauen lassen und will dort nun “Events” veranstalten.

Es begann mit einer der üblichen Häppchenparties, über die dann in der Presse am folgenden Tag berichtet wurde. Sehr kritisch war die Abendschau. Wir erhielten dort Gelegenheit zu einem kurzen Statement und die Reporterin sagte mir, die geringe Teilnehmerzahl der Pressekonferenz und vor allem die Statements der Vertreter etablierter Universitäten seien ernüchternd gewesen. Nach diesem kleinen Event ist Einiges klarer:

  1. Es wird so schnell keinen Ausbau des Gasomters geben (mindestens zwei Jahre Nutzungsdauer für den WM-Schrott sind angedacht).
  2. Die Energieuni dürfte endgültig gestorben sein. Keine der wissenschaftlichen Institutionen scheint das zu wollen und zunächst einmal sollen “200 Millionen Euro Spendengelder” eingeworben werden – der in der Abendschau interviewte Vertreter einer Berliner Hochschule sagte denn auch ganz deutlich: “Hochschule können wir selber und brauchen da auch keine Konkurrenz”.
  3. Wie meist bei Müller – viel Lärm um nichts.

Die Webpage des Glöckners „weltuntergangs-info.de“ berichtete zuletzt auf ihrem blog „rote insel“ (http://roteinsel.blogspot.com) über Gasometer-Müller:

Wenn man einen Blog über die Insel betreibt, kommt man am Thema Gasometer und Gasag-Gelände nicht vorbei. Die Pläne klingen gigantisch, sensationell und – wichtig! – total ökologisch. Der Berliner Investor Reinhard Müller hat das Gelände erworben und plant ein europäisches Energie-Forum (EUREF) und eine „Energie-Universität“. Der Bebauungsplan wurde durchgewinkt und nun kann es losgehen. 600 Millionen sollen investiert, 5000 hochqualifizierte Arbeitsplätze geschaffen werden. Der Tagesspiegel schrieb ganz richtig: „Die Rettung des Weltklimas, so könnte man meinen, geht bald von Schöneberg aus.“ Wenn man das ganze Projekt mal ganz nüchtern betrachtet, wird man den Eindruck nicht los, als handele es sich wieder einmal um eine riesige Seifenblase, die früher oder später platzen wird. Es steht in einer Reihe mit dem Cargolifter, der Chipfabrik in Frankfurt, dem Lausitzring oder – ganz aktuell – dem Riesenrad am Zoo. Warum ich bei diesem Projekt skeptisch bin? Die gesamte Vorgeschichte war bereits sehr dubios. Die FAZ, bestimmt nicht im Verdacht stehen, wirtschaftskritisch zu sein, hat das sehr schön zusammengefasst. Dann soll als erstes ein Hotel errichtet werden. Welcher Hotelkonzern sollte auf einer Brache, auf der noch nichts steht, in einer wirklich extrem hässlichen Umgebung, bei dieser Wirtschaftskrise, sein Geld für ein Hotel verschleudern? Ich gehe jede Wette ein, dass zumindest dieser Plan in den nächsten Monaten verschwinden wird. Die mit großem Tamtam angekündigte Leuchtreklame am Gasometer sendet seit Monaten außer Lichtspielen nur Eigenreklame der EUREF und kann als Flop bezeichnet werden. Und dann wird zur Pressefütterung ein „Richtfest“ für ein irgendwo ausgegrabenes, längst vergessenes und eingemottetes Zelt gefeiert. Deutlicher kann man es ja wohl nicht mehr sagen: „Gebäude aus Stein werden wir wohl nicht bauen können, also warum nicht erstmal Second-Hand-Zelte aufstellen und mit großem Brimborium dafür Richtfeste feiern.“ Wenn ich mein Zelt auf dem Campingplatz aufstelle, trinke ich jedenfalls erst nach Vollendung mein Bierchen und ziehe keinen Kranz zwischendurch hoch. Es gäbe noch einiges mehr zu berichten (z.Bsp. über die angeblich so selbstlose Bodensanierung) und ich komme bestimmt wieder darauf zurück.
Photo: Stefanie Peter. Sie schreibt dazu:
im Städtchen Torre Annunziata, das – folgt man dem Undercoverjournalisten Roberto Saviano – zu den 90 Prozent der Gemeinden Campaniens zählt, die von der Camorra kontrolliert werden, stieß ich letzte Woche am Bahnhof auf diesen Abfallbehälter mit Sticker.

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https://blogs.taz.de/hausmeisterblog/2009/08/20/politische_oekologie_4/

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kommentare

  • U. Sedlarzek (Steglitz):

    Mensch, die bi gasometer kommt bereits auf 16.800 eintragungen im netz, da mußt du doch nicht auch noch deinen senf dazu geben, zumal wenn du das noch nicht mal tust, sondern bloß den senf der BI verdoppelst – im netz! schreib lieber mal über Gasometer-Müller und sein „Networking“ in der holz-taz, da wurde glaube ich seit märz 2008 nicht mehr über diesen „Kampf“ auf der Roten Insel Schöneberg berichtet…traurig…

    gruß
    U.S.

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