vonHelmut Höge 19.02.2011

Hier spricht der Aushilfshausmeister!

Helmut Höge, taz-Kolumnist und Aushilfshausmeister, bloggt aus dem Biotop, dem die tägliche taz entspringt.

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Libyen heute 1. Photo: ddinews.gov.in

Fast könnte man sagen: Es ist erreicht! Denn von nun an kann man ohne zu übertreiben von einem – einem! – “Arabischen Aufstand” sprechen:

AFP meldete gestern um 22 Uhr:

“In den arabischen Ländern geht der Aufstand gegen die autoritären Regierungen ungeachtet des brutalen Vorgehens der Sicherheitskräfte weiter. In Libyen eskalieren die Konflikte. In Bahrain und im Jemen schossen Sicherheitskräfte auf Demonstranten, dabei gab es mehrere Tote und dutzende Verletzte.

In der libyschen Oppositionshochburg Benghasi zündeten Demonstranten nach Angaben von Augenzeugen den Sitz des örtlichen Radiosenders an. Die vor dem Gebäude abgestellten Sicherheitskräfte hätten sich zurückgezogen, daraufhin hätten Demonstranten das Gebäude gestürmt und es angezündet, sagte ein Augenzeuge. Ein Behördenvertreter bestätigte die Angaben. Der Zeitung “Oea” zufolge erhängten Demonstranten am Freitag zwei Polizisten in der Stadt El Baida.

Aus einem Gefängnis in Benghasi brachen zahlreiche Häftlinge aus. Nahe der Hauptstadt Tripolis wurden drei Häftlinge von Sicherheitskräften getötet, als sie versuchten, aus einem Gefängnis auszubrechen. Die libyschen Revolutionskomitees, die als Säule des Herrschaftssystems gelten, drohten den Regierungsgegnern mit massiver Gewalt.

Wie “Oea” ebenfalls berichtete, kamen in den vergangenen Tagen bei den Protesten allein in Benghasi mindestens 20 Menschen ums Leben. In Derna östlich von Benghasi starben demnach am Donnerstag sieben Menschen, in El Baida wurden nach Angaben aus gut informierten Kreisen seit Mittwoch 14 Menschen bei den Protesten getötet. Insgesamt starben seit Beginn der Proteste gegen Libyens Machthaber Muammar Gaddafi am Dienstag in dem nordafrikanischen Land mindestens 41 Menschen bei Demonstrationen.

Offenbar um die Regierungsgegner an Verabredungen zu weiteren Protestaktionen zu hindern, wurde gegen 02.00 Uhr in der Nacht das Internet im gesamten Land unterbrochen. Das teilte die amerikanische IT-Sicherheitsfirma Arbor Networks mit.

Unter Berufung auf Angaben aus mehreren Krankenhäusern teilte die in New York ansässige Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch mit, dass die Zahl der Toten sich auf mindestens 84 erhöht habe. Ärzte aus Bengasi berichteten, allein am Freitag seien nach den Angriffen der Sicherheitskräfte 35 Tote ins Krankenhaus gebracht worden. Ein Augenzeuge berichtete, die Toten hätten Schusswunden an Oberkörper und Kopf aufgewiesen.

Auf dem Platz vor dem Gericht seien am Samstag 20 Särge aufgebahrt worden, beichtete ein weiterer Zeuge. Tausende Menschen sollen an der Gedenkfeier für die Opfer teilgenommen haben.

In Bahrain schoss die Armee am Freitag auf etwa tausend Demonstranten, die den zweiten Tag in Folge auf dem Platz der Perle in der Hauptstadt Manama an einer Sitzblockade teilnehmen wollten. Nach Angaben des Oppositionspolitikers Ali el Assuad schoss die Armee mit scharfer Munition. Dem Oppositionellen Abdel Dschalil Chalil Ibrahim zufolge wurden 55 Verletzte in ein Krankenhaus eingeliefert. Vier von ihnen seien schwer verletzt. Das Staatsfernsehen sprach von sieben Leichtverletzten.

