1. Tierhaltung und -verachtung
Zoo und Tierpark sollen dem Amüsierpöbel geopfert werden! Schon jetzt ist der Westberliner Zoo vollgestopft mit Tierplastiken und Kinderspielplätzen, es finden dort Hochzeiten und Jubiläen statt. Es ist laut und bunt. Ein Riesenrad nebendran, von einem holländischen Investmentfonds geplant, konnte gerade noch abgewendet werden – mangels Geldgeber. Die Ickeberliner amüsieren sich dort aber auch so mit Kind und Kegel wie Bolle, während die armen Wildtiere um sie herum in mittelalterlichen Käfigen zwischen orientalisierten Fake-Kulissen ihre Lebenszeit verdämmern. Man fühlt sich einfach beschissen nach einem Zoo-Besuch.
Etwas besser ist es im Tierpark, der einmal der größte der Welt war und von daran interessierten Ostberliner Bürgern mittels „Aufbaustunden“ mitgestaltet wurde. Gegründet wurde er vom „DDR-Grzimek“ Professor Dathe. Nach der Wende verlor dieser sofort seine Stellung und Wohnung als Tierparkdirektor. Zoo und Tierpark werden seitdem zusammen verwaltet – von einem Gremium honoriger Westbeamter. Gegenüber der Ost-Journalistin Gisela Karau äußerte Dathe nach seiner Zwangspensionierung den Verdacht: „Der Tierpark wird wohl weiterbestehen, aber vielleicht als eine Art Hirschgarten, der keine Konkurrenz für einen Zoo darstellt. Wir waren immer ein Wissenschaftszoo, der Westberliner mehr ein Schauzoo. Und die Wissenschaft muß weg.“
Bei der Gründung des Zoos im 19.Jhd. sprach die Vossische Zeitung noch von einem „stillen erheiternden Naturgenuß für Arm und Reich“ und dem „schönen Zweck einer wahren Volksbelehrung“. Nun will man sich jedoch an den „Erfolgsrezepten“ des Hannoveraner und Leipziger Zoos orientieren. Der Zoo-Direktor von Hannover Klaus-Michael Machens weiß nämlich: „Die Menschen kommen nicht in den Zoo, um sich belehren zu lassen, sie wollen etwas erleben. Man muß sie begeistern und faszinieren.“
Mit einem „Geheimplan“ zur Modernisierung der beiden Berliner Einrichtungen wollten einige Westbeamte der Standortkonkurrenz die Stirn bieten. Da der Zoo-Tierpark-Direktor Bernhard Blaszkiewitz mauerte und weiterhin auf „Zuchterfolge statt Erlebnispark“ beharrt, gaben sie das „streng vertrauliche Papier“ der BZ, die sich einige Highlights herauspickte: das Elefantengehege – „indische Traumwelt statt Tristesse (wie es sich jetzt noch darstellt), bei den Giraffen: „Grün statt Gitter“, beim Panda ein „chinesischer Pavillon“ und bei den Eisbären: „Erlebniswelt statt Steinhaufen“. Dazu ein neues „Erlebnisaquarium“, ein „Regenwaldhaus“, „Shops für Merchandisingprodukte“, „Ausstellungsflächen“, erhöhte „Aussichtspunkte“ und „lukrative Restaurants“.
Wir haben es hier mit einem „Bauprojekt“ zur Aufhübschung der Kulissen zu tun, mit dem Ziel, die einst postulierte „Gemeinnützigkeit für alle“ in eine, internationalen Standards genügende Vergnügungsoption für die gehobenen Klassen zu verwandeln. Diesem, typischen Modernisierungsdenken Westberliner Immobilien-Projektemacher entsprungenen „BZ-Geheimplan“ steht die um sich greifende Einsicht gegenüber, das es seit dem Zerfall der Sowjetunion nicht mehr um Modernisierung, sondern um Ökologisierung geht.
So schafft es vielleicht der „Juchtenkäfer“ zusammen mit den FFH-Artenschutzrichtlinien der EU, was die 100.000 Demonstranten in Stuttgart bisher nicht geschafft haben: den Stopp des Großbauprojekts „Stuttgart 21“, denn der Lebensraum des seltenen Käfers wurde bei den 25 bis jetzt gefällten Laubbäumen am Hauptbahnhof ohne EU-Genehmigung mit zerstört.
Auch das Halten seltener Tiere wird ständig gesetzlich verschärft. Schon will man den herumziehenden Zirkussen verbieten, überhaupt noch wilde Tiere zu dressieren und auszustellen. Die Tierschützer sprechen hierbei vom „Mißbrauch in der Manege“. Daneben werden immer häufiger wissenschaftliche Experimente mit Tieren – zuletzt die von einem Affengehirnforscher an der Universität Bremen – zu einem „Skandal“.
Es ist jedoch nicht so, dass sich keiner Gedanken über den Tieren angemessenere Haftbedingungen in den Zoos macht. 2008 lobte das Feuilleton z.B. das neue Menschenaffenhaus des Frankfurter Zoos, „Bogori-Wald“ genannt: „Wie der Name schon erahnen lässt, wurde die Natur in Form von vielen Bäumen, Sträuchern, Felsen und Naturboden in das Haus geholt, so dass sich Mensch und Tier wie im Dschungel fühlen können,“ schrieb eine Lokalzeitung – reichlich naiv.
Dass die Löwen, Panter, Wölfe und Hyänen aufhören, in ihren Berliner Gehegen ständig auf und ab zu gehen, wenn sie erst hinter „naturnahen Kulissen“ eingesperrt sind, ist ebenso zweifelhaft, wie dass die träge ihre Tage verdösenden Huftiere sich nach Modernisierung ihrer Stallungen und ihres Auslaufs aufraffen, um „die Menschen“ wieder und wieder „zu begeistern und zu faszinieren“.
