Was für ein reaktionärer Schwachkopf der Verlagsgründer Axel Caesar Springer war – weiß man: Er ließ sich von seinem Hausastrologen einen Besuchstermin bei Chruschtschow ausrechnen und nutzte diesen dann, um ihn im Kreml ebenfalls unter Berufung auf irgendwelche Sternkonstellationen zu einer Änderung seiner Außenpolitik zu bewegen. Angeblich soll er auf Sylt mal einen Strichjungen zu Tode gepeitscht haben und jeder seiner Geliebten einen Turm gebaut haben. Dann verglich er den siegreichen israelischen „Wüstenfuchs“ Dajan mit Rommel – daher sein verlogener Philosemitismus, den alle Redakteure „mit Leben“ zu füllen hatten (nach dem 11.9. mußten seine Redakteure sich auch noch schriftlich verpflichten, gedanklich stets an der Seite der USA zu kämpfen).
So wie der Tagesspiegel täglich unter dem Motto „rerum cognoscere causas“ antritt, hatte auch Axel Springer 1959 ein Credo für seinen Medienkonzern: „Ich war mir seit Kriegsende darüber klar, dass der deutsche Leser eines auf keinen Fall wollte, nämlich nachdenken. Darauf habe ich meine Zeitungen ausgerichtet.“ Rudolf Augstein sagte es später so: „Bild lügt. Nein, sie macht dümer und dümmer!“ Ihr 50jähriges Jubiläum bewarb die Bild-Zeitung mit dem Spruch „Danke für die heile Welt“, dazu zeigt sie eine dümmlich aussehende Blondine mit blauen Augen.
Für die Bild-Zeitung zu arbeiten, gilt auch unter den Zwanzigjährigen noch als verwerflich. So bitten z.B. die Springer-Praktikanten, wenn sie mit ihren Freunden, die bei der taz untergekommen sind, in deren „Kantine zusammen essen, den anderen nicht zu verraten, wo sie untergekommen sind. Neuerdings bleiben wegen des Lenkschen Pimelreliefs an der taz-Hauswand immer mal irgendwelche Springermanager in grauen Anzügen davor stehen und lachen kurz und rauh – über „diesen Dieckmann“, der in ihrem Haus anscheinend als der Irre vom Dienst und (rechter) Anarch gilt.
Ich habe mich vor allem über die beiden bruntzdummen und heimtückischen Gerichtsreporterinnen von Bild und BZ geärgert – einmal beim Prozeß gegen den Kaufhauserpresser Arno Funke alias Dagobert: Während er noch auf freiem Fuß immer wieder die Polizei überlistete, war er für die Bild „Deutschlands beliebtester Verbrecher“. Vor Gericht gestellt, galt er der Zeitung jedoch fortan nur noch als kleiner gemeiner Krimineller – und seine Geradeaus-Verteidigung nannte sie ein „feiges Geständnis“. Und dann die russische „Lotto-Fee“, der man vorwarf, ihren Lottoschein gefälscht zu haben. Auch hier schleimten sich wieder die beiden Reporterinnen an die arme Frau heran, um sie anschließend in ihrem Schweinblättern fertig zu machen – statt die Lottogesellschaft anzugehen.
Merke: Nach oben treten und nach unten ducken ist links – und nach oben ducken und nach unten treten rechts!
Springers Nachfolger im Konzern ehren ihn seit seinem Tod in der schiffförmigen Kantine des Führungspersonals im obersten Stockwerk mit einem Hausaltar, der täglich mit frischen Zeitungen und Schnittblumen garniert wird:
Detail:
Auf seinem Altar steht rechts eine zerschossene Artilleriekartusche (wahrscheinlich vom Artilleristen Karsten Klingbeil, der den Zeitungsvertrieb für Springer aufbaute) . Unten vor dem Verlagsgebäude standen bis 2006 extra gegossene umgedrehte Kanonen als Poller (sie wurden kürzlich durch elektronisch versenkbare ausgetauscht):
Blogwart Matthias Broeckers zeigt von seinem Stammplatz zwischen dem 5. und dem 6. Stockwerk des taz-Hauses auf die 15. Etage des Springer-Hochhauses: „Da hat Diekmann sein Büro!“ Broeckers hat großen Spaß an diesem ganzen juristischen bzw. verbalen Hin und Her zwischen den beiden Verlagshäusern in der Kochstraße:
Die Ex-tazlerin Uschi schickte uns derweil aus Kalifornien, wo sie bei einer kleinen Zeitung in San Diego arbeitet, dieses US-Öko-Pimmelphoto:
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Weitere Hausaltäre zum Vergleich:
Hausaltar vor der Zen-Residence in Manila.
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Hausaltar einer Filiale der chinesischen Lebensmittelkette „Panciteria“ in Manila.
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Hausaltar des Indienfahrers Bernd S. in Berlin-Steglitz.
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Hausaltar der Autovermietung von Rommel B. in Manila.
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Hausaltar im Garten der e.e. Autovermietung.
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Hausaltar des Taubenzüchters Zygmunt S. in Ciplice.
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Dreiteiliger Hausaltar der zwei Besitzer des Schöneberger Restaurants „Due Emigranti“ (Heimat – Überfahrt – Ankunft in Westberlin).