Im Jemen wurden am Freitag mindestens sechs Menschen bei Protesten getötet. Vier Menschen wurden in der südlichen Hafenstadt Aden von Sicherheitskräften erschossen, die eine Demonstration auflösen wollten. In der Stadt Taes warfen Unbekannte eine Granate in eine Menge aus Demonstranten, nach Angaben von Sanitätern starben zwei Menschen, 27 weitere wurden verletzt.

Auch auf der anderen Seite des Golfs von Aden, in Dschibuti, gingen am Freitag tausende Menschen gegen die Regierung auf die Straße. Die Sicherheitskräfte setzten Tränengas ein.”

Die deutsche Presseagentur tickerte kurz vor Mitternacht:

“Der Aufstand gegen den libyschen Staatschef Muammar al-Gaddafi hat am Freitagabend die Hauptstadt Tripolis erreicht. Aus mehreren Vierteln im Westen der Stadt meldeten Augenzeugen Proteste. Auch in der westlich von Tripolis gelegenen Stadt Dschanzur gingen viele Gegner des Revolutionsführers auf die Straßen.

Aus Sicherheitskreisen in der östlichen Region, wo der Protest zwei Tage zuvor begonnen hatte, hieß es, rund 1000 Häftlinge hätten die Unruhen genutzt, um aus dem Gefängnis der Stadt Bengasi zu fliehen.  In Bengasi und anderen Städten des Ostens sind bei Protesten seit Mittwoch rund 60 Menschen getötet worden.”

Die “tagesschau.de” kommentierte um 2 Uhr morgens:

“Was momentan in der arabischen Welt, in Nordafrika und Nahost geschieht, haben viele Experten in dieser Dimension nicht erwartet. Inzwischen wird immer deutlicher, dass es sich nicht um einen islamistischen Aufstand handelt, sondern um demokratischen Protest. In jedem der betroffenen Länder herschen spezielle Bedingungen. Die Herausforderungen, vor denen sie nun stehen, sind aber ähnlich.

Revolution in Tunesien und Ägypten, Protest im Jemen und Bahrain, Unruhen in Jordanien und im Irak, nervöse Spannung in Syrien und am Golf: Bilder und Menschen waren schneller als plausible Deutungen. Zu überraschend für viele Experten der Ausbruch kollektiven Unmuts über verkrustete, repressive Systeme und der plötzliche Mut, der die Mauer jahrzehntelanger Angst und Ohnmacht zerschlug.

Bleibt immer noch die Frage, wie es zum plötzlichen Aufstand in immer mehr Staaten nach Jahrzehnten des Stillstands kam? Dazu meint Paul Salem von der Carnegie-Stiftung für internationalen Frieden : “Die Frage muss eigentlich heißen, warum nicht schon viel früher, denn die Probleme sind ja nicht neu: Wirtschaftsmisere, Unterdrückung oder politische Krisen. Arabisches Fernsehen und neue Medien haben den Sturm ausgelöst. Das ist wie bei Vulkanen: Jahrzehntelang schlafen sie – nun brachen sie überall aus.”

Paul Salem und Lamis Andoni, politische Publizistin in Jordanien, sind sich einig: Ohne flächendeckende Berichte von Al Dschasira oder Al Arabija wären die derzeitigen Umwälzungen kaum vorstellbar. Adoni begründet: “Die Satellitenkanäle beteiligen alle an den Ereignissen. Die Leute haben die tunesische und ägyptische Revolution verfolgt und hatten das Gefühl, sie sind selbst dabei. Sie haben praktisch an der Seite von Tunesiern und Ägyptern gekämpft. Sie teilen Freude und Angst, und so wurde ihr Erfolg zum Sieg für alle Araber.”

AP meldete um 14 Uhr:

“Wenige Stunden nach dem gewaltsamen Vorgehen libyscher Spezialkräfte gegen ein Zeltlager von Demonstranten haben sich in der Stadt Bengasi alle Polizeikräfte zurückgezogen. Die Bewohner organisierten daraufhin Bürgerwehren, um sich zu schützen. Das Regime unterbrach unterdessen den gesamten Internetverkehr im Land, um weitere Protestaktionen zu erschweren. Die Zahl der Toten bei den seit drei Tagen anhaltenden Protesten gegen Präsident Muammar al Gaddafi liegt Menschenrechtlern zