vonHelmut Höge 12.02.2011

Hier spricht der Aushilfshausmeister!

Helmut Höge, taz-Kolumnist und Aushilfshausmeister, bloggt aus dem Biotop, dem die tägliche taz entspringt. Gonzo-Journalismus der feinen Art.

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Happy Revolution. Photo: blog.rebellen.info


Kairo:

Millionen Menschen feierten in Ägypten bis in die Morgenstunden den Abschied Mubaraks von der Macht. Der staatliche Rundfunk versprach, künftig eine „ehrliche und konkurrenzfähige“ Berichterstattung anzubieten. Man „gehöre zum Volk und diene ihm“, hieß es in einer von Fernsehen und Radio verlesenen Erklärung.

dpa meldet: Der ägyptische Informationsminister Anas al-Fiqi ist unter Hausarrest gestellt worden. Gegen ihn und andere führende Mitglieder der Regierung des gestürzten Präsidenten Husni Mubarak waren zuvor schon Reisebeschränkungen erlassen worden. Wie Flughafenmitarbeiter mitteilten, solle damit verhindert werden, dass sie sich im Vorfeld möglicher Korruptionsanklagen ins Ausland absetzen. Auch einige Geschäftsleute dürfen das Land nicht mehr verlassen. Ihre Vermögen wurden eingefroren.

AFP meldet: Die Armeeführung  will auch nach dem Rücktritt von Präsident Husni Mubarak alle nationalen und internationalen Abkommen einhalten, darunter auch den Friedensvertrag mit Israel. Das kündigte ein Sprecher des Obersten Militärrates heute im ägyptischen Staatsfernsehen an. Nach dem Rücktritt Mubaraks am Freitag hält die Armeeführung die Macht in Ägypten in ihren Händen. Reuters meldet: „Israel hat die Erklärung der neuen ägyptischen Führung begrüßt.“

Vor einigen Stunden kündigte die Opposition in Kairo ein Ende der Proteste auf dem Tahrir-Platz an. Sie würden aber zu wöchentlichen Demonstrationen aufrufen, sagten Vertreter der Koalition aus Jugend- und Oppositionsgruppen auf einer Pressekonferenz. Damit wollen sie das regierende Militär weiter unter Druck setzen, die geforderten demokratischen Reformen umzusetzen. Auf der Pressekonferenz machte die Koalition ihre Forderungen geltend, darunter die Aufhebung der Notstandsgesetze, die Auflösung des Parlaments und die Gründung eines Komitees, das mit der Änderung der Verfassung beauftragt werden solle. Einige Demonstranten, die nicht mit der Koalition in Verbindung stehen, kündigten an, weiterhin auf dem Tahrir-Platz zu campieren.

AP meldet: „Am Tag nach dem Rücktritt Mubaraks begannen auch die Aufräumarbeiten. Ausgebrannte Autos wurden abgeschleppt, während die Menschen, darunter viele junge Aktivisten, die Straßen fegten und bergeweise Müll wegtrugen. Viele trugen Plakate mit der Aufschrift „Entschuldigen Sie die Unannehmlichkeiten. Wir bauen Ägypten auf“. Andere bauten ihre provisorischen Zelte ab und gaben gespendete Decken zurück. Soldaten rissen bei den Massenprotesten errichtete Barrikaden rund um den Tahrir-Platz ein.“

Berlin:

Am Freitag Abend feierten etwa 300 Menschen, darunter viele Ägypter und Tunesier, in Berlin den Rücktritt  Mubaraks vor dem Brandenburger Tor. Es wurde getanzt und Freudengesänge angestimmt. Am Samstag kamen noch einmal etwa 100 Menschen zu einer Solidaritätsveranstaltung mit den Ägyptern auf den Pariser Platz. Es wurden drei Reden gehalten. Die Akademie der Künste warb dort mit kleinen Flugblättern („Flugis“ von der „Facebook-Generation“ genennt) für ihre Veranstaltung „Ägypten auf dem Weg zu Freiheit und Demokratie?“ am 15.Februar um 19 Uhr in ihrem schicken Gebäude am Pariser Platz. Zur selben Zeit feierten in München und auf dem Hermannplatz jeweils einige hundert Menschen noch einmal den Rücktritt Mubaraks.  „berlinonline.de“ berichtet: „Nach Polizeiangaben verlief die Veranstaltung friedlich. Die Veranstalter zählten bis zu 400 Teilnehmer. Sie schwenkten ägyptische und andere arabische Flaggen und hielten Schilder mit Bildern von Massenprotesten hoch.“ „Es ist ein Fest der Freude“, sagte Mitorganisator Dieter Ilius vom Forum „Zusammen für Ägypten“, einer Vereinigung in Berlin lebender Ägypter und Unterstützer. Die Sonne schien, aber es war wieder kälter geworden als die Tage davor.

Die Bundesregierung bietet unterdes überall im Nahen Osten und in den Maghrebstaaten den Reformkräften an, ihnen bei der weiteren „Demokratisierung“ ihrer Länder zu helfen. Ausgerechnet die Deutschen, die noch jede Revolution vergeigt und verhindert haben – seit dem „großen deutschen Bauernkrieg“ – wollen diesen Völkern helfen, d.h. alles tun, damit sie so unterwürfige, ängstliche, schmallippige Scheißkerle wie die postfaschistischen Deutschen werden – um mit ihnen auf gleicher Augenhöhe zu verkehren. Umgekehrt wird ein Schuh draus: Dass die arabischen Aufständischen die Millionen Sarrazinisten aus Europa vertreiben – und mit dem Rest Tahrir-Demokratie üben. Seltsamerweise hatte die Übertragung der letzten Rede Mubaraks am Donnerstagabend durch das deutsche Staatsfernsehen trotz großer Quasselkonkurrenz auf allen Sendern die höchste Einschaltquote. Die Printmedien bemühen sich unterdes unter den Aktivisten die neuen ägyptischen „Führer“ ausfindig zu machen, die sie dazu reihenweise durchleuchten: ob sie auch islamresistent genug sind, ob sie frauenfreundlich,  menschenrechtsfreundlich und überhaupt anpasslerisch genug sind – um beispielsweise Merkel das Wasser reichen zu können.

Szene aus dem Bauernkrieg. Photo: landesknechtrotte.de


Die FAZ setzt heute deutschautoritär und in Nazisprech weiter auf die uns vorgesetzten Amis: „Obama und andere könnten jetzt als Ärzte helfen, die schwerste Krankheit in der Region zu heilen: die orientalische Despotie.“ Davon heilen sich doch aber die Menschen im Nahen Osten gerade selbst. Was für ein Arschloch! Ein anderer FAZke vergleicht ihre Aufstände jedoch schon mit dem „Kollabieren der kommunistischen Regime“ in Osteuropa. Und im FAZ-Feuilleton wird ausgerechnet ein Staatssekretär des thüringischen Landtags  zur Frage „Wie weiter in Ägypten?“ interviewt. Weil er Professor für „vergleichende Regierungslehre“ (!) ist, kommt er aber bloß zu dem Schluß: „Die ägyptische Verfassung ist prekär.“

Es gibt jedoch auch Ägypten-Positives aus diesem bescheuerten Land zu berichten: Alle deutschen Zeitungen sind seit gestern voll mit Assoziationen zu „Ägypten“: die taz widmet ihre Reiseseiten komplett Ägypten, andere Blätter loben die ägyptische Küche, das Klima, die Musik, die berühmtesten Sängerinnen. die farbige Unterwasserwelt, die schönen Frauen bis hin zu Kleopatra, den Bauchtanz, die Majestätik des Nils, die stolzen Kamele, den Erfinder des Monotheismus  Echnaton (1351 – 1334 v. Chr) und überhaupt alles „Pyramidale“ (so wird im Spätsommer auch ein großes Revolutionsfest heißen, wie das Haus der abseitigsten Kulturen der Welt heute bekannt gab)… Immer wieder kommen nun auch Ägypter selbst in den Medien zu Wort und Bild – Politiker, Promis, Halbpromis und völlig  Unbekannte. Dass es so viele Ägypter gibt, war hier bisher unbekannt. Schon lassen die ersten Unternehmer verlauten, dass sie in Deutschland lebende junge Ägypter, die arbeitslos sind, bevorzugt als Lehrlinge einstellen werden, und die Lehrer versprechen, diese zukünftig besser benoten zu wollen, während die Finanzämter noch mauern: Man werde wegen des Gleichheitsprinzips auch in Zukunft den Ägyptern bei ihrer steuerlichen Veranlagung nicht entgegenkommen. „Nur weil sie zu Hause eine erfolgreiche Revolution gemacht haben, werden wir hier keine Extrawurst für sie braten,“ so der Leiter des Berliner Oberfinanzamts.  Der Bundesfinanzminister hat jedoch bereits eine wohlwollende Überprüfung dieses Grundsatzes zugesagt.

Jerusalem:

Von dort meldet der „Spiegel“: „Mit Husni Mubarak hat Israel seinen wichtigsten Verbündeten in der Region verloren. Jerusalem scheint darüber in eine Art Lähmung gefallen zu sein. So groß wie die israelischen Zukunftssorgen ist der Jubel seiner Feinde: Sie wittern eine Ende der Schonfrist für den jüdischen Staat. Im Gaza-Streifen versammelten sich am Freitagabend Tausende Palästinenser zu Revolutionsfeiern. Feuerwerke erhellten den Nachthimmel, Frauen verteilten Süßigkeiten. Die über den Gaza-Streifen herrschende radikalislamische Hamas – eine aus der ägyptischen Muslimbrüderschaft entstandene Organisation – forderte die neue ägyptische Regierung auf, umgehend mit ihrer israelfreundlichen Politik zu brechen. Ägypten hat Israel bislang darin unterstützt, den Gaza-Streifen abzuriegeln. Hamas-Sprecher Abu Zuhri forderte die neue Führung in Kairo auf, die Blockade aufzuheben und den Grenzübergang Gaza-Ägypten dauerhaft zu öffnen. In der libanesischen Hauptstadt Beirut feierten Anhänger der mit Iran verbündeten Schiiten-Miliz Hisbollah den Abgang Mubaraks. Auch hier wurden Raketen und Böller abgebrannt, entleerten Milizionäre ganze Magazine ihrer Kalaschnikows als Freudenfeuer in den Nachthimmel. Der Sprecher des Hisbollah-Fernsehsenders „al-Manar“ verdrückte vor laufenden Kameras Freudentränen: „Gott ist groß, der Pharao ist tot“, schluchzte Amr Nassef, selbst gebürtiger Ägypter. Ein Hisbollah-Sprecher gratulierte dem ägyptischen Volk zu seinem „historischen Sieg“. Schon in den vergangenen Tagen hatte Hisbollah-Sprecher Hassan Nasrallah angekündigt, ein Rückzug Mubaraks werde den strategischen Vorteil Israels in der Region zunichte machen. „Israel heult über den Verlust seines letzten Verbündeten im Nahen Osten. Ich verweise nur auf die Panik, die Israel ergriffen hat“, sagte Nasrallah berits am Montag. Auch die iranische Regierung sandte Glückwünsche in Richtung Kairo. Das ägyptische Volk habe einen großen Sieg errungen, so ein Regierungssprecher. In Ramallah, der inoffiziellen Hauptstadt des Westjordanlands, gingen Tausenden auf die Straße. Die spontane Jubelfeier war ein Schlag ins Gesicht für Palästinenserpräsident Mahmud Abbas. Sein Sicherheitsapparat hatte bislang jede Solidaritätsaktion mit Ägypten unterdrückt. Die Fatah-Führung um Abbas ist ähnlich unbeliebt wie es das Regime in Kairo war. Die Autonombehörde fürchtete deshalb, der revolutionäre Funke könne von Kairo auf Ramallah überspringen.

Kurz nach Ausbruch der Proteste in Kairo hatte Abbas Mubarak in einem Telefonat seine Solidarität versichert und damit bei arabischen Amtskollegen Kritik ausgelöst. Auch in von israelischen Arabern bewohnten Gebieten in Israel kam es zu Straßenpartys. In Städten wie Nazareth und Taibe organisierten Jugendliche Autokorsos, andere tanzten auf den Straßen. Viele äußerten die Hoffnung, der neu entdeckte Freiheitsdrang der Araber werde nun auch auf andere Nationen in Nahost überspringen. Einige wenige sagten, dass auch in Israel ein Aufstand notwendig sei: „Wir müssen alle auf die Straße gehen um gegen die rassistische Regierung in Jerusalem zu demonstrieren“, zitierte die „Yedioth Ahronoth“ einen jungen Mann. Nur so könne die israelische „Politik der Zerstörung“ gegenüber den Arabern aufgehalten werden.“

„Sicher die schönste Revolution, die es je gab,“ meinte die Ägyptenreisende Stefanie Peter zu diesem Photo, dessen Autor  sie nicht wußte.

Algerien:

Die Protestwelle in den arabischen Ländern ist noch nicht abgeflaut. Nach dem Sturz der Machthaber in Tunesien und Ägypten erhalten die Oppositionsbewegungen in weiteren Staaten der Region neuen Auftrieb. Am Samstag protestierten Regierungsgegner in Algerien und im Jemen. Sicherheitskräfte verhinderten heute in Algerien mit Gewalt einen nicht genehmigten Protestmarsch von Regimegegnern. Polizisten prügelten mit Schlagstöcken auf Demonstranten ein. Rund 200 Menschen, darunter auch Oppositionspolitiker, wurden nach Angaben von Regimegegnern festgenommen. Etwa 1000 Demonstranten waren am Mittag umzingelt, wie Augenzeugen berichteten. Die Menschen forderten lautstark einen demokratischen Wandel und den Rücktritt des autoritären Präsidenten Abdelaziz Bouteflika (73). Rund 30 000 Sicherheitskräfte sollen im Einsatz gewesen sein.

Jemen:

Der Spiegel berichtet heute: Auch die Polizei im Jemen hat am Samstag auf Demonstranten eingeprügelt, die vor der ägyptischen Botschaft den Rücktritt von Präsident Husni Mubarak feiern wollten. Die Protestierenden waren auf dem Weg zu einer Solidaritätskundgebung vor der ägyptischen Vertretung, wurden jedoch von Sicherheitskräften zurückgedrängt.

Die Demonstranten forderten ihrerseits den sofortigen Rücktritt des jemenitischen Präsidenten Ali Abdullah Salih. Viele zerrissen Bilder mit dem Konterfei Salihs.

Auf dem Tahrir-Platz (!) in der Innenstadt Sanaas versammelten sich 5000 Sicherheitskräfte, Regierungsanhänger und Mitglieder der Regierungspartei, um zu verhindern, dass sich dort Demonstranten treffen konnten. Augenzeugenberichten zufolge waren die Sicherheitskräfte bereits in der Nacht zum Freitag auf dem zentralen Platz von Sanaa gegen Tausende Regierungsgegner vorgegangen.

Der Spiegel schreibt: „Der Jemen steht schon lange am Rande des Zusammenbruchs. Beobachter sehen das Land in einem ähnlich dramatischen Zustand wie Somalia oder Afghanistan. Die Bevölkerung ist arm, al-Qaida sät Terror, im Süden demonstrieren die Menschen für eine Abspaltung, im Norden rebellieren Schiiten. Die Macht von Präsident Ali Abdullah Salih ist schon jetzt fast ausschließlich auf die Hauptstadt Sanaa begrenzt. Im Rest des Landes herrschen die Stämme. Anfang Februar rief die Opposition wie in Ägypten einen „Tag des Zorns“ aus. Zehntausende Menschen gingen auf die Straße; unter ihnen Sozialisten, Jugendliche, Studenten, Islamisten. Sie forderten den Rücktritt ihres Präsidenten und schrien: „Weg mit Ali! Weg mit Ali!“ Die Regierung schickte prompt Gegendemonstranten. Doch anders als in Ägypten verhielten sich beide Seiten friedlich. Nach dem Ende der Protestzüge gingen die Anhänger beider Lager ruhig nach Hause. Unruhen will hier keiner – sondern Reformen. „Die Opposition hat in Wahrheit Angst vor einem Sturz des Regimes“, sagt der Menschenrechtler Chalid al-Alisi. „Sie hat Angst vor den Militanten, vor al-Qaida, den Stämmen und den ganzen Waffen hier.“ Ein erstes Zugeständnis haben die Demonstranten aber erreicht: Präsident Salih, der seit 33 Jahren herrscht, strebte eine Verfassungsänderung an, um bei der Wahl 2013 noch einmal kandidieren zu können. Der Zorn von Zehntausenden Jemeniten zwang ihn zu einem Verzicht auf eine weitere Amtszeit. Weder er noch sein Sohn würden bei der nächsten Abstimmung antreten, erklärte er. Zudem bot er der Opposition Gespräche an. Doch wenn Salih es mit den angekündigten Reformen ernst meinen sollte, muss er sich beeilen. Die schwierige Situation im Jemen verschärft sich täglich. Die Rohölvorkommen werden in naher Zukunft versiegen, den Menschen in den Bergdörfern geht das Grundwasser aus. Für die Jugend gibt es keine Perspektiven. Die Islamisten von al-Qaida erstarken. Flüchtlinge aus Somalia drängen ins Land. Kenner der Region fürchten im Jemen einen baldigen Bürgerkrieg.“

Tunesien:

Die Unruhen halten auch hier an. Der Spiegel schreibt: „In Städten wie Kef und Kasserine, kam es in den vergangenen Tagen wieder zu schweren Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Polizei. In der Hauptstadt Tunis patrouillieren Militär, Polizei und Geheimpolizei in großer Zahl in den Straßen. Noch immer gibt es auch Demonstrationen – und brutale Reaktionen der Sicherheitskräfte. Bei Protesten in der vergangenen Woche knüppelten Polizisten auf die Protestierenden ein. Es gibt Gerüchte über marodierende Milizen, die nachts durch die Städte ziehen und dem Sicherheitsapparat des alten Regimes zugerechnet werden. Zu Beginn der vergangenen Woche wurde der neue Innenminister Fahrat Rajhi in seinem Büro von Angehörigen seiner eigenen Sicherheitskräfte bedroht. Er sprach danach von einer „Verschwörung gegen die staatliche Sicherheit“, und hat an diesem Wochenende angekündigt, die alte Herrschaftspartei RCD verbieten zu lassen, um einen „Zusammenbruch der Sicherheit“ zu verhindern. Unklar ist, wer sich politisch in Tunesien durchsetzen wird. Islamistenführer Rachid Ghannouchi ist ins Land zurückgekehrt. 5000 Anhänger empfingen ihn am Flughafen. Ghannouchi gibt sich gemäßigt, im Interview mit dem Spiegel hat er erklärt, nicht die Einführung der Scharia zu verlangen und das weitreichende Gleichstellungsgesetz Tunesiens akzeptieren zu wollen. Doch viele Bürger fürchten, dass Ghannouchi sich milder gibt als er wirklich ist.“ Die Nachrichtenagenturen melden heute:  „Unterdessen schwillt der Flüchtlingsstrom aus Tunesien nach Italien massiv an. In nur zwei Tagen erreichten etwa 3000 Menschen Lampedusa, praktisch alle aus Tunesien. Weil sich die Lage auf der kleinen Insel innerhalb weniger Tage dramatisch verschärft hat, rief die Regierung in Rom in einer Sondersitzung einen humanitären Notstand aus. Mit einer Luftbrücke sollen jetzt alle Neuankömmlinge in kürzester Zeit von Lampedusa in süditalienische Auffanglager gebracht werden.“ (dpa)

Jordanien:

Die Junge Welt schreibt heute: „Zwei Tage nach der Vereidigung einer neuen Regierung in Jordanien haben am Freitag rund 400 Demonstranten den Rücktritt von Ministerpräsident Maruf Al-Bachit gefordert. Sie wollten selbst den Regierungschef wählen, erklärten die Kundgebungsteilnehmer. Auf einer weiteren Demonstration forderten Anhänger der Muslimbruderschaft den Rücktritt des ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak. »Hosni Mubarak, verschwinde, die arabische Welt steht in Flammen«, riefen sie.

Anfang Januar hatten im südlich der Hauptstadt Amman gelegenen Theiban etwa 200 Menschen gegen die hohe Lebensmittel- und Benzinpreise demonstriert und von der Regierung Preiskontrollen und Antikorruptionsmaßnahmen gefordert. Wenig später sprang der Funke auf die Städte Karak und Irbid über. Ende Januar zogen dann 3500 Menschen unter Führung islamistischer Oppositionsgruppen, linker Organisationen und Gewerkschaften durch Amman, um gegen die Politik des damaligen Ministerpräsidenten Samir Rifai zu protestieren.»In Jordanien macht sich ein wachsendes Gefühl der Unzufriedenheit mit der Ungleichheit zwischen korrupter Wirtschaftselite und dem Rest der Bevölkerung breit«, erläutert Mohamad Al-Masri, Wissenschaftler am Zentrum für strategische Studien der Universität von Jordanien. In den ländlichen Gebieten sei die Armut und in einigen Vierteln der Hauptstadt Amman der Reichtum unübersehbar.

In den letzten Wochen sind die Demonstranten dazu übergegangen, größere politische Mitsprache einzufordern. »Wir wollen eine von der Mehrheit der Bevölkerung gewählte Regierung, und wir wollen einen Machtausgleich. Wir werden solange demonstrieren, bis unsere Forderungen ernst genommen werden«, versicherte Hamsa Mansur, Generalsekretär der Islamischen Aktionsfront (IAF), der politische Arm der jordanischen Muslimbruderschaft. Die Opposition unter Führung der IAF will die Auflösung des Parlaments erreichen. Die derzeitige Zusammensetzung sei das Ergebnis von Wahlbetrug bei den Parlamentswahlen 2009, heißt es.“

Pakistan:

Die FAZ veröffentlicht heute eine ganzseitige Reportage aus Karachi, das nach Ansicht der Autorin nur noch aus Mafiabanden, Mördern, Talibanverrückten, korrupten Politikern und Schnurrbart- bzw. Kinnbart-Wahnsinnigen besteht. Es ist „eine scheiternde Stadt“, die ihre jungen hübschen Frauen bald alle in alte schlabbrige Säcke gezwängt hat. Die Frauen, die das nicht wollen, wandern nach Bombay oder London aus – sofern sie genug Geld dafür auftreiben können und über die richtigen Verbindungen verfügen. Das dürften nicht allzu viele sein.

Marokko:

„Aus Unzufriedenheit und Wut über die Verhältnisse haben Demonstranten bereits mehrfach den ultimativen Protest gewählt – und sich selbst angezündet. Eine Gruppe junger Marokkaner ruft bei Facebook für den 20. Februar zu einem Protesttag auf. Die Regierung nehme die Ankündigung ausgesprochen gelassen zur Kenntnis, sagte der marokkanische Regierungssprecher. Das Land befinde sich in einem „langfristigen und unumkehrbaren Prozess der Demokratisierung und Öffnung“. Die Autorität des Königs, der für seine Vorliebe für Jetskis und Sportwagen bekannt ist, wird bislang nicht in Frage gestellt. Er gilt als „Führer der Gläubigen“, dessen Herkunft direkt vom Propheten Mohammed abgeleitet wird. Um die Bevölkerung zu beruhigen, könnte Mohammed VI. – wie der jordanische König – einfach die Regierung entlassen.“ (spiegel online)

Libyen:

„Anfang Januar erlebte das Land Unruhen, unzufriedene Bürger protestierten gegen den Wohnungsmangel. Auch die hohe Arbeitslosigkeit und steigende Lebensmittelpreise erregten den Volkszorn. Doch Gaddafi bekämpft solche Aufstände mit einem effektiven Unterdrückungsapparat. Die Angst der Menschen vor der Brutalität des Staates ist groß. Die strenge Zensur von Presse und Internet verhindert eine unabhängige Berichterstattung. Gaddafi verfügt außerdem über einen Trumpf: „Das Regime kann schnell exorbitante Summen zur Abfederung von Missständen einsetzen“, so die Stiftung Wissenschaft und Politik in einem aktuellen Dossier. Und so wurden in den vergangenen Wochen Steuern und Zölle auf Lebensmittel abgeschafft.“ (spiegel online)

Syrien:

„Ende Januar versammelten sich etwa hundert junge Menschen vor der ägyptischen Botschaft, sie protestierten mit weißen Kerzen und Plakaten, auf denen zum Beispiel stand: „Für die Freiheit.“ Solche und ähnliche Kundgebungen sind klein, aber es gibt sie. Die jüngsten Revolten in Nahost hätten „einen gewaltigen Umbruch eingeleitet, der alles erschüttern wird, und Syrien ist nicht immun dagegen“, sagt Burhan Ghalioun, Direktor des Instituts für Orientalistik an der Pariser Sorbonne.  Assad beeilte sich in einem Interview mit dem „Wall Street Journal“ zu versichern, sein Land sei „stabil“ und nicht anfällig für Unruhen wie in Tunesien und Ägypten.  Doch auch seine Regierung hat reagiert. Unter dem Eindruck der Jasmin-Revolution in Tunesien kündigte Assad im Januar die Einrichtung eines nationalen Sozialfonds an. Für bedürftige Familien sollen umgerechnet 183 Millionen Euro bereitgestellt werden. Gleichzeitig wurden die Heizkostenzuschüsse für zwei Millionen Arbeitnehmer und Pensionäre um 72 Prozent erhöht. Am Montag meldete die syrische Tageszeitung „al-Thawra“, alle Behörden seien angewiesen worden, binnen 15 Tagen Vorschläge zu machen, wie man künftig die unrechtmäßige Enteignung von Grundstücken verhindern könne.“ (spiegel online)

Saudi-Arabien:

Auch in diesem reichen Ölland regt sich laut Spiegel „aghafter Widerstand. In der Hauptstadt Riad forderten am Samstag etwa 40 Frauen vor dem Innenministerium die Freilassung von Gefangenen, die im Zuge des Kampfes gegen den Terror festgesetzt wurden. Die Häftlinge säßen ohne Gerichtsurteil im Gefängnis. Zudem haben Aktivisten via Facebook politische Reformen verlangt. Die Internet-Gruppe hat bislang nur einige hundert Mitglieder, aber weitreichende Forderungen: eine konstitutionelle Monarchie, die Achtung von Menschenrechten, freie und faire Wahlen.  Doch davon ist man noch weit entfernt. In seinem jährlichen Demokratie-Index für 2010 kam der „Economist“ zu dem Ergebnis, dass nur sechs der untersuchten 167 Staaten noch autoritärer geführt werden als Saudi-Arabien. Das Wüstenland ist eine absolute Monarchie, die Macht verteilt sich unter den Mitgliedern der Königsfamilie, diese wiederum bildet eine Allianz mit den wahabitischen Islamgelehrten. Zwar wirde der Reichtum aus den Öleinnahmen hier  gleichmäßiger verteilt als in anderen Ländern, aber noch immer werden Frauen unterdrückt. In der Öffentlichkeit müssen  sie z.B. bodenlange Gewänder und schwarze Kopftücher tragen. Ein Mann wurde Anfang Januar zu 30 Peitschenhieben verurteilt, weil seine sonst komplett verhüllte junge Frau ihre Augen nicht zusätzlich mit einem Schleier bedeckt hatte.“

Oman:

„Ganz ohne Auswirkungen ist der arabische Aufstand auch in Oman nicht geblieben. Rund 200 Menschen versammelten sich im Januar im Regierungsviertel der Hauptstadt Maskat und demonstrierten gegen Korruption und steigende Preise. Doch insgesamt gilt Oman als stabil. „Die Lage ist weit weniger brisant als in Ägypten“, sagt Thomas Richter, Nahost-Experte am German Institute of Global and Area Studies in Hamburg. Das Land ist reich und vergleichsweise modern. Sultan Kabus Bin Saïd, der den Wüstenstaat seit 1970 regiert, hat Oman mit enormen Einnahmen aus dem Ölgeschäft ins 21. Jahrhundert geführt und arbeitet sehr zaghaft an einer Demokratisierung. Es gibt ein kostenloses Gesundheitssystem, die Lebenserwartung liegt bei rund 75 Jahren. 90 Prozent der Kinder besuchen Schulen. Altersrenten und eine Versorgung für Witwen und Waisen wurden eingeführt. Doch einen Demokratisierungsprozess erlebt das Sultanat nicht – nicht einmal ansatzweise.“ (spiegel online)

Kuwait:

Um den arabischen Aufständen zuvor zu kommen, zeigte sich der Emir, Scheich Sabbah al-Ahmed al-Sabbah Mitte Januar von seiner großzügigen Seite: 1000 Dinar, umgerechnet rund 2600 Euro, schenkte er jedem kuwaitischen Bürger. Außerdem wird es alle Grundnahrungsmittel umsonst geben – und zwar bis März kommenden Jahres.  3,7 Milliarden Euro läßt sich das ölreiche Emirat diese Beruhigung kosten. „Ich wäre wirklich extrem überrascht, wenn es in Kuwait zu größeren Demonstrationen kommen sollte“, sagt Katja Niethammer, Islamwissenschaftlerin an der Universität Hamburg. Zumal es den Bürgern finanziell sowieso nicht schlecht geht, und sie bereits jetzt Annehmlichkeiten wie eine kostenlose Gesundheitsversorgung genießen.“ (spiegel online)

Afghanistan:

AP meldet Gefecht von  Aufständischen, die den Erfolg der ägyptischen Aufständischen heute auf ihre Weise gefeiert haben: „Mit Sprengstoff, Sturmgewehren und Panzerfäusten bewaffnete Taliban-Kämpfer haben am Samstag die Polizeizentrale in der südafghanischen Stadt Kandahar angegriffen. Dabei sind nach Behördenangaben mindestens 21 Menschen ums Leben gekommen und Dutzende weitere verletzt worden. Die Taliban bekannten sich zu dem Angriff. Fünfzehn der Getöteten seien Angehörige der Polizeikräfte gewesen, sagte Provinzgouverneur Torjalai Wesa. Laut einem Sprecher des Innenministeriums sind außerdem drei afghanische Soldaten, zwei Zivilisten und ein Geheimdienst-Mitarbeiter ums Leben gekommen.

Nach ersten Erkenntnissen zündeten die Angreifer um die Mittagszeit mehrere Autobomben außerhalb des Geländes der Polizeizentrale. Unmittelbar danach versuchten offenbar zwei Selbstmordattentäter, das Gebäude zu stürmen. Ihre Sprengsätze seien allerdings detoniert, bevor sie hätten eindringen können, sagte ein NATO-Sprecher. Fünf mit Sprengstoffwesten ausgestattete Aufständische hätten sich anschließend ein stundenlanges Gefecht mit Sicherheitskräften geliefert, sagte der Sprecher des Innenministeriums. Einige hätten sich in einem mehrgeschossigen Gebäude gegenüber der Polizeizentrale verschanzt. Von dort aus hätten sie die Sicherheitskräfte mit automatischen Waffen und Panzerfäusten unter Feuer genommen.“

Die „ag-friedensforschung.de“ meldet: „Washington führt mit Kabul Gespräche über permanente US-Basen in Afghanistan. Bautrupps schaffen unterdessen dafür schon die Fakten.“ Es geht dabei wie stets um „Sicherheit, Ruhe, Ordnung und Stabilität“ – also um etwas zutiefst Verabscheuungswürdiges, wenn es von oben komm.

Die Linke fordert unterdes: „Bundeswehr raus aus Afghanistan!“ – und das ausgerechnet jetzt, wo es dort gerade interessant wird!

Westerwelle oder wie er heißt ist doch auch heute extra nach Tunesien geflogen, um dort auf den Putz zu hauen. Am eisernen deutschen Besen wird dereinst die Welt verwesen!

o.T.. Photo: blog.rebellen.info

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