vonHelmut Höge 30.01.2010

Hier spricht der Aushilfshausmeister!

Helmut Höge, taz-Kolumnist und Aushilfshausmeister, bloggt aus dem Biotop, dem die tägliche taz entspringt. Gonzo-Journalismus der feinen Art.

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(Photo: Peter Grosse)

In den Sozial- und Geisteswissenschaften redet man gerne von schwachen bzw. starken Thesen und Begriffen, in der (Latourschen) Wissenschaftssoziologie spricht man nun – ähnlich wie die Schimpansenforscher im Leipziger Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie – von einer „schwachen“  und einer „starken Moral“. Zuvor war bereits von Moral versus Zwang die Rede gewesen. Konkret herausgearbeitet hatten Bruno Latour und Michel Callon diese Begriffe am Beispiel von „Spead-Breakern“ (- sogenannte „sleeping cops“, mit denen man Straßen verkehrsberuhigt) und Pollern (Straßenbegrenzungspfähle, auch „stumme Polizisten“ genannt, die das Parken auf Gehsteigen verhindern).

Mit dieser  Technik aus Beton, Stahl und neuerdings Elektronik wird die zu „schwache Moral“ der Autofahrer ersetzt durch eine „starke Moral“ der Technik: Statt an ihren Altruismus (Nimm Rücksicht auf Fußgänger!) zu appellieren, verläßt man sich dabei umgekehrt auf ihren Egoismus – als Autobesitzer, die sich von den Pollern bzw. Speed-Breakern nicht die Karosserie ramponieren lassen wollen. Die Technik wirkt dabei laut Latour wie  eine Art „Klebstoff der Gesellschaft“.

Diese Sicht auf die Technik ist der des „Moralphilosophen“ Günter Anders diametral entgegengesetzt. In seinem Hauptwerk „Die Antiquiertheit des Menschen“ argumentiert er, dass der Mensch spätestens seit der Zweiten Industriellen Revolution der von ihm geschaffenen Technik nicht mehr gewachsen ist. Beim Übergang vom Gerät zur Maschine ist die Technik „überschwellig“ geworden. Bei schweren Unfällen – z.B. des Transrapids – spricht man deswegen nach Abschluß der Ursachenforschung meist von „menschlichem Versagen“. Günter Anders erzählt dazu ein Beispiel aus dem Koreakrieg: 1952 votierte der US-Oberbefehlshaber General McArthur für den Einsatz von Atombomben, die „Pentagon-Computer“ sagten  jedoch gemäß der ihnen eingegebenen Daten „Nein!“ Die Rechnerlogik ersetzte dabei erstmalig laut Günther Anders die Moral,  – was bedeute, dass die Menschheit vor ihrer eigenen Technik kapituliert habe. Der General quittierte nach seiner Rechner-Niederlage den Dienst und wurde ironischerweise Aufsichtsratschef des Büromaschinenkonzerns „Burroughs“: Ein hilfloser Versuch, aus seiner „prometheischen Scham“ (G.Anders) wieder heraus zu finden, also die der starken Moral der Technik unterlegene Moral eines Oberbefehlshabers durch eine neue Führerschaft – über diese Technik – wieder zu heben.

Es gibt daneben auch den Fall, dass man Führungskräften eine „schwache Moral“ vorwirft – gerade wenn sie auf die „starke Moral“ der Technik bauen. So erboste sich z.B. kürzlich die Opposition im Salzburger Rathaus über die Anschaffung von 14 elektronisch versenkbaren Siemens-Pollern, die alles in allem 600.000 Euro kosten: „Für mich ist das nicht nachvollziehbar: Da kracht es im Stadtbudget an allen Ecken und Enden, Sozialvereine und Einrichtungen für Kinder und Jugendliche werden gekürzt, aber für die Abriegelung der Altstadt ist plötzlich Geld da,“ meint etwa  der dortige  ÖVP-Sprecher.

Die Kölnische Rundschau meldete: „Die Anwohner vom Dürscheider Kirchberg rütteln mit gemeinsamen Kräften an den beiden Pollern, die seit dem Sommer probeweise die Durchfahrt versperren. Nichts zu machen. Die Poller geben nicht nach. ‚Alle wollen, dass diese Dinger weg kommen. Warum macht die Verwaltung nicht, was die Bürger wollen?‘, fragt die Anwohnerin Ute Trosdorff, die eine kleine Anti-Poller-BI zusammentrommelte“.

In Ostberlin war es nach der Wende umgekehrt so, dass die Bürger von den Tiefbauämtern der Bezirke die Aufstellung von Pollern geradezu wütend verlangten, wie sich der Treptower Amtsleiter erinnert. Im Vorort  Strausberg will man die Poller an der Großen Straße jetzt durch elektronisch versenkbare ersetzen. Inzwischen warnt jedoch z.B. der Tagesspiegel: „Berlin ist im Begriff, eingepollert zu werden“. Dabei kommen ebenfalls immer mehr elektronisch versenkbare Poller zum Einsatz – vor Banken, Botschaften, Ministerien und jüdischen Einrichtungen. Nach einer Warnung vor Terroranschlägen wurde z.B. das Jüdische Museum mit 30 schweren Betonblöcken abgepollert. Nach der Sperrung der gesamten Wilhelmstraße mit innenbeleuchteten Stahlpollern – um die englische Botschaft zu schützen, gründete sich 2008 eine BI von Gewerbetreibenden an der Friedrichstraße, die zusammen mit dem CDU-Politiker Uwe Lehmann-Brauns für eine Entpollerung der Wilhelmstraße kämpft – bis jetzt vergeblich: „Denn die weltpolitische Sicherheitslage hat sich nicht gebessert,“ heißt es dazu aus der Innenverwaltung lapidar. Ähnliches gilt für die Poller um US-Einrichtungen:  „Wenn vor irgendeiner amerikanischen Botschaft in der Welt eine Autobombe explodiert, werden Ebert- und Behrenstraße sofort dichtgemacht,“ so sagte es ein hochrangiger Polizeibeamter.

Mit jeder Abpollerung und jeder technischen Verbesserung der Poller weicht der europäische Humanismus der Aufklärung amerikanischem Sachzwang. Und dieser wird durch immer wieder neue Studien von US-Genetikern, -Anthropologen, -Wirtschaftswissenschaftlern, -Soziologen etc. gerechtfertigt, die alle glasklar beweisen: der Mensch, ja auch alle Affen, Vögel und Fische – sind egoistisch. Unser  Altruismus ist dünne Firnis nur über nackte Interessen. Deswegen darf man sich nicht auf die Menschen verlassen, sondern muß auf die „starke Moral“ der Technik setzen. Der Mensch ist, technisch betrachtet, eine „Fehlkonstruktion“. Günther Anders zitierte dazu einen US-Offizier, der den Menschen als eben „faulty“, als nun mal fehlerhaft, bezeichnete. Er ist bestenfalls „bloß noch ‚Mit-Tuender‘ in einem Betrieb, egal ob er Waschmaschinen oder Massenvernichtungsmittel herstellt.“

Bruno Latour spricht von  „Mitforschern“, die wir werden müssen, weil die Wissenschafts- und Technik-Experimente längst über das Labor hinausgewachsen sind und uns alle mit einbezogen haben. „Ein Gerät wird von uns gehandhabt, Maschinen haben uns in der Hand,“ so sagt es Günther Anders. Und damit befindet sich nun laut Latour die stärkere Moral quasi automatisch auf ihrer Seite. Sein wissenschaftssoziologischer Mitstreiter Jim Johnson behauptet – besonders im Hinblick auf seinen eigenen neuen Personalcomputer: „Trotz des steten Unbehagens von Moralisten ist kein Mensch so unerbittlich moralisch wie eine Maschine.“

Im Gegensatz zu den Affen und anderen Tieren „benötigen wir“ jedoch „leider“ – wenn wir Günther Anders folgen – ebenfalls und jetzt erst recht „die Moral“. Das sieht Bruno Latour ganz anders – wobei er sich auf eigene Affenforschungen (zusammen mit der Anthropologin Shirley Strum) stützen kann: Wo wir Wissenschaft und Technik einsetzen, um das Soziale her zu stellen und zusammen zu halten, sind die Affen quasi auf sich allein gestellt, weswegen sie auch eine viel größere „Sozialkompetenz“ als wir haben.

Der Moralphilosoph Anders hebt auf die „Diskrepanz“ zu den sozialistischen Utopisten ab, wenn er uns als „invertierte Utopisten“ bezeichnet: „Während die viel mehr vorstellen als herstellen konnten, können wir uns leider viel weniger vorstellen als herstellen…Vermutlich wird der letzte ‚Täter‘ ein vom Computer gesteuerter Computer sein.“

Jeder Poller – eine zivile Massenvernichtungswaffe

Schon kommen Gehirnforscher zu dem Ergebnis, dass der Mensch für seine Taten sowieso nicht zur Verantwortung gezogen werden kann, denn ihre physikalisch-chemische Deutung unserer Gehirnvorgänge entlarvte die „Willensfreiheit“ als bloße Fiktion.

Umgekehrt werden dagegen den Computern vor Gericht immer mehr „Personenrechte“ zugestanden – seitdem wir bereit sind, z.B. mit Geld- und Fahrscheinautomaten sowie Computerprogrammen im Internet „faktische Verträge“ abzuschließen. Demnächst werden sogar „Computer auf beiden Seiten des Vertragsverhältnisses agieren“, wie der Rechtssoziologe Gunther Teubner meint. Der Jurist Andreas Matthias ließ sich davon bereits zu einem grundsätzlichen „Plädoyer für die Rechtsverantwortung von autonomen Maschinen inspirieren“ („Automaten als Träger von Rechten“, heißt sein Buch dazu, das  im Verlag „Logos Berlin“ erschien). Ein Rezensent schrieb: „Der Autor vertritt die Auffassung, dass Betreiber und Hersteller von Maschinen mit künstlicher Intelligenz  keine Kontrolle mehr über diese haben. Denn nur die Maschinen haben die vollständige Kontrolle über den von ihnen ausgeführten Vorgang und sollen somit auch die Verantwortung für etwaige Fehler bzw. Schäden tragen.“

Bereits in den frühen Sechzigerjahren erklärte der Peenemünder Steuerungsingenieur und spätere sowjetische Raketenbauer Helmut Gröttrup als Siemens-„Informatiker“ (der dann den Geldautomaten miterfand) in einem Vortrag vor Hamburger Geschäftsleuten: Die unternehmerische Freiheit sei ein bloßer Irrtum, der auf Informationsmangel beruhe. Diesen Informationsmangel könne man aber durch Computerisierung beheben. Die wirtschaftliche Entscheidung(-sfreiheit) geht dabei freilich auf den Rechner über.

Ähnliches sollte 1970 auch mit den politischen Entscheidungen passieren. Da eröffnete der im Zweiten Weltkrieg mit militärischen „Operations Research“-Aufgaben befaßte US- Kybernetiker Stafford Beer dem neuen chilenischen Präsidenten Salvatorn Allende einen „dritten – soften – (Aus-)Weg“ – jenseits der Dogmen von Zentralisierung oder Dezentralisierung, jenseits der Doktrinen von freier Marktwirtschaft oder Planwirtschaft und jenseits der Expertisen von Bürokratie und Vetternwirtschaft. Er argumentierte, die Regierung treffe ihre Entscheidungen auf Basis von Monate wenn nicht Jahre alten Wirtschafts- und anderen -Daten. Beim Stand der Technik sei es jedoch möglich, nach Art der Echtzeit-Frühwarnsysteme Regelungen und Entscheidungen zu treffen auf der Basis eines Regierungswissens, das sich netzwerkhafter Frühinformationssysteme bediene. Das Zeitalter der Statistik müsse (endlich) beendet werden! so Stafford Beer, der daraufhin in den bereits von ihren Redakteuren verlassenen Büros der US-Zeitschrift „Reader’s Digest“ in Santiago einen futuristischen „Operations Room“ einrichtete, von dem aus er bis zum Sturz Allendes 1973 mit einer Reihe von Großrechnern das  „Projekt Cyberstride“ (kybernetische Überschreitung) realisierte, „wenn auch nicht mit tatsächlicher real-time-control, sondern einer Verzögerung von 24 Stunden“, wie Claus Pias unlängst auf einem FU-Kongreß über die Anfänge der Kybernetik ausführte.

Wegen des von den Amerikanern inszenierten Putschs in Chile wissen wir nicht, ob Stafford Beers Zentralrechner bessere moralische Entscheidungen getroffen hätte als die Politiker mit Allende an der Spitze.  Bei den (elektronisch versenkbaren) Pollern läßt deren „starke Moral“ jedoch noch immer zu wünschen übrig – das wissen wir, weil die Gerichte immer mal wieder Verbesserungen (Nachrüstungen) einfordern. So z.B. kürzlich das Oberlandesgericht Saarbrücken in einem Fall, den der MDR folgendermaßen schilderte: „Sabrina Saalbach ist mit ihrem Auto in der Innenstadt unterwegs. An einer Gasse der Altstadt kommt sie plötzlich nicht mehr weiter. Meterhohe Poller versperren ihr den Weg. Einige Augenblicke später beobachtet sie aber einen städtischen Bus. Der Fahrer versenkt per Funksignal einen der Poller im Boden, so dass der Bus durchfahren kann. Frau Saalbach versucht, möglichst schnell zu folgen. Doch der Bus muss wegen eines Fußgängers kurz halten und so bleibt Frau Saalbach direkt über dem eingefahrenen Poller stehen. Der bewegt sich dennoch nach oben und beschädigt ihr Auto erheblich. Von der Stadt fordert sie nun Schadenersatz. Dort allerdings lehnt man ab, die Frau habe keine Berechtigung zur Einfahrt gehabt. Auch hätten Schilder auf den versenkbaren Poller hingewiesen. Das  Oberlandesgericht entschied jedoch: Versenkbare Poller dürfen keine Gefahr im Straßenverkehr darstellen. Kommunen sind verpflichtet, sie technisch so auszurüsten, dass sie nicht zu einer Gefahrenquelle werden können. So muss verhindert werden, dass die Poller ausfahren, wenn ein Fahrzeug darüber hält. Das alleinige Aufstellen von Warnschildern genügt nicht. Die Kommune muss den Schaden von Frau Saalbach zur Hälfte übernehmen.“

In anderen Worten: Beide – Poller und Autofahrerin – haben „moralisch“ versagt, deswegen müssen nun beide zahlen. In Leipzig sieht die technische Nachrüstung neuerdings so aus, dass man neben  den elektronisch versenkbaren Poller-Reihen in der Innenstadt noch jeweils eine Ampelanlage aufgestellt hat – „Pollersignal“ genannt. Darauf muß man nun achten – nicht mehr auf die Poller selbst.

„Viel hilft“, teilt Peter Grosse zu diesem Photo mit.

Einige Zitate von Günther Anders (taz v. 13.7.1982):

„Während der Ahn, durch die Rücksichtslosigkeit seiner Fragen, warum Seiendes, wenn ungesollt, denn überhaupt sein solle; und warum und woraufhin er denn noch sollen solle; durch seine verzweifelte Gier, die ihm vernichtete Welt wirklich zu vernichten, und durch die Maßlosigkeit seiner Melancholie zur philosophischen Figur
ersten Ranges aufrückte – aber der Vernichtung, nach der er fieberte, nicht mächtig war, und dadurch direkt in die
Geschichte nicht einzugreifen schien – ist der Enkel ein philosophisch uninteressierter, des Zynismus so wenig wie
der Melancholie fähiger bonhomme, eine beschränkte, privat harmlose Figur, der die Totalvernichtung in den Schoß
fiel wie irgendeine andere technische Neuerung – aber gerade dadurch geschichtlich von der Enormität, die alles, was bisher als ‚geschichtlich‘ gegolten hatte, in den Schatten stellt, da er der Vernichtung nicht nur mächtig ist; sondern vielleicht sogar unfähig, diese seine Macht nicht auszuüben.“

„Wenn ich behaupte, daß der Mensch weitgehend das Abbild seiner Instrumente sei, dann habe ich zum Beispiel folgendes im Sinn: Ich glaube,daß eine Arbeiterschaft, die Im Auto vor der Fabrik vorfährt, nicht mehr eine solidarische Arbeiterschaft bleiben kann. Leute die gewöhnt sind, täglich im eigenen Wagen hin und her zu fahren, werden nicht mehr wie eine von Käthe Kollwitz lithographierte Menschenmasse über die Champs Elysee oder die Place de la Bastille stürmen. Sie sind durch Maschinen total verändert, nämlich in Solisten verwandelt.“

„Alle bisherige Philosophie, bis hin zu Adorno geht von der Selbstverständlichkeit des Weiterbestandes der Welt aus. Zum ersten Mal wissen wir von der Welt, In der wir leben, nicht, ob sie weiterbleiben wird. Früher hatte der Tod innerhalb der Welt stattgefunden und Jede Epoche innerhalb der weitergehenden Geschichte. Diese Art von Tod ist nun tot. Denn nunmehr haben wir den Tod der Welt selbst oder der Geschichte selbst ins Auge zu fassen.“

Poller am Nordpol

Zur Erinnerung:

„Die Wasserstoffbombe“ (ein JW-Text von Ronald Friedmann, veröffentlicht am 31.1.2010):

Die Mitarbeiter von US-Präsident Harry S. Truman hatten gründlich am Text der Erklärung gearbeitet, die ihr Chef am 31. Januar 1950 der Öffentlichkeit übergab. Schließlich sollte der Eindruck erweckt werden, daß die Entwicklung und der Bau einer Waffe, die von ihren Kritikern als »Völkermordwaffe« bezeichnet worden war, einem hehren Zweck diente – der Verteidigung des Friedens: »Es ist Teil meiner Verantwortung als Oberkommandierender der Streitkräfte, dafür Sorge zu tragen, daß unser Land jederzeit in der Lage ist, sich gegen jeden Angreifer zu verteidigen. In Übereinstimmung damit habe ich die Atomenergiekommission angewiesen, die Arbeit an allen Arten von Atomwaffen fortzusetzen, einschließlich der sogenannten Wasserstoff- oder Superbombe. Wie alle anderen Arbeiten auf dem Gebiet der Atomwaffen, wird auch diese Arbeit entsprechend unseren übergeordneten Prinzipien des Friedens und der Sicherheit erfolgen.«

Anfang 1943 war in den USA das Manhattan-Projekt ins Leben gerufen worden, das bis heute größte und umfassendste Wissenschafts- und Technologieprojekt der Geschichte. Niemals zuvor und niemals danach war eine so große Zahl der besten Wissenschaftler aus aller Welt an einem Ort – dem Forschungszentrum Los Alamos in der Wüste von New Mexico – zusammengeholt worden, um ohne Beschränkung der materiellen und finanziellen Ressourcen ein einziges Ziel zu verwirklichen – den Bau einer auf Kernspaltung basierenden Bombe. Nur zweieinhalb Jahre später war das Ziel erreicht: Am 17. Juli 1945 wurde auf dem Testgelände Alamogordo, ebenfalls in der Wüste von New Mexico, die erste Atombombe getestet. Drei Wochen später, am 6. und 8. August 1945, wurden die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki mit diesen Waffen angegriffen. Weit mehr als hunderttausend Menschen starben im nuklearen Feuer.

Auch die Entwicklung und der Bau einer (thermonuklearen) Wasserstoffbombe, also einer auf Kernfusion basierenden Waffe mit einer unvergleichbar höheren Sprengkraft als einer Kernspaltungsbombe, war ursprünglich ein Teil des Manhattan-Projekts gewesen. Doch es hatte sich sehr schnell herausgestellt, daß es nicht möglich sein würde, zwei so komplexe Vorhaben gleichzeitig zu betreiben. J. Robert Oppenheimer, der wissenschaftliche Leiter des Manhattan-Projekts, hatte deshalb entschieden, die Arbeiten an der Wasserstoffbombe auf die Zeit nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zu vertagen. Einzig der aus Ungarn stammende Physiker Edward Teller bestand darauf, mit seiner Gruppe weiter am Konzept einer Fusionsbombe zu arbeiten: Er hatte innerhalb kürzester Zeit eine nur noch als pathologisch zu bezeichnende Besessenheit entwickelt, eine Wasserstoffbombe zu entwickeln und zu bauen.

Doch in den folgenden rund fünf Jahren erfolgte die Arbeit an der US-amerikanischen Wasserstoffbombe ohne echte Höhepunkte und Fortschritte, der Schwerpunkt der Arbeiten lag weiterhin auf dem Gebiet der auf Kernspaltung basierenden »klassischen« Atombombe.

Am 29. August 1949 zündete die Sowjetunion ihre erste Atombombe, etliche Jahre früher, als es die Spezialisten in den USA für möglich gehalten hatten. In der US-Öffentlichkeit löste dieses Ereignis eine Reaktion aus, die in gewisser Weise eine Vorwegnahme des sprichwörtlichen »Sputnik-Schocks« war, der die westliche Welt acht Jahre später, nach dem Start des ersten sowjetischen Erdsatelliten, erschüttern sollte. Unter dem Eindruck des erfolgreichen sowjetischen Atombombentests sah Edward Teller nun seine große Chance, den Druck auf die politischen und militärischen Entscheidungsträger in der US-Regierung zu erhöhen, jetzt endlich ein umfassendes Programm zur Entwicklung und zum Bau der Wasserstoffbombe aufzulegen, dem höchste Priorität eingeräumt werden sollte und für das alle notwendigen Ressourcen zur Verfügung gestellt werden sollten.

Ein Beraterkomitee der Atomenergiekommission unter Leitung von J. Robert Oppenheimer, dem u. a. die Nobelpreisträger Enrico Fermi und Isidor Isaac Rabi sowie weitere hochkarätige Wissenschaftler des Manhattan-Projekts angehörten, kam jedoch Anfang November 1949 zu einer gänzlich anderen Schlußfolgerung: Es wurde festgestellt, daß eine Wasserstoffbombe »keine Begrenzung der Explosivkraft hätte, mit Ausnahme der Beschränkungen, die sich aus der Notwendigkeit ergeben, daß sie transportabel sein muß«. Und weiter: Die Wasserstoffbombe ist »keine Waffe, die ausschließlich gegen militärische und halbmilitärische Einrichtungen eingesetzt werden kann. Ihr Einsatz würde in noch viel größerem Maße als der Einsatz der Atombombe Ausdruck einer Politik der Massenvernichtung der Zivilbevölkerung sein. (…) Aus diesem Grund kann die Superbombe zu einer Waffe des Völkermordes werden.« Die einstimmige Empfehlung des Beraterkomitees lautete daher, auf die Entwicklung und den Bau der Wasserstoffbombe aus grundsätzlichen Erwägungen zu verzichten und die Bemühungen zu einer internationalen Kontrolle und Begrenzung der nuklearen Rüstung zu intensivieren.

In den folgenden Wochen und Monaten gingen die Diskussionen auf der Ebene der Atomenergiekommission und des Beraterkomitees weiter, doch US-Präsident Truman hatte die Angelegenheit längst auf die höchste Regierungsebene gezogen: Ein Subkomitee des Nationalen Sicherheitsrates der USA, das auch die Meinung des Ausschusses für Atomenergie des Kongresses und die Meinung der Vereinten Stabschefs, des höchsten militärischen Führungsorgans, einholte, bereitete im Januar 1950 die verhängnisvolle Entscheidung vor, die Truman dann am 31. Januar 1950 verkündete.

Edward Teller verwandte nun seine gesamt Energie darauf, das im kleinsten Kreis beschlossene Vorhaben – insgesamt waren weniger als fünfzig Menschen in die Debatte einbezogen, bei der es de facto um die technische Möglichkeit der Selbstvernichtung der gesamten Menschheit ging – in die Praxis umzusetzen. In den folgenden Monaten und Jahren erwarb er sich so den zweifelhaften Ruf, der »Vater der US-amerikanischen Wasserstoffbombe« gewesen zu sein, auch wenn der entscheidende wissenschaftliche Beitrag nicht von ihm, sondern von dem aus Polen stammenden Physiker Stanislaw Ulam kam.

Am 1. November 1952 erfolgte die Zündung der ersten US-amerikanischen Wasserstoffbombe, wobei der Begriff »Bombe« im Grunde falsch war, denn es handelte sich um eine nichttransportable Versuchsanordnung in der Größe eines Wohnhauses, mit einer Masse von nicht weniger als 62 Tonnen. Immerhin entwickelte diese erste Wasserstoffbombe eine Sprengkraft von 10,4 Megatonnen TNT, etwa fünfhundertmal mehr als die Bomben von Hiroshima und Nagasaki. Am 28. Februar 1954 schließlich konnten die USA die erste Wasserstoffbombe testen, die von einem Flugzeug hätte transportiert werden können und daher die Bezeichnung »Bombe« auch zu Recht trug.

Die Sowjetunion zündete ihre erste Wasserstoffbombe am 22. November 1955. Sechs Jahre später, am 30. Oktober 1961, wurde auf der Insel Nowaja Semlja, nördlich des Polarkreises, die größte Wasserstoffbombe aller Zeiten getestet. Sie hatte eine Sprengkraft von 58 Millionen Tonnen TNT, also etwa 3800 Hiroshima-Bomben.

Dem Irrsinn solcher Tests machte erst das Moskauer Atomteststoppabkommen vom 5. August 1963 ein Ende. Doch was in der Öffentlichkeit heutzutage kaum noch Beachtung findet: Wasserstoffbomben gehören noch immer zum Waffenarsenal der Atommächte. Ihr Einsatz ist jederzeit und überall möglich.

Quellentext: War die Wasserstoffbombe notwendig?

Der Vorschlag (des Beraterkomitees – RF) bestand darin, Verhandlungen mit Rußland mit dem Ziel aufzunehmen, daß beide Länder sich verpflichten, die Wasserstoffbombe nicht zu entwickeln. Wenn es möglich gewesen wäre, ein solches Abkommen zu erreichen und umzusetzen, dann wäre die Welt weit entfernt von der Gefahr, vor der sie heute steht. Weder wir noch vermutlich die Russen wußten, wie eine Wasserstoffbombe gemacht wird. In diesem gesegneten Zustand der Unwissenheit hätten wir bleiben sollen. … Viele Menschen werden behaupten, daß Rußland eine solches Abkommen akzeptiert und dann gebrochen hätte. Das glaube ich nicht. Thermonukleare Waffen sind so kompliziert und komplex, daß niemand sicher sein kann, daß er die richtige Lösung gefunden hat, bevor er ein solches Gerät getestet hat. Aber es ist allgemein bekannt, daß der Test einer Bombe von solchen Ausmaßen sofort festgestellt werden kann. Das heißt, auch ohne Inspektion vor Ort würde es jede Seite sofort erfahren, wenn die andere Seite das Abkommen gebrochen hat. Es ist schwer zu sagen, ob die Russen unabhängig von uns die Wasserstoffbombe entwickelt hätten. … Nach dem wir angekündigt hatten, daß wir die Sache betreiben würden, hatten die Russen keine andere Wahl mehr, als dasselbe zu tun. Auf dem Gebiet der Atomwaffen haben wir seit dem Ende des Krieges sowohl quantitativ als auch qualitativ die Vorgaben gemacht. Rußland mußte uns folgen oder zu einer untergeordneten Macht werden. Zusammenfassend muß ich feststellen, daß die Entwicklung der Wasserstoffbombe eine Katastrophe war. … Wir hätten einhalten und vor jedem neuen und unumkehrbaren Schritt sehr gründlich die Folgen bedenken müssen.

Der deutsch-US-amerikanische Atomphysiker Hans Bethe 1954 in seinem damals geheimen Essay »Kommentare zur Geschichte der Wasserstoffbombe«

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kommentare

  • Der Wissenssoziologe Bruno Latour plädiert dafür, auch Nicht-Lebewesen an den Verhandlungstischen zuzulassen. Das sei mehr als überfällig. Eines seiner Bücher hat den Titel „Das Parlament der Dinge“. Im Berliner Merve-Verlag erschien vor einiger Zeit ein Interview von ihm, das er mit seinem Pariser Philosophie-Kollegen Michel Serres geführt hatte: „Aufklärungen“. Darin ging es leider nicht um diese Überwindung der Dichotomie von Kultur-Natur bzw. Subjekt und Objekt.

    Heute und Morgen ist Serres auf Einladung des „Wassermusikfestivals“ im Haus der Kulturen der Welt, wo er bei den „Gesprächen an der Spree“ einen Vortrag über die „Rechte des Meeres“ halten wird. Es geht darin ganz aktuell auch um die Öl-Verseuchung des Golfs von Mexiko durch BP. Der taz erklärte der ehemalige Seemann Serres dazu in einem Interview Näheres:

    taz: Zuletzt haben Sie sich mit Ihrem Buch „Das eigentliche Übel“ der Politik zugewendet. Wir würden Sie die zentrale Idee Ihres Anliegens beschreiben?

    Michel Serres: Genau genommen handelt es sich um eine rechtspolitische Frage. In meinem Buch „Le contrat naturel“ [„Der Naturvertrag“] habe ich die Möglichkeit untersucht, wie bestimmte Objekte der Natur, etwa das Meer, zu Subjekten des Rechts werden. Das hat seinerzeit natürlich zu den erwartbaren Protestschreien geführt. Heute wird dies etwas besser verstanden. In Anbetracht des aktuellen Desasters am Golf von Mexiko würde ich mir nichts dringlicher wünschen als einen Prozess vor einem internationalen Gericht, in dem BP im Namen des Meeres angeklagt wird. Hier hätte es einen ganz konkreten Sinn, wenn das Naturobjekt ein Rechtsubjekt wäre. In „Das eigentliche Übel“, das auch den Versuch eines Rechtstraktats darstellt, stelle ich die Frage, warum wir unsere Umwelt verschmutzen. Man stellt immer die Frage, wie wir die Umwelt verschmutzen, aber nie, warum. Ich gehe von einer Analyse des Verhaltens der Tiere aus, die durch Ausscheidungen die Grenzen ihrer Nischen markieren, und begründe darauf eine Theorie des Eigentumsrechts. Das zentrale Axiom beruht auf der Doppeldeutigkeit des Begriffs propriété (Eigentum/Sauberkeit) und lässt sich vermutlich kaum ins Deutsche übertragen: Le propre, c’est le sale (ungefähr: Das Eigene ist das Verschmutzte). Etwas zu verschmutzen, bedeutet, sich etwas anzueignen, etwas in Besitz zu nehmen. Auf die Katastrophe am Golf von Mexiko angewendet, könnte man sagen: BP ist durch den Akt der Verschmutzung gerade dabei, den Golf von Mexiko in Besitz zu nehmen.

    Taz: Die Anwälte von BP würden vor Gericht wahrscheinlich argumentieren, dass es sich um einen Unfall handelt. Die „Aneignung“ in Ihrem Sinne wäre nicht vorsätzlich geschehen…

    Michel Serres: Der Begriff des Unfalls wäre hier genauer zu analysieren. Wenn sie das Risiko eingehen, in so großer Tiefe unter der Meeresoberfläche nach Öl zu bohren, dann nehmen sie auch das Risiko solcher Unfälle in Kauf. Genau aus diesem Grund behaupte ich, dass es eine internationale beziehungsweise interkontinentale Verfassung geben müsste, in der auch die Elemente der Natur vertreten sind. Mein Vorschlag für den Namen dieser Verfassung lautet WAFEL [Water-Air-Fire-Earth-Living]. Auf der Grundlage einer solchen Verfassung ließe sich ein Gericht einberufen, eine juridische Instanz, ähnlich dem bestehenden Internationalen Strafgerichtshof, die im Namen des betroffenen Elements gegen solche Unfälle beziehungsweise Anschläge auf den Planeten vorgehen könnte. Der Kläger wäre in diesem Fall der Golf von Mexiko. Er würde sich auf ein Naturrecht stützen, das ganz wie das heutige Menschenrecht ein Grundrecht wäre. Dafür bräuchte es nur einen Vertrag, einen allgemeinen Waffenstillstand in diesem Krieg, den wir gegen den Planten führen.

    So weit das Interview mit Michel Serres. Indem er darauf besteht, dass die vier Elemente leben, fällt er hinter Bruno Latours „Parlament der Dinge“ und dessen „Kollektiven von Menschen und nicht-menschlichen Wesen“ zurück.

  • Günther Anders starb 1992, aber schon bald trat ein neuer Apokalyptiker auf den Plan – der Geochemiker James Lovelock.

    Im Netzwerk der Autoren „suite 101“ schreibt Renate Oetjens:

    In den 1960er-Jahren äußerte der unabhängige Wissenschaftler James Lovelock erstmals seine Idee, dass die gesamte Erde ein intelligenter Superorganismus sei. Dieser Organismus reguliere seine Funktionen selbst, um Leben zu ermöglichen und das komplexe System in einer ausgeklügelten Balance zu halten. Erste Anhaltspunkte dazu fand er in der Zusammensetzung der Atmosphäre und im stabilen Salzgehalt der Meere.

    Zunächst formulierte der Brite seine Ideen als Hypothese, die er auf Anregung seines Nachbarn, Schriftsteller William Golding, nach der griechischen Göttin der Erde „Gaia“ nannte. Er veröffentlichte seine Forschungen und Schlussfolgerungen zunächst in wissenschaftlichen Magazinen, wo sie bis Anfang der 1970er-Jahre kaum beachtet wurden.

    Auch die Veröffentlichung seines ersten Buches „Gaia: A New Look at Life on Earth“ im Jahr 1979 brachte kein positives Echo. Die Erde eine Art intelligentes Lebewesen? Biologen und andere Wissenschaftler belächelten seine Ideen, die manchen wohl eher wie New-Age-Spinnereien eines Hippies erschienen. Konsequenterweise waren Science-Fiction-Autoren wie J.G. Ballard wohl mit die ersten Leser, die sich von Lovelock inspiriert fühlten.
    Biographie von James Lovelock: Vielseitiger Erfinder und visionärer Wissenschaftler

    James Ephraim Lovelock wurde am 26. Juli 1919 in Hertfordfordshire geboren. Er studierte Chemie in Manchester, später promovierte er in London in Medizin und Biophysik. Lovelock forschte in Harvard und Yale. Dabei galt sein Interesse zunächst der medizinischen Forschung, bevor er sich dem Leben auf der Erde als Gesamtheit zuwandte.

    Für die NASA entwickelte Lovelock in den 1960er-Jahren Messgeräte, mit denen während der Viking-Mission Daten über die Atmosphäre des Mars gesammelt wurden. Später ermöglichten Lovelocks Erfindungen wie der Elektroneneinfangdetektor (ECD) auch den Nachweis von Umweltgiften wie PCB und DDT. Auch zur Erforschung der bedrohten Ozonschicht trugen Lovelocks Geräte wesentlich bei.

    Während seiner Forschungsarbeit für die NASA, bei der er auch vergleichende Studien über die Atmosphäre von Erde und Mars anstellte, begann Lovelock sich erste Fragen zu stellen, die ihn zu seiner Hypothese führten: Wie bleibt die Zusammensetzung der Atmosphäre so ausbalanciert, dass sie Leben auf dem Planeten ermöglicht? Und wieso ist der Salzgehalt des Meeres trotz zum Beispiel wechselnder Klimaeinflüsse immer relativ gleich?

    Das komplexe Zusammenspiel von Biosphäre, Atmosphäre, Lithosphäre und Hydrosphäre bietet ideale Lebensbedingungen auf der Erde. Dabei könnte es auch ganz anders sein, wie Lovelock beim Vergleich mit dem Mars feststellte.

    Oberflächentemperatur, Zusammensetzung der Atmosphäre und Salzgehalt der Ozeane bleiben auf der Erde konstant, selbst wenn die Sonne unterschiedlich viel Energie zur Erde schickt. Laut seiner Erdrückkopplungs- Hypothese, die Lovelock in den frühen 1970er-Jahren in wissenschaftlichen Magazinen veröffentlichte, funktioniert dies nur deshalb, weil die Erde als lebender Superorganismus seine Funktionen selbst reguliert.

    Während die wissenschaftliche Welt seine These meist verspottete oder gar nicht weiter beachtete, forschte und feilte Lovelock weiter und taufte seine Idee nach einem Gespräch mit Schriftstellernachbar William Golding (Herr der Fliegen) in Gaia-Hypothese um.

    1979 veröffentlichte er sein erstes Buch Gaia: A New Look at Life on Earth (dt. Unsere Erde wird überleben: Gaia, eine optimistische Ökologie), das vor allem von Biologen abgelehnt wurde, während einige Umweltschützer und Klimatologen es überzeugend und interessant fanden.

    In den folgenden Jahren erwiesen sich viele von Lovelocks Behauptungen und Vorhersagen als richtig, und im Zuge weiterer wissenschaftlicher Untermauerung wird die Gaia-Hypothese zur Gaia-Theorie. Zunächst arbeitete Lovelock seine Thesen in einem zweiten Buch, The Ages of Gaia: A Biography of our Living Planet (dt. Das Gaia-Prinzip: die Biographie unseres Planeten), weiter aus. In seinen nächsten beiden Büchern, The Revenge of Gaia: Why the Earth Is Fighting Back – and How We Can Still Save Humanity (dt. Gaias Rache – Warum die Erde sich wehrt) und dem 2009 erschienenen The Vanishing Face of Gaia: A Final Warning wendet er sich vor allem der Zukunft des blauen Planeten zu, wird vom besorgten zum pessimistischen Warner.

    Denn so perfekt die Selbstregulierungskräfte von Gaia einst funktionierten – gegen den Treibhauseffekt könnten sie machtlos sein, warnt Lovelock. Der hausgemachte Klimawandel und seine unausweichlichen Folgen stehen in seinem letzten Buch im Mittelpunkt.

    Lovelocks pessimistisches Fazit: Ob internationale Klimaschutz-Abkommen oder private Bemühungen von Recycling bis Fahrradfahren, all dies kommt Jahre oder gar Jahrzehnte zu spät. Und grüner Lifestyle mag das Gewissen zwar beruhigen, meint der Brite, wird den Planeten aber nicht mehr retten. Realistischerweise ist die Klimakatastrophe nicht mehr abzuwenden.

    Lovelock, der schon seit über 40 Jahren warnt, dass Klimawandel und Umweltkatastrophen die Menschheit an den Rand des Abgrundes bringen werden, sieht sich und seine Forschungsergebnisse bestätigt. Es gibt bereits die ersten Klimaflüchtlinge, die vor Dürre oder steigenden Meeresspiegeln fliehen. Und auch die Wirtschaft bekommt die Folgen des Klimawandels immer stärker zu spüren.

    Was könnte seiner Meinung nach das Ruder herumreißen, wenn es nicht schon zu spät ist? Lovelock sieht als einzige Rettung die Kernenergie. Er hält die Technologie für mittlerweile beherrschbar und sauber. Nur Kernkraftwerke könnten seiner Meinung nach genug Energie für die wachsende und zunehmend stromhungrige Weltbevölkerung erzeugen.

    Die Gaia-Theorie, die manchen Kritikern zunächst als Hirngespinst eines Öko-Hippies galten, stammt von einem Pragmatiker, der unromantisch abwägt und sich damit besonders im grünen Lager nicht immer beliebt macht.

    Doch erneuerbaren Energien traut Lovelock nicht zu, je auch nur annähernd genügend Strom zu liefern. Kohle, Öl und andere fossile Brennstoffe werden knapp und haben den Treibhauseffekt mit losgetreten. Und für einen radikalen Wandel, der Stromsparen im großen Stil, Rückschritte im komfortablen Lebenswandel und Ressourcen schonendes Handeln von Industrie und Individuen fordern würde, hält er für mehr als unwahrscheinlich.

    Was rät der kontroverse Gaia-Forscher also dem besorgten Bürger? In einem Interview im britischen Guardian riet er 2008:

    „Genießt das Leben, solange ihr könnt. Denn wenn wir Glück haben, dauert es noch 20 Jahre, bis die Karre gegen die Wand fährt.“

    Auf Heise.de wurde jetzt erneut ein Interview mit ihm auf Deutsch veröffentlicht. Daraus geht hervor, dass Lovelock doch noch eine Chance für uns alle sieht: „Das Vergraben von Holzkohle!“

    Ja, das Vergraben von Holzkohle. Ein Verfahren, mit dem einst südamerikanische Indianer den Boden im Amazonasbecken fruchtbar machten. Dazu veröffentlichte jetzt auch die FAS am 31.1.2010 einen langen Artikel „Das Beste vom Amazonas“.

    Hier noch einmal Lovelock – auf „heise.de“:

    Technology Review: Professor Lovelock, wenn Sie wüssten, dass morgen die Welt unterginge, würden Sie heute ein Apfelbäumchen pflanzen?

    James Lovelock: Gute Frage. Ich wünschte Sie hätten nicht „morgen“ gesagt, denn mit so wenig Zeit hätte man wohl anderes im Sinn. Ansonsten Ja, denn ich bin in erster Linie Optimist. Ich habe übrigens vor 30 Jahren 20.000 Bäume gepflanzt, in guter grüner Absicht – inzwischen ist mir allerdings klar, dass dies ein kompletter Fehler war, ich hätte es nie tun sollen.

    TR: Warum nicht?

    Lovelock: Ich hätte das Land einfach liegen lassen sollen und Gaia die Bäume pflanzen lassen. Das System weiß viel besser, was für Bäume dort hingehören. Und da sich die Dinge nun für uns ändern: Die Bäume, die ich vor 30 Jahren gepflanzt habe, werden vielleicht für das kommende Klima nicht geeignet sein.

    TR: Manche Wissenschaftler sagen ähnliches über Biodiversität: Das Aussterben von Arten sei vielleicht gar nicht so schlimm ist, sondern einfach der Lauf der Natur.

    Lovelock: Dem stimme ich gänzlich zu. Ich glaube dass die Ansichten über Biodiversität – sie erinnern beinahe an die über Mutterschaft; sie ist heilig, wir müssen sie in Schutz nehmen – Unsinn sind. Die Evolution verändert die Erde. Und zwar so, dass sie bewohnbar bleibt, glaube ich.

    TR: Könnte ich Sie bitten, Ihre berühmte Gaia-Theorie zusammenzufassen?

    Lovelock: Gaia ist eine Evolutionstheorie, die Darwin ergänzt. Sie erkennt an, dass Organismen ihre Umgebung sowohl verändern als auch sich daran anpassen. Das ändert komplett die Regeln natürlicher Selektion, denn sobald Sie das in einfache Modelle einbeziehen oder auch nur darüber nachdenken, führt es zur Evolution eines bewohnbaren Planeten.