Die Verhaltensforschung ist schon lange von der Beobachtung einer Art zu der von Individuen fortgeschritten. Indem die Bundesverfassung der Schweiz Tieren wie Pflanzen eine Würde zugesteht, hat sie über den Arterhalt hinaus (um z.B. den „Gen-Pool“ nicht zu schmälern) den einzelnen Tieren und Pflanzen so etwas wie „Menschenrechte“ (im Sinne der Französischen Revolution) eingeräumt. Es geht dabei um die Verbesserung ihrer Lebens- und Haltungsbedingungen – u.a. auch in den Zoologischen Gärten. So dürfen z.B. keine Herdentiere – vom Meerschweinchen bis zum Bison – mehr einzeln gehalten werden.
Ähnlich denkt auch der Zoo- und Tierparks-Direktor Blaszkiewitz: „Es ist unsere Aufgabe, Naturschutz zu betreiben.“ Die Springerpresse spricht dagegen im Sinne der Bauunternehmer „Klartext“: „Es geht für den Tierpark auch ums Überleben. Die Modernisierung spart nicht nur Zuschüsse“ (vom Senat – derzeit 7,5 Mio jährlich). Noch klarer ausgedrückt: Wenn speziell der (Ostberliner) Tierpark nicht endlich aus dem Knick kommt, wird er zum „Hirschgarten“ zurückgebaut – und der Zoo mausert sich allein zu einem Mega-„Amüsierbetrieb“ für jung und alt.
Man bekommt bei diesem „Geheimplan“ die Gewißheit, dass das derzeitige Restaurationsklima bereits bis in die Zooarchitektur durchgedrungen ist. Wenn die Situation sich ändert, geht es aber auch anders herum: So kamen z.B. die Professoren und Kuratoren des königlichen Tiergartens in Paris der Forderung der Französischen Revolutionäre, ihn zu schließen, zuvor, indem sie sich blitzschnell „demokratisch“ umstrukturierten. Auch dem Junktim des Konvents, dass der Zoo nur erhalten bleibe, wenn der Löwe darin nicht länger als „König der Tiere“ gelte, kamen sie sogleich nach.
2. Zoo-Tiere
Dass man langsam auch in der Biologie von der Erforschung der Arten zu der von Individuen fortschreitet, daran haben nicht zuletzt die Zoologischen Gärten ihren Anteil. Diese Einrichtungen dienen zwar der Erhaltung der Artenvielfalt, dies geschieht jedoch mit Individuen, die möglichst lange in Gefangenschaft leben sollen – und dabei den Pflegern und dem Publikum erst mal mit ihren quasi persönlichen Eigenschaften – und Namen – bekannt werden.
Im Folgenden einige Beispiele aus „Zoo-News“. Dort hält man es wie die Herausgeber des „Handbuchs der Vögel Mitteleuropas“ (HBV): Das Verhalten einer Art wird im Präsens beschrieben, Beobachtungen von einzelnen Tieren bzw. Tiergruppen dagegen im Imperfekt. Ich habe diese Differenzierung hier und da aufgehoben:
„Rückschlag für die Gründung einer neuen Gorilla-Familie im Frankfurter Zoo: Der Nachwuchs von Gorilla-Mann ‚Viatu‘ und der Affen-Frau ‚Ruby‘ ist tot. Bereits kurz nach der Geburt griff ‚Viatu‘ plötzlich seinen Nachwuchs an und tötete den kleinen Affen – der noch unbenamt war – durch einen Biss. Der Vorfall erschüttere die Tierpfleger und Besucher gleichermaßen, sagte Zoodirektor Manfred Niekisch. Bei freilebenden Gorillas komme es immer mal wieder vor, ‚dass neue Haremschefs die Kinder ihrer Vorgänger töten‘. Dass ‚Viatu‘ nun seinen eigenen Sohn getötet habe, lasse sich nur damit erklären, dass er seinen Platz unter den Weibchen noch nicht gefunden habe.“
„Trauer auch im Zoo in Rheine: Gestern Morgen fand Tierpflegerin Sonja Hölscher einen neugeborenen Seehund tot im Wasser. Die siebenjährige Seehündin ‚Hannah‘ hatte das Tier in der Nacht zu Mittwoch zur Welt gebracht. Der Zoo geht davon aus, dass der teilweise aggressive Vater ‚Robby‘ das Neugeborene gebissen hat.“
Wir haben es hierbei nicht mit „normalem“ Artverhalten zu tun, sondern bloß mit einem beziehungsmäßig noch desorientierten Gorillamännchen namens „Viatu“ und einem „teilweise aggressiven“ Seehundmännchen namens „Robby“. Ein Problem, das man von Volksschulen und Amüsiermeilen kennt und dort auch schon seit Jahren diskutiert. Wobei jedoch zu bedenken ist, dass es auch eine sozusagen „natürliche Aggressivität“ gibt, die es bei in Gefangenschaft gehaltenen Tieren zu beachten gilt:
Im Allwetterzoo Münster starb das erste dort geborene „Gorillababy im Alter von fünf Monaten: In der jugendlichen und mit Nachwuchs unerfahrenen Gorillagruppe warf es mehrfach zu Streitigkeiten um den Besitz des Babys gekommen. In zwei beobachteten Fällen wurde es dabei leicht verletzt, doch Mutter ‚Changa-Maidi‘ konnte sich immer gegen die übrigen Gruppenmitglieder durchsetzen und zog ihr Kind nahezu vorbildlich auf. Nachdem auch ‚Gana‘, das zweite jüngere Weibchen, trächtig wurde, kehrte offensichtlich Ruhe in der Gruppe ein. Unbemerkt von Pflegern und Besuchern muss aber dann nochmals eine Rangelei um das Kind stattgefunden haben. Hierbei kam es zu einer massiven, äußerlich nicht erkennbaren Verletzung im Beckenbereich des Jungtiers. Bevor ein Ärzteteam der Universitätskliniken Münster es untersuchen konnte, starb es. Nach diesem Rückschlag schaut man im Allwetterzoo aber nach vorn und hofft auf die nächsten Geburten.“
Im Tiergarten Nürnberg hatte dagegen die Löwin „Keera“ alles selbst im Griff, als sie „zwei kleine Löwenbabys“ gebar:
„Nach vorsichtiger Erkundung der neuen Umgebung und entsprechender Eingewöhnung wurde auch Vater ‚Thar‘ zur Gruppe gelassen. Nach einer freundlichen Begrüßung zeigte die Mutter ihrem Partner sehr deutlich, dass sie keine Annährung an den Nachwuchs wünschte. Erst nach einigen Stunden suchte sie den Kontakt zu ihm und führte die Jungen näher an ihn heran. Am nächsten Morgen durften die Jungen ihrem Vater erstmals für kurze Zeit die Mähne kraulen. Seither rückt die Familie enger zusammen, wie es sich für eine Löwenfamilie gehört.“
Auch bei den Großen Ameisenbären kommt der Vater erst nach einiger Zeit ins Spiel, wie der Magdeburger Zoo meldet:
„Jährlich werden weltweit nur 25 bis 30 dieser Tiere, europaweit sogar nur drei bis sechs Tiere geboren! Als die in Magdeburg lebende Ameisenbären-Mutter ‚Estrella‘ ein Junges bekam, kümmerte sie sich fürsorglich darum: Sie trug den kleinen Zoobewohner rittlings auf Ihrem Rücken umher oder wärmte und umwickelte ihn zum Schlafen mit ihrem buschig behaarten Schwanz. Bis zur elften Woche nahm das Jungtier Muttermilch auf. Danach begannen Mutter ‚Estrella‘ und Vater ‚Kaspar‘, es gemeinsam mit vorverdautem Brei zu füttern.“
Ähnlich war es bei den Weißbüschelaffen im Tierpark Ueckermünde: Dort bekam ein Weibchen zum dritten Mal Drillinge, die es auch erfolgreich aufzog:
„Normalerweise bekommen diese Krallenaffen eher Zwillinge und bei Drillingen überleben sonst nur zwei Kinder. Bei der Aufzucht half die gesamte Familie mit. Der Vater und die älteren Geschwister halfen beim Tragen des Nachwuchses, der der Mutter nur noch zum Säugen übergeben wurde.“
„Im Zoo Krefeld gab es zu Beginn der diesjährigen Paarungszeit zunehmend Spannungen zwischen dem jungen Kamelhengst Raoul und seinem Vater „Oddvar“, der seinen Harem für sich allein beansprucht und dies gegenüber seinem schon recht erwachsen gewordenen Sprössling mit unmissverständlichen Zurechtweisungen zum Ausdruck brachte. Deshalb wurde es Zeit, für Raoul eine neue Heimat zu finden. Da kamen die Überlegungen im Tierpark Kleve gerade recht, demnächst auch eine Zucht mit den Trampeltieren zu beginnen. Unter lautem Klagen von Mutter ‚Raissa‘ verließ also der Halbwüchsige seinen Geburtsort und wurde in Kleve mit großem Hallo empfangen.“
Zootiere kommen überhaupt viel herum:
„Vor wenigen Tagen kam Zebrahengst ‚Marty‘ aus dem Erfurter Zoo im Tierpark Ueckermünde an. Wegen der hohen Temperaturen wurde das Tier nachts auf der Autobahn transportiert und erreichte wohlbehalten seine neue Heimat. Es sieht so aus, dass er sich gut mit Zebrastute ‚Napirai‘ vertragen wird, die aus dem Zoo Eberswalde stammt. Beide Tiere sind etwa ein Jahr alt. Nachwuchs ist aber erst in zwei oder drei Jahren zu erwarten.“
Der Berliner Zoo meldete:
„Eisbär Knut soll eine Gefährtin – die knapp drei Jahre alte Jungbärin Gianna – bekommen“. Sie lebt z.Zt. noch im Münchner Tierpark Hellabrunn und wird in den Berliner Zoo umgesiedelt.“
Nachdem das geschehen war, berichtete die Berliner Tagespresse fast täglich über die Fortschritte in ihrer Beziehung: Es gab jedoch keinen, im Gegenteil: „Im Juli 2010 verließ ihn seine Eisbärenfreundin Giovanna.“
Knut bekam dafür ein neues Gehege – und dann wurden drei neue Eisbärweibchen zu ihm in das Gehege gesperrt. Die Presse berichtete: „Mit dem Besuch der drei Bärinnen sollte sein Liebeskummer bald überwunden sein. Im Dezember wird Knut vier Jahre alt und wahrscheinlich im nächsten Frühjahr geschlechtsreif. Vielleicht können sich die Zoobesucher bald über einen Nachwuchs-Knut freuen.“
Im Spätherbst hieß es jedoch: „Sorgen um Eisbär Knut. Dem Publikums-Liebling im Zoologischen Garten Berlin geht es nicht gut. Seit seinem Umzug auf den großen Bärenfelsen bedrängt ihn das Damen-Trio Nancy, Katjuscha und seine Mutter Tosca zum Teil äußerst heftig, bis hin zu Biss-Attacken und lautstarken Drohgebärden. Knut kauert meistens allein und in die Ecke gedrängt auf einem winzigen Felsvorsprung. Dort hält er ängstlich Ausschau nach den drei Weibchen. Im nächsten Frühjahr soll Knut eigentlich die Rolle seines Vaters Lars übernehmen, der alle drei Eisbärinnen gedeckt und mehrfach für Nachwuchs gesorgt hatte. Lars war an den Zoo Wuppertal abgegeben worden, wodurch der Platz frei wurde für den vierjährigen Knut.“
„Im Krefelder Zoo trauerte das etwa zehn Jahre alte Krefelder Löffelhundweibchen seit dem Tode ihres Gefährten im vergangenen Herbst. Nun ist aber das Gröbste uberwunden: der Zoo hat ein junges Löffelhundmännchen zur Erweiterung seiner Zucht aus dem Zoo Dvur Kralove aus Tschechien bekommen. Der neue Gefährte scheint ganz nach dem Geschmack des Weibchens zu sein. Die Tierpfleger berichten jedenfalls von Liebe auf den ersten Blick zwischen den beiden Löffelhunden. Trotz des großen Altersunterschiedes hofft der Krefelder Zoo auf Nachwuchs.“
Ähnliches geschah im Erfurter Zoo:
„Zur Eröffnung der neuen Greifvogelanlage traf der erste Gänsegeier im Zoopark ein. Eine passende Partnerin ließ jedoch auf sich warten, da sich dieser Vogel in einer aktiven Brutkolonie befand und erst mit dem Ende der Brutsaison abgegeben werden konnte. Seit kurzem hat nun das Warten ein Ende. Das neue Gänsegeierweibchen aus Stuttgart demonstrierte gleich zu Beginn seine Größe mit ausgestreckten Flügeln und zeigte dabei sein prachtvolles Gefieder. Beim Anblick seiner zukünftigen Partnerin wurde dem schüchternen, männlichen Gänsegeier erst einmal bange. Danach beäugte er das stattliche Tier aus sicherer Entfernung. Vorsichtig näherte er sich mehrfach, um sich bei der kleinsten Bewegung wieder in Sicherheit zu bringen. Sie nahm es gelassen und setzte dann zum ersten Erkundungsflug in der großen neuen Greifvogelvoliere an. Auf eigenen Nachwuchs kann der Zoopark im nächsten Jahr jedoch nicht hoffen, dafür ist das im März 2004 geborene Weibchen noch zu jung.“
Im Allwetterzoo Münster wollte man mit einem Vaterschaftstest ermitteln, welcher seiner Orang Utans an einen anderen Zoo abgegeben werden soll:
„Dort wurden 2004 zwei inzwischen neunjährige Orang-Utans aus dem Zoo Aalborg in Dänemark übernommen. Trennen wollte man die beiden erst im geschlechtsfähigen Alter, bevor es zu Auseinandersetzungen um den Rang in der Gruppe kommt. ‚Nur der, der sich fortpflanzt, sollte in Münster bleiben‘, sagt Kurator Dr. Dirk Wewers. Also nahm man Kot- und Urinproben vom inzwischen sechs Monate alten Sohn ‚Ito‘ sowie den potentiellen Vätern ‚Pongo‘ und ‚Demo‘. Sicherheitshalber wurde auch von dem als impotent geltenden 35jährigen ‚Jonny‘ eine Urinprobe genommen. Dann bekam jedoch ein zweites Orang-Utan-Weibchen im Allwetterzoo eine Totgeburt. Von diesem Jungtier wurden Gewebeproben für den Vaterschaftstest untersucht. Das Ergebnis: Im Allwetterzoo leben zwei Väter! ‚Pongo‘ ist für ‚Ito‘ verantwortlich. ‚Demo‘ ist der Erzeuger des toten Babys. ‚Jonny‘ schied als Vater aus. ‚Wer jetzt von den beiden jungen Männern in Münster bleiben darf, ist noch offen‘, sagt Dr. Wewers, ‚wir hatten auf die Klärung der Vaterschaftsfrage als Entscheidungshilfe gesetzt, aber nun müssen wir andere Kriterien heranziehen‘.“
Das Verschicken der Zootiere dient nicht nur der Arterhaltung, sie werden aus verschiedenen Gründen auch immer mal wieder abgegeben bzw. gegen ein anderes Tier eingetauscht. Das gilt besonders für die in Aquarien und Terrarien gehaltenen Kleintiere. Täglich sind weltweit zigtausende Tiere unterwegs – zu Wasser, zu Lande und in der Luft – von einem Zoo zum anderen. Immer öfter aber auch zu Dreharbeiten und Fernsehauftritten:
„Im August war das kleine Tigermädchen ‚Taiga‘ und die Dackelhündin ‚Bessi‘ Gast auf dem ‚roten Sofa‘ der NDR-Sendung DAS in Hamburg. Der Medienrummel um die kleine Tigerin aus dem Tierpark Ströhen reißt nicht ab. Nach dem Besuch von Ex-Fußballprofi Stefan Effenberg, der mit seiner Familie im Tierpark war, um die Patenschaft über das kleine Raubtier zu übernehmen, ist ‚Taiga‘ inzwischen alt genug, um selbst auf Reisen zu gehen.“
Neben den Medien hat auch das Publikum seine „Tierlieblinge“, und die einen wie die anderen wollen außerdem immer mal wieder „Neues“ sehen:
„Er ist noch ein bisschen tapsig, aber das ficht den neuen Star im Elefantenhaus des Kölner Zoos nicht an: Der fünf Tage alte Bulle ‚Khin Yadanar Min‘ (burmesisch für: siegreiches Juwel). Er weicht seiner Mama Aye Shan May (14) nicht von der Seite – genauso wenig wie die anderen Kühe, die sich wie Bodyguards um Elefantenmama und -sohn scharen.“
Elefantengeburten in Zoos sorgen regelmäßig für Schlagzeilen und Besucherrekorde. „Aber nicht nur die kleinen Elefanten erweichen Zoobesucher-Herzen. Auch Moschusochsen-Baby ‚Ronja‘ kann keiner widerstehen. Am 21. Juni erblickte das kleine schüchterne Männchen im Kölner Zoo das Licht der Welt.“
Den Pflegern im Osnabrücker Zoo fiel die „schlechte Laune“ ihrer Löwin Shaba auf: Sie tippten auf Zahnschmerzen, weil sie auch nicht mehr richtig essen wollte.Thorsten Vaupel, dem Revierleiter, gelang es, die Löwin zum Maulaufreißen zu bewegen. „Da steckt was drin!“ war er überzeugt. Die Löwin wurde betäubt: „zwischen den unteren Backenzähnen hatte sich ein Holzstück verklemmt“. Nachdem man es entfernt hatte, ging es „Shaba“ wieder gut.
Im Erfurter Zoo litt die zur Gattung der Zebras gehörende „Tigerpferddame ‚Damara'“ ebenfalls an Zahnschmerzen. „Sie hatte sich einseitig die Backenzähne abgenutzt. Dadurch war dort eine scharfe Kante entstanden. Der Tierarzt betäubt sie und führte die überfällige Zahnpflege durch.“
Und im Tierpark Chemnitz litt die „Tigerdame ‚Zeysan‘ an eingewachsenen Krallen in ihrer linken Vorderpfote: Sie wurde narkotisiert und dann vom Tierarzt behandelt: „Nach überstandener Prozedur kann ‚Zeysan‘ nun wieder ohne Probleme mit Tigerkater ‚Prinz‘ die Freianlage durchstreifen.
Im Stuttgarter Zoo Wilhelma wurde ein Steinbock mit einer „Identitäskrise“ eingeliefert: Er hatte wild lebend in der Nähe der Wanderstrecke am Uracher Wasserfall die Nähe von Spaziergängern gesucht: „Doch mit der Zeit wurde er immer aufdringlicher, denn irgendwie fühlte sich ‚Moritz‘ wohl als Mensch. Nach mancherlei Hin und Her, nebst Klärung der rechtlichen Bedingungen, wurde ‚Moritz‘ schließlich eingefangen und in die Wilhelma verfrachtet. Dort sollte er seine wahre Identität finden und sich in der vorhandenen Steinbockherde mit seinesgleichen amüsieren. Er hatte jedoch längere Zeit keinen Kontakt zu anderen Steinböcken gehabt und somit ein wenig das Gefühl für die eigene Art verloren. Tatsächlich jagten ihm die Artgenossen sogar Angst ein, so dass er sein Heil in der Flucht suchte und mit einem Riesensatz ins Bärengehege sprang. Jetzt scheint er sich so allmählich als Steinbock zu fühlen. Zumindest den Weibchen und den jüngeren Böcken nähert er sich zaghaft an, den ‚Platzhirschen‘ geht er lieber aus dem Weg. Bleibt zu hoffen, dass ‚Moritz‘ bald vollendete Steinbockmanieren hat und als vollwertiges Herdenmitglied gilt.“
Wenn man mit einem Tier auf sozusagen engstem Raum lebt oder es dort erlebt, kommen unweigerlich Begriffe wie tapsig, schüchtern, aggressiv, schlecht gelaunt, desorientiert, verwirrt usw. ins Spiel. Inzwischen benutzen jedoch auch schon die Biologen, die das Verhalten von wildlebenden Tieren erforschen, solche Begriffe aus dem menschlichen Sozialleben, indem sie von eher draufgängerischen und mutigen Individuen bzw. von ängstlichen und zurückhaltenden reden – und z.B. den Stadtspatzen mehr Intelligenz und Kreativität als ihren auf dem Land lebenden Verwandten attestieren, ähnliches macht man auch für Hunde geltend.
Von der Verhaltensforschung, aber auch von den Tierschützern, kommen immer wieder Vorschläge zur Verbesserung der „artgerechten Haltung“ von Tieren in Zoologischen Gärten. Daneben gibt es auch noch Architekten und Landschaftsplaner, die Ideen zur Verbesserung der Gehege entwickeln. Eigentlich wird in den Zoos ständig irgendetwas umgebaut. Der Gelsenkirchener Zoo meldet:
„Die Besucherresonanz der neu gestalteten zoologischen Erlebniswelt übertrifft deutlich die Erwartungen. Seit der Eröffnung der mit 14 Hektar größten von drei geplanten Erlebniswelten strömten knapp 450.000 Gäste nach ‚Alaska‘ und ‚Afrika‘.“
„Im Osnabrücker Zoo nimmt die 2. Baustufe vom ‚Tal der Grauen Riesen‘ nimmt Gestalt an. Die Mrs. Grays Wasserböcke – eine der schönsten Antilopenarten – konnten ihre Neuanlage beziehen. Die alte Huftieranlage wurde in ein Biotop mit Teich, Wasserlauf und Bambushainen umgestaltet. Jetzt kann der Besucher barrierefrei die Tiere – umgeben vom üppigen Pflanzenwuchs – beobachten. Unter dem Motto: ‚Mehr Platz für unsere Tiere!‘ entsteht zurzeit das Nashornhaus und die große neue Freianlage für unsere Nashörner, die später mit Springböcken vergesellschaftet werden sollen.“
In Berlin bestehen die Verbesserungsvorschläge für Zoo und Tierpark nicht selten erst einmal aus Kritik am Direktor der beiden Einrichtungen. Zuletzt listete eine Grünen-Politikerin einige leidende Tiere im Zoo namentlich auf:
„Eisbär Knut (4). ‚Er hat zu wenig Platz und kaum Spielmöglichkeiten. Bären brauchen Sachen zum Knabbern, nicht nur eine Tanne zu Weihnachten. Außer rumliegen und mit dem Kopf wackeln ist nichts mehr los mit unserem Goldbären.'“
„Elefantenkuh Sabah ( 25). Sie starb Anfang Oktober nach einer Rangelei mit ihrer Artgenossen: ‚Rangeleien passieren oft, wenn die Tiere unter Stress stehen und keine Rückzugsmöglichkeiten haben. Wie in diesem Fall‘.“
„Der Strauß ohne Federn (5). ‚Eine Antilope hat dem Strauß im Gehege die Federn abgekaut. Beide Arten wurden mit anderen auf engstem Raum gehalten. Der Strauß starb.'“
„‚Die Kritik ist berechtigt‘, meinte Marcel Gäding (33) vom Berliner Tierschutzverein dazu. ‚Die Tierunterbringung muss optimiert werden. Die Haltung entspricht nicht dem modernen Standard.'“
Im Churaumi-Aquarium von Okinawa starb das erste in Gefangenschaft geborenen „Rochenbaby“: „Der Mantarochen, geboren in dem Unterwasserzoo, hat keine Woche überlebt und war in einem Wasserbecken tot geborgen worden. Es hatte eine Länge von fast zwei Metern, als es von seiner über vier Meter großen Mutter nach gut einem Jahr Schwangerschaft geboren wurde.“
Erst kürzlich „kam aus dem Nürnberger Aquarium die traurige Nachricht über den Verlust eines Delphinbabys. Tierschützer machen die Haltungsbedingungen, die den natürlichen Lebensräumen zwar so gut wie möglich angepasst werden, in Meeres-Zoos für den Tod von Tieren verantwortlich.“
Eine gute Nachricht kam aus dem Serengetipark Hodenhagen:
„Heini hat es geschafft! Das Breitmaulnashornbaby war von Geburt an blind, jetzt kann wieder sehen- zunächst lediglich drei bis vier verschwommene Meter, Tendenz jedoch steigend. Diese erfreuliche Neuigkeit überbrachte Tierarzt Dr. Jens Linek, der das Jungtier erfolgreich an der Hornhaut beider Augen operierte.““
Im Tierpark Chemnitz wagte man ein Experiment:
„Der Somaliwildesel ‚Sancho‘ wurde aus seiner Einzelunterkunft ins Nachbargehege zu drei Böhm-Zebras gebracht. Der Wildesel lebt seit 1997 im Tierpark Chemnitz, ist aber zur Zucht nicht geeignet und konnte daher nicht mit einer Stute zusammengebracht werden. Um Platz zu gewinnen und auch um ihm Gesellschaft zu verschaffen, wagte der Tierpark den Versuch, ihn allmählich an die Zebras zu gewöhnen. Er bekam zuerst ausreichend Gelegenheit, sich allein mit dem ihm unbekannten Gehege vertraut zu machen. Danach wurden die vier afrikanischen Tiere unter Aufsicht zusammen gelassen. Man kann zwar (noch) nicht von einer dicken Freundschaft sprechen, aber die Tiere kommen gut miteinander klar. Nachts bekommt jede Art ihre eigene Box.“
Im Zoopark Erfurt fiel ein an seine Mutter geklammerter kleiner Nilflughund namens „Yoda“ auf die Erde und lag hilflos am Boden:
„Das passiert in der Natur auch hin und wieder. Für den Kleinen ist das Leben dann zu Ende. Die Mutter fliegt nicht hinterher und sammelt ihr Kind wieder auf. Im Zoo könnte der Pfleger das Baby wieder an die Mutter hängen, theoretisch. Aber an welche? Und wie? Beim Versuch, sich den Tieren zu nähern, flattert alles wild durcheinander. In dieser Situation ein Baby an einen mütterlichen Bauch zu fummeln, ist unmöglich. Zudem ist die Gefahr, dass in der Panik noch andere Weibchen ihre Kinder verlieren viel zu groß. Yoda wird nun im Zoopark von den Pflegern mit der Hand aufgezogen: Er bekommt alle zwei Stunden Früchtebrei mit Traubenzucker, Joghurt und etwas Mineral-Vitamin-Pulver. Und er ist nicht allein. An seinem Unglückstag stürzte ein weiterer Flughund ab. Ewok ist ein paar Tage älter. Aber auch er lässt es sich in Pflegerhand gut gehen.“
Im Stuttgarter Zoo Wilhelma züchtet man – mit Erfolg – Somali-Wildesel, dennoch gibt es Probleme:
„In ihrer Heimat steht die Art am Rande der Ausrottung, in den Zoos der Welt gibt es noch etwa 130 Tiere. Alle stammen von 5 Tieren aus dem Basler Zoo und 12 Tieren aus einem Reservat in Israel ab. Leider geht es mit dem Nachwuchs bei Somali-Wildeseln nicht ganz so einfach, wie bei der übrigen Verwandtschaft. Vielleicht ist die Individuenzahl sogar zu gering, um die Art langfristig zu retten, aber die Zoos werden nicht aufgeben, solange noch Fohlen geboren werden. Jeder Zuwachs wird deswegen im Wilhelma-Zoo, der sechs Somali-Wildesel hält, enthusiastisch gefeiert, so auch das Stutenfohlen ‚Seyla‘, das 2006 zur Welt kam. Zunächst blieb die kleine ‚Seyla‘ mit Mutter ‚Sarina‘ im Stall, um die Mutter-Kind-Bindung zwischen der noch unerfahrenen Stute und ihrem erstgeborenen Fohlen zu stärkern. Seit kurzem dürfen beide mit den anderen Stuten ‚Simone‘, ‚Shebili‘ und ‚Thea‘ auf der Freianlage tollen. Vater ‚Luciano‘ geht das alles nichts an – ihn interessieren Fohlen überhaupt nicht und die Stuten nur, wenn sie roßig sind. Den überwiegenden Teil des Jahres verbringt er daher von der Herde getrennt.“
Ähnlich reagieren männliche Nashörner, wie der Wilhelma-Zoo in Stuttgart meldete, wobei er deren Artverhalten jedoch zu einem individuellen Problem erklärte:
„Nach 16monatiger Schwangerschaft gebar die Panernashornkuh ‚Sani‘ ihr viertes Kalb: ‚Shikari‘. Vater ‚Bruno‘ zeigt keinerlei Begeisterung für seine Tochter – er ist kein Familientyp. Nach der Paarung will er auch von der Mutter nichts mehr wissen. Die Abneigung beruht allerdings auf Gegenseitigkeit – Panzernashörner sind Einzelgänger, die sich nur kurz und heftig zur Paarungszeit treffen. Das Kalb allerdings bleibt ca. zwei Jahre bei der Mutter, es wird erst in die Selbständigkeit verstoßen, wenn sich der nächste Nachwuchs ankündigt. Auch in der Wilhelma war das letzte Kalb, der Bulle ‚Sahib‘, erst wenige Wochen vor dem vermuteten Geburtstermin von ‚Shikari‘ in seine neue Heimat, den Zoo von Madrid, abgereist. Panzernashörner in Zoos bilden eine kleine, notgedrungen sehr reisefreudige Gemeinschaft. So kam ‚Sani‘ 1993 als Geschenk des Staates Nepal aus dem Royal Chitwan Nationalpark in die Wilhelma, um frisches Blut in die hier so überaus erfolgreiche Zucht der seltenen Tiere zu bringen.“
Im Tierpark Chemnitz gelang die Zucht von afrikanischen Kuckucksvögeln – den sogenannten Weißwangen-Turakos. Hier torpedierte das Männchen anscheinend aktiv die Aufzuchtbemühungen des Weibchens:
„Mittlerweile ist der Jungvogel aber aus dem Nest und für Besucher gut zu sehen. Der Vater musste nach dem Schlupf des Jungtieres in die Nachbarvoliere verbannt werden, da er die Aufzuchtsbemühungen des Muttervogels störte.“
Ganz anders dagegen die Zwergtamarinen im Chemnitzer Tierpark:
„Dort stellte sich endlich der sehnsüchtig erwartete Nachwuchs bei den kleinen schwarzen südamerikanischen Affen ein. Nach mehreren Jahren Zuchtpause gibt es nun wieder ein Jungtier bei den Springtamarinen im Tierpark Chemnitz! Es klammert sich im Rückenfell der Mutter fest, lässt sich durch das Gehege tragen und betrachtet schon sehr interessiert seine Umwelt. Nach dem Umbau und der Erweiterung des Krallenaffenhauses war im Sommer vergangenen Jahres ein neues Zuchtpaar dieser bedrohten Affenart zusammengestellt worden. Die Mutter wurde im Tierpark Chemnitz geboren, der Vater stammt aus dem Zoo Halle. Die Tiere leben in kleinen Familiengruppen. Anfangs sitzt das Neugeborene nur auf dem Rücken der Mutter, nach zwei bis drei Wochen trägt es auch der Vater herum, und später auch die älteren Geschwister. So helfen alle in der Gruppe bei der Aufzucht mit.“
Es geht in den Zoos vor allem um die Vermehrung der Tiere, wobei man unterstellt, dass es ihnen in ihrem Lebens ebenfalls primär darum geht. So heißt es in einer Meldung des Chemnitzer Tierparks:
„Lange mussten sie auf diesen Moment warten, doch nun ist es endlich soweit. Die beiden Zwergflusspferde ‚Bingo‘ und ‚Petty‘ fressen in trauter Zweisamkeit. Die Strapazen der weiten Reise aus Spanien hat der junge Bulle ‚Bingo‘ trotz Unfall gut überstanden. Die Wochen des gegenseitigen Beschnupperns und der Erholung haben im gut getan, und so stand dem ersten direkten Kontakt nichts mehr im Weg. Das erste Rendezvous der beiden – ohne trennenden Zaun – verlief friedlich und lässt auf eine innige Partnerschaft hoffen, schließlich sollen die beiden die Erhaltungszucht der stark bedrohten Tiere fortführen. Flusspferddame ‚Pettys‘ ehemaliger Gefährte ‚Ortwin‘ ist inzwischen zu alt für die Zucht. Er genießt seinen wohlverdienten Ruhestand in einem separaten Gehege, in direkter Nähe zu den Artgenossen.“
Im Allwetterzoo Münster mußten das Zoopersonal bei der Aufzucht von Reptilien einspringen:
„Um zwei junge Chamäleons zu präsentieren, die nur etwa 3 cm lang sind, hat Tierpflegerin Kristina Theobald neun Monate Zeit investiert! Das Weibchen der Kammchamäleons im Allwetterzoo hatte seine Eier im Terrarium im Obergeschoss des Aquariums abgelegt. Kristina nahm sie mit nach Hause in ihren Keller, weil es dort kühl genug ist. Im Aquarium ist es meist etwa 30 Grad warm, die Eier vertragen aber höchstens eine Umgebungstemperatur von 24 Grad. Im Freileben sucht die Mutter eine Eiablagestelle mit optimalen Bedingungen und kümmert sich dann nicht mehr um die Brut.“ Nicht so Kristina Theobald: „Sie legte die Chamäleon-Eier zu Hause in eine Kiste mit Vermiculit, kontrollierte regelmäßig die Feuchtigkeit des Granulats und achtete auf die Idealtemperatur von 22 Grad. Am 31. Mai schlüpften dann die zwei winzigen Chamäleons, die bei guter Ernährung recht schnell wachsen werden.“
Im Wildpark Lüneburger Heide gab es eine Sonderveranstaltung:
Der „Hollywoodstar Norbert Tietz“ taufte zwei sechs Wochen alte Schneeleopardenbabys – auf die Namen Kiera und Unda: „Die zwei extra hergestellten Tauftorten (aus Rind, Putenfleisch, Sülze und Wurzeln als Kerzen) wurden von den Jungleoparden zunächst etwas skeptisch beäugt.“
Im Stuttgarter Zoo Wilhelma mußten die Pfleger kurzzeitig bei der Aufzucht eines Esels einspringen:
„Zu ungestüm machte Esel-Hengst ‚Pancho‘ seinen Damen den Hof, mit fatalen Folgen für die Poitou-Eselzucht in der Wilhelma: Hormongesteuert zu schnell in die Kurve, rums, Beinbruch, aus und vorbei… Lange Zeit war nicht mal sicher, ob ‚Pancho‘ überhaupt eine der 3 Stuten erfolgreich gedeckt hatte. Jetzt steht aber fest: Er hat! ‚Hamra‘ brachte ein bezauberndes Hengstfohlen namens ‚Sam‘ zur Welt. Sie schien aber die Freude der Pfleger nicht ganz zu teilen, denn nach erster Betrachtung verweigerte sie zunächst die Annahme. Eineinhalb Tage verbrachte ‚Sam‘ in der Obhut von Pflegern und Wärmelampen, erhielt seine Milch per Fläschchen, wurde unter Aufsicht aber auch zum Trinken zu ‚Hamra‘ gebracht. Was den Sinneswandel bei der anfangs so unwilligen Mutter ausgelöst hat, wird wohl ihr Geheimnis bleiben – jedenfalls nahm ‚Hamra‘ ihr Söhnchen am zweiten Tag an und sorgt seither vorbildlich für ihr Kind. Eine Zeitlang kann er jetzt die Streicheleinheiten der Besucher entgegen nehmen und dabei in Ruhe heranwachsen – wenn er in die Flegeljahre kommt, wird für ihn eine neue Herde gesucht, damit es nicht zur Inzucht unter den wertvollen Poitoueseln kommt.“
Wie viel Gedanken sich die Zootier-Pfleger um ihre Tiere machen (müssen), versuchte ich vor einiger Zeit in einem längeren Interview mit dem Ostberliner Elefantenpfleger Patric Müller herauszufinden. Siehe: http://blogs.taz.de/hausmeisterblog/2009/10/11/
Zuvor hatte ich bereits zusammen mit Burghard Scherer ein längeres Interview mit dem Bremerhavener Aquariumspfleger Dieter Marwedel geführt. Siehe: http://blogs.taz.de/hausmeisterblog/2009/11/05/fische_zeigen_10/
Letzter Eintrag 2010 – ein Zoobesuch nach Weihnachten (taz.v. 28.12.):
Still und verschneit liegt er da, der Tiergarten am Schmausenbuck im hinterletzten Winkel Nürnbergs. Ein Zipfel Reichswald trennt den Zoo, der im Mai 1939 seiner Bestimmung übergeben wurden, vom ehemaligen Reichsparteitagsgelände. An Frühlingssamstagen kann man die Fans des 1. FC Nürnberg vom Stadion herüberbrüllen hören, manchmal vor Freude, oft vor Schmerz. Aber jetzt ist Winterpause, „die stade Zeit“ heißt das in Bayern, „zwischen den Jahren“ auf Hochdeutsch.
Und im Tierpark ist nur das Knirschen der einsamen Besucher auf Neuschnee und das Malmen der Schottischen Hochlandrinder zu hören. „Gell, dä Zottel, vor sexädreißg Joar hams schomal so an khabt“, sagt eine Besucherin, die wahrscheinlich auch schon als kleines Mädchen bei der Einweihung dabei war. Sie nickt dem Rindvieh sachkundig-vertrauensvoll zu, das sich Heu aus der Raufe holt und einen Schluck Highland Park genehmigt. Genau das Richtige bei dieser Kälte.
Vom Zebra kann man an diesem Tag nur die schwarzen Streifen sehen. Immer noch müssen Jahr für Jahr tausende der edlen Tiere sterben, damit sichere Fußgängerüberwege angelegt werden können. Ganz Afrika wurde in den vergangenen Jahrhunderten leergeräumt. Die Nachzuchtprogramme sind da nur Kosmetik.
Insgesamt reagieren die Tiere sehr positiv auf ihre winterlichen Besucher. Sie spüren, unter welch seelischer Anspannung sich viele von ihnen befinden. Liebeskummer, die falschen Geschenke und Verdauungsprobleme führen die meisten hierher. Entsprechend einfühlsam benehmen sich die Tiere. Die Pinguine scheißen pausenlos in ihr Badewasser, die im Eis festgefrorenen Wasservögel singen klagende Weisen, der Kondor spreizt einladend die Flügel. Flora und Fauna laden die geplagte Großstadtseele ein, innezuhalten im Lärm der Zeit.
Die Tiere der kalten Lebenszonen kommen jetzt besonders gut zur Geltung, die Schneeleoparden, Geschenke des Krakauer Zoos, die Wölfe, Bisons und Wisente, die stoisch ruhen wie vor 20.000 Jahren, bevor der weiße Mann kam und sie einsperrte.
Verwaist liegt da das Affenhaus. Wo früher Gorillas sich fröhlich in Autoreifen verbissen und mit Exkrementen bewarfen, ist heute alles ganz still. Ein Pfleger klärt auf: „Die Affen sind alle in der Brienner Straße in München im Vorstand der Bayerischen Landesbank.“ Eine kontroverse Maßnahme, die sofort Tierschützer auf den Plan rief: Die schlechte Luft im Konferenzsaal, die langen Sitzungen, die stark gesalzenen Nüsschen, all das widerspräche einer artgerechten Haltung.
Aber zuverlässiges Personal sei schwer zu bekommen, heißt es aus der Landeshauptstadt, und die Gorillas Fritz, Hakuna Matata und Bianka seien mit großem Ernst bei der Sache. Schließlich geht es um Steuergelder, also letztlich auch um die Ausstattung des Tiergartens. So eine Aufgabe darf man nicht in die falschen Hände geben. So ist im Affenhaus derzeit nur heimisches Holz zu sehen, dessen mächtige Balken durch ein paar heimische Tropenfische aufgelockert werden.
Viele Zoos setzen seit Jahren verstärkt auf die Betonung der lokalen Besonderheiten. Man will kein Großwildgemischtwarenladen mehr sein, sondern eine Zucht- und Brutstätte mit einem individuellen Profil. Kein Wunder, dass sich gleich neben dem Affenhaus die Baustelle für die riesige Freilandlagune des Delfinariums befindet, die an die große Tradition mittelfränkischer Meereslebewesen anknüpfen soll. Schließlich waren weite Teile Bayerns im Jura, vor gerade mal 160 Millionen Jahren, ein tropischer Ozean. Einst zog hier der Ichthyosaurier majestätisch seine Bahn, in Zukunft sollen sich hier Große Tümmler tummeln.
Der Rest des Tiergartens wird bis zur geplanten Eröffnung im Juni 2011 aus Kostengründen systematisch gedownsized. Statt sperriger Nilpferde gibt es jetzt handliche Pfeilgiftfrösche in modischen Neonfarben zu sehen. Aus dem Elefantenhaus ist ein Dickhäuterhaus geworden, das nur noch Nashörner beherbergt, weil das Gebäude nicht der EU-Richtlinie für artgerechte Elefantenhaltung entspricht. Sage noch einer, die EU wäre überflüssig. Wer seinen Kindern zu Weihnachten einen der kleinen possierlichen Dickhäuter geschenkt hat, findet hier wichtige Pflichtlektüre, die die Beratung im Fachgeschäft dennoch auf keinen Fall ersetzen kann.
Schritt für Schritt werden alle Ressourcen in die Lagune investiert, damit der Tiergarten Nürnberg als erste Adresse für Wirbellose, Kerbtiere und Delfine mit einem klaren Profil im Konzert der Großen mitspielen kann. Nicht nur Böhmen, auch Franken liegt am Meer. Zwar ist die Lagune, die etwa dreimal so groß ist wie das Kolosseum in Rom, drei bis sechs Monate im Jahr für Delfine unbewohnbar, aber der Hauptsponsor Käpt’n Iglo feilt wahrscheinlich bereits an einer Marketingstrategie, bei der erfrorene Meeressäuger zwischen Eisschollen Hunger auf Fischstäbchen machen. (Rob Alef)