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Geraubter Hausaltar der „Spree-Athener“ (Icke-Berliner).
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Hausaltar eines US-Playmates in ihrem Bombay-Apartment, das ein Sugar-Daddy (Zuckerfabrikenbesitzer) ihr finanziert.
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Hausaltar des Odenberger Oberförsters Fabricius.
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Hausaltar des chinesischen Informatik-Studenten Wu K. in Jakarta.
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Hausaltar der Schweizer Prostituierten Sigrid F. in Zürich.
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Hausaltar eines indischen Haus- und Hofbesitzers in Goa.
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Hausaltar des Rentners Ulrich W. in Bremen.
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Hausaltar der Sozialarbeiterin Sheila P. in Bombay.
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1. Hausaltar von Oy-Siemens in meiner Wohnung in Berlin-Mitte.
2. Hausaltar von Oy-Siemens im Buddhistischen Haus in Frohnau (siehe dazu Text im blog-eintrag „Kleine Kunststücke in der Großstadt“).
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Hausaltar von Sabine V. in Berlin-Kreuzberg.
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Hausaltar von Cornelia K. in Berlin-Schöneberg.
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Hausaltar des Religionsforschers Wolfgang J. in Hannover.
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Hausaltar einer Landkommune im Elsaß.
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Hausaltar einer „Thai-Fun-Bar“ im Wedding, die einem BVG-Busfahrer gehört.
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Hausaltar eines ehemaligen burmesischen Boxmeisters in Rangoon.
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Hausaltar eines burmesischen Oppositionellen in Rangoon.
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Hausaltar eines vietnamesischen Restaurantbesitzers in Berlin-Marzahn.
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Thailändische Masseusin vor ihrem Hausaltar in Frankfurt/Main.
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Hausaltar des chinesischen Künstlers Fang W. in Berlin.
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Hausaltar der Künstlerin Annelott Höge im Radmoor.
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Hausaltar eines Getränkehändlers in Bombay.
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Ein sich ständig verändernder Hausaltar in Burma. Gezeichnet von Guy Delisle für sein Comicbuch „Burma Chronicles“ (Verlag „Drawn and Quarterly, Montreal 2008). Delisle ist mit einer Ärztin verheiratet, die für „Ärzte ohne Grenzen“ in Burma tätig war, der Comiczeichner begleitete sie.
1993 gelangte ich einmal bis in die oberste Etage des Springerstiefelverlags:
Club-Atmo im Springer-Hochhaus
In der 18. Etage des Springer- Hochhauses gibt es einen Journalisten-Club, in dem der Ullstein- Verlag manchmal seine zwielichtigen Neuerscheinungen präsentiert. Mit Reden, opulentem Buffet und Fotografen-Blitzlichtgewitter. Der Club soll atmosphärisch an einen Salon in einem Schiff erinnern. Dazu dient u.a. die runtergehängte, gewölbte Decke. Man hat eine wunderbare Aussicht über die ganze Stadt. Bis zu den Wannsee-Bergen auf der einen und Marzahn auf der anderen Seite. Und dann grenzt das Gebäude direkt an den einstigen Todesstreifen. Der Verlag mußte dafür seinerzeit eine Sondergenehmigung einholen.
Das Merkwürdigste an dem Journalisten- Club, der auch als Speisesaal für die höheren Verlags-Chargen benutzt wird, ist ein Altar zu Ehren Axel Caesar Springers (Photo siehe oben). Er besteht aus einer Art Sekretär mit einem Foto des verstorbenen Verlagsgründers darüber. Links und rechts stehen zwei Kerzenleuchter und einige Reliquien: eine Kartusche, die bei der Grundsteinlegung des einstigen Berliner Zeitungsviertels Verwendung fand, ein Bergkristall in einem mit Samt ausgeschlagenen Karton, eine kleine Bronzeplastik und einige Objekte, die ich nicht identifizieren konnte.
Ebensowenig eine der Verlags-Sprecherinnen, weil, so sagte sie mir, keiner so recht dafür verantwortlich wäre und jede Abteilung im Haus, wenn sie ein mit dem Verlagsgründer zusammenhängendes Objekt irgendwo findet, es „dort oben“ einfach ablegt.
Irgend jemand muß sich dort aber doch regelmäßig um den Altar kümmern, denn täglich werden die Schnittblumen erneuert und die neuesten Ausgaben der von Axel Springer einst gegründeten Zeitungen quasi vor ihm auf dem Sekretär ausgebreitet.
Kaum ein Fotograf versäumt es, den Altar zu fotografieren, wenn er schon mal dort oben ist, um eigentlich den einen oder anderen Prominenten zu knipsen, der sich zu einer Buchpräsentation eingefunden hat. Ich konnte beim letzten Mal die Witwe Axel Springers und Lothar Loewe identifizieren. Dieser schien mir außerordentlich fett geworden zu sein. Auch hatte er mittlerweile einen kleinen Tick bekommen: Er zuckte die ganze Zeit mit der Schulter und dem Hals. Er wußte anscheinend nicht so recht, was er dort eigentlich sollte. Im Gegensatz zu mir hat er wahrscheinlich genug Geld, so daß ihn nicht einmal ein gutgefülltes Buffet für umsonst besonders reizt.