    TR: Oft wird Ihre Theorie als dynamisches Gleichgewicht interpretiert, und daraus abgeleitet, dass der Planet sich – wie ein Organismus – selbst heilen werde. Nun aber warnen Sie, dass die Erde durch die globale Erwärmung auf eine Katastrophe zusteuert. Haben Sie sich damit selbst widerlegt?

    Lovelock: Nein, im Gegenteil. Da die Evolution auf dem Gaia-Planeten eine Abfolge gefährlicher Experimente ist, hätte ich immer erwartet, dass die natürliche Selektion sie korrigiert. Sie können es auch so ausdrücken: Jegliche Spezies, die die Erde so schädigt, dass ihre Nachkommenschaft bedroht wird, ist dem Untergang geweiht, und wird verschwinden.

    TR: Und damit meinen Sie die menschliche Spezies?

    Lovelock: Nicht, wenn sie sich verändert. Es gibt immer die Möglichkeit der Erkenntnis.

    TR: Aber wir sind in der Lage die Erde zu zerstören?

    Lovelock: Ich glaube, es ist reine Hybris anzunehmen, dass wir derartig mächtig sind. Die Erde hat Arten erduldet, die viel schädlicher waren als wir. Denken Sie nur daran, wie die ersten Photosynthese-Organismen auftauchten und begannen Sauerstoff auszustoßen – ein ekliges, giftiges Gas. Das muss eine unglaubliche Anzahl Arten vernichtet haben. Natürlich hat sich die Natur den Veränderungen angepaßt und sie in Vorteile verwandelt. Aber damals muss es schrecklich zugegangen sein.

    TR: Also wird unser Planet immer für Menschen bewohnbar bleiben, wenn auch vielleicht in kleinerer Zahl?

    Lovelock: Das hoffe ich. Wir haben ein – allerdings schreckliches – Beispiel: Während der Folge von Eis- und Warmzeiten der letzten Million Jahre, so glauben Genetiker, sind am Ende einer der großen Erwärmungen, wie sie alle hunderttausend Jahre oder so stattfinden, nur noch rund 2000 Menschen übrig gewesen. Aus der Sequenzierung des Human-Genoms scheint sich zu ergeben, dass es damals zu einer Art Flaschenhals-Situation kam.

    TR: Und glauben Sie, dass wird wieder passieren?

    Lovelock: Nein. Ich bin Optimist, wie Sie ja schon festgestellt haben.

    TR: Ich weiß allerdings, dass Sie weit weniger optimistisch sind hinsichtlich der politischen und wissenschaftlichen Möglichkeiten, Treibhausgase unter Kontrolle zu bekommen. Andererseits hat Ihre Entdeckung atmosphärischer Fluorchlorkohlenwasserstoffe uns damals letztendlich vor dem Ozonloch gerettet. Viele Menschen sehen da Parallelen zum Kohlendioxid oder verwechseln gleich das Eine mit dem Anderen.

    Lovelock: Und das schließt Wissenschaftler ein. Ich glaube sogar, ein Problem des IPCC ist, dass man dort anfangs von der Vorstellung ausging, die jetzige Situation sei mit dem FCKW-Problem vergleichbar und werde sich ähnlich lösen lassen. Natürlich ist dem nicht so. Wie einfach wäre es doch, wenn es nur sechs Firmen gäbe, die Kohlendioxid herstellen . Übrigens wurde auch damals schon richtig schlechte Wissenschaft betrieben. Der kürzlich in Großbritannien bekanntgewordene Skandal über Temperaturmessungen ist gar nichts im Vergleich zu damals – getürkte Messungen, Leute die behaupteten sie könnten FCKWs mit bis zu einem Prozent Genauigkeit messen, tatsächlich aber um bis zu 400 Prozent falsch lagen – und fast alles wurde unter den Teppich gekehrt. Oh, und ein Satellit wurde umprogrammiert, niedrige Ozonwerte zu ignorieren, weil sie nicht mit den Voraussagen des Modells übereinstimmten. Dadurch wurde das Ozonloch für zwei Jahre ignoriert.

    TR: Und Sie meinen, dasselbe geschähe jetzt wieder?

    Lovelock: Ja, das ist unvermeidlich. Ich glaube, seit Wissenschaft von einer Berufung zur Karriere wurde, findet man die wunderbare Selbstdisziplin der alten Zeit nicht mehr. Heute geht es vor allem ums Vorwärtskommen. Es muss sich dringend etwas ändern, wir bräuchten zum Beispiel striktere Modelle. Dabei geht es nicht nur um unseren guten Namen als Wissenschaftler, sondern um das Interesse aller.

    TR: Was würden Sie einem jungen Umweltschützer heute sagen?

    Lovelock: Sie haben das Herz am richtigen Fleck, sehen Sie zu, dass Sie auch Ihren Kopf orientiert kriegen!

    TR: OK … und was könnte das praktisch bedeuten?

    Lovelock: Nun, oft geht es um Emotionen. Nehmen Sie zum Beispiel die Kernkraft. Ich finde es beinahe zum Lachen. Die meisten Leute fürchten sich fast zu Tode vor der Kernkraft, dabei ist sie eine der harmlosesten Energiequellen, die wir kennen, harmlos in jeder Beziehung. Wenn Sie sich Großbritannien oder Deutschland anschauen: wie viele Menschen sind in der Atomindustrie gestorben? Und sie hat inzwischen wirklich viel Energie erzeugt, über Jahrzehnte. Ich glaube, in Großbritannien ist bisher nicht einmal jemand verletzt worden, geschweige denn gestorben. Vergleichen Sie das mit anderen Arten der Energieerzeugung, sind dort die Statistiken trostlos. Warum sollte man also Angst haben?

    TR: Vielleicht weil, wenn etwas schief ginge, der Schaden ungleich größer wäre als bei anderen Technologien.

    Lovelock: Sie meinen die Millionen von Leuten, die durch die Katastrophe von Three Mile Island getötet wurden? Wo sind ihre Gräber? Nein, im Ernst: Es gibt keine Belege. Das schlimmste bekannte Unglück war sicher Tchernobyl. Das war aber im alten Sowjet-System. Die ganze Anlage war so verrückt aufgebaut, wie man sich nur vorstellen kann – ein instabiler Reaktor, der einem törichten Experiment unter sowjetischen Bedingungen unterzogen wurde. Da musste ja etwas schiefgehen. Die Zahl der Toten lag aber unter 100, vor allem Menschen, die in der Anlage selbst arbeiteten. Manche wurde von umstürzenden Betonträgern getötet, und so weiter. Die Vorstellung aber, dass ganz Europa erhöhte Todesraten gehabt habe, entspricht einfach nicht den Fakten.

    Wir hatten übrigens auch in Großbritannien eine Art Tschernobyl, über das niemand sprach, weil es vertuscht wurde. Und zwar gab es 1956 ein Feuer in einem Reaktor namens Windscale. Zufällig war ich damals in London mit medizinischen Strahlenmessungen beschäftigt, und plötzlich schoss die Hintergrundstrahlung hoch, ich mußte die Experimente abbrechen. Wir dachten, wir hätten versehentlich Jod-131 in den Ausguß geschüttet und so das ganze Labor kontaminiert. Erst 20 Jahre später fand ich heraus, dass das Feuer im militärischen Windscale-Reaktor schuld war. Durch die Windrichtung wurde ganz England der Strahlung ausgesetzt. Es gibt jedoch keinerlei Hinweise auf erhöhte Krebsraten oder ähnliches.

    TR: Aber können Sie sicher sein, das es zum Beispiel keine Erbgutschädigungen gab?

    Lovelock: Na ja, vielleicht ist unsere lausige Politik eine Folge davon!

    TR: Klingt logisch. Aber gab es medizinische Studien?

    Lovelock: Ähnlich wie in Deutschland haben wir ein staatliches Gesundheitssystem. Das hat bei allen Nachteilen den großen Vorteil, dass erstklassiges Datenmaterial zur Verfügung steht. Ein durch den Ausstoß radioaktiven Jods erhöhte Anzahl von Schildrüsenkrebs-Toten wäre leicht zu erkennen. Es gibt sie aber nicht.

    TR: Wie sieht es mit den anderen Problemen der Atomenergie aus, zum Beispiel den Müll, um den man sich sehr lange kümmern muss?

    Lovelock: Jedes Jahr produzieren wir CO2-Abfall der, würde man ihn in Trockeneis verwandeln, einen Berg von 20 Kilometern Umfang und 1,6 Kilometer Höhe ergäbe. Das ist tödlicher Abfall, und er hat das Potential, uns alle umzubringen. Ein Kernkraftwerk von zwei bis drei Gigawatt dagegen produziert pro Jahr gerade soviel Abfall, wie in ein Auto paßt. Ich sehe das nicht als Problem.

    TR: Aber gibt es nicht große Mengen mittel und schwach radioaktiven Abfalls?

    Lovelock: Der schwach aktive Müll, nun das ist mal wieder jede Menge grüner Blödsinn. Das sind zum Beispiel Overalls, die Arbeiter getragen haben, und mit empfindlichen Instrumenten können Sie da eine leichte Strahlung messen. Aber das ist nicht wirklich eine Gefahr für irgendjemand. Wenn Sie dagegen, wie ich normalerweise, an der Küste Cornwalls lebten, könnten Sie dort zum Beispiel in den Straßen von St. Ives eine natürliche Strahlung messen, die tatsächlich Angst macht.

    TR: Einen ziemlich unorthodoxen Weg zur CO2-Reduktion haben Sie aber noch in petto …

    Lovelock: Sie meinen massenhaftes Vergraben von Holzkohle. Ich halte diese Idee, auf die mich Johannes Lehmann von der Cornell University brachte, tatsächlich für unsere einzige Hoffnung, das Weltklima auf dem Stand vor 1900 wiederherzustellen. Dazu müssten Landwirte ihren pflanzlichen Abfall – der ja reichlich Kohlenstoff speichert – durch Verschwelen bei wenig Sauerstoff in nicht biologisch abbaubare Holzkohle verwandeln und unterpflügen. Die Biosphäre sequestriert pro Jahr 550 Gigatonnen Kohlenstoff – wir emittieren in der gleichen Zeit nur 30 Gigatonnen – doch 99 Prozent davon werden innerhalb eines Jahres wieder freigesetzt, indem Bakterien, Würmer und Nematoden die Pflanzen zersetzen.

    Wir könnten mit diesem Verfahren dem System also ziemlich schnell große Mengen Kohlenstoff entziehen. Bei der thermischen Zersetzung entsteht nur wenig CO2, aber Pyrolysegase, die als Bioenergie verkauft den Farmern sogar einen kleinen Profit sichern würden. Außerdem verbessert Holzkohle die Bodenqualität und spart so Dünger und Wasser. Also eine Lösung, die wirklich etwas bewirken könnte – trotzdem scheint sie an den allzu menschlichen Problemen der Umsetzung zu scheitern.

    TR: Wenn ich Sie also zum König machte, was würden Sie gegen die globale Erwärmung tun?

    Lovelock: Oh Gott nein, Politiker oder Monarch würde ich nie sein wollen, bin froh, wenn ich mit meinem eigenen Leben zurechtkomme. Im Ernst: Ich glaube nicht, dass es viel gibt, was man tun kann. Außer, wirtschaftlich mit Energie umzugehen, das ist das Vernünftige. Es gibt keinen guten Grund, in einem schlecht isolierten Haus zu leben und Energie für die Heizung zu verschwenden. Hier können viele etwas tun. Man muß auch kein spritfressendes Auto fahren, wenn Sie eins brauchen, reicht ein bescheidenes.

    Oder sie können zu Fuß gehen; ich lebe zur Zeit vorübergehend in einem Vorort von St. Louis, und wir sind vermutlich die Einzigen in der Stadt, wenn nicht in ganz Amerika, die jeden Tag sieben Kilometer zum Supermarkt und zurück laufen, um unsere Einkäufe zu erledigen. Man kann solche simplen Dinge tun, sich aber nicht zuviel davon versprechen, denn ich glaube ganz ehrlich nicht, dass wir viel tun können. Geo-Engineering könnte ein verzweifeltes letztes Aufbäumen sein, aber ich bin nicht froh über die möglichen Konsequenzen, die schlimmer sein könnten als der Nutzen.

    TR: Sollten wir dann nicht vielleicht den Kampf gegen CO2 hintanstellen und eher versuchen, uns auf eine unvermeidliche Erderwärmung vorzubereiten?

    Lovelock: Ich bin froh dass Sie das sagen. Ich bin seit langer Zeit dieser Meinung, aber ich erwähne es nicht oft, weil es so defätistisch klingt.

    TR: Was aber sollten wir in dieser Richtung unternehmen?

    Lovelock: Das kommt zum Beispiel darauf an, wo man lebt. Wenn Sie ein Familienvater in Bangla Desh wären, bliebe Ihnen nicht viel anderes übrig, als mit Ihrer Familie auszuwandern oder das zumindest zu versuchen. Unabhängig davon, ob die Voraussagen richtig oder falsch sind, können Sie davon ausgehen, dass sich dort die am meisten gefährdete Gegend befindet. Und lokal gibt es dort auch keine Ausweichmöglichkeiten. Das ist etwas, was wir aus der Biologie lernen können: Wenn Organismen in einer bestimmten Region unter Stress geraten, sind die Überlebenden die, die die Region verlassen. Die zurückbleiben und auf bessere Zeiten warten, gehen häufiger zugrunde.

    TR: Trotz Ihrer düsteren Prophezeiungen erscheinen Sie mir ausgesprochen optimistisch. Wie kommt’s?

    Lovelock: Das stimmt. Die Wurzeln meines Optimismus liegen beinahe im Reich der Science Fiction: Seit mehr als dreieinhalb Milliarden Jahren hat Gaia die Erde mit diesen gefährlichen Experimenten bewohnbar gehalten und dabei kontinuierlich besser abgestimmt. All diese Zeit hat es gekostet, ein Lebewesen zu schaffen, dass sowohl sozial als auch intelligent ist. Andere Tiere, Wale vielleicht, sind eventuell intelligenter als wir, aber sie sind nicht sozial und kommunizieren nicht so gut. Dies ist also eine wichtige Eigenschaft, und das System würde es sehr bedauern, uns zu verlieren. Wir haben eine enorme Zukunft vor uns, sofern wir uns so weiterentwickeln, dass ein noch besseres Lebewesen entsteht, das besser mit dem Planeten leben kann.

    Man erkennt an diesen Äußerungen unschwer: Leute, denen es stets ums Ganze geht, machen sich nur lächerlich!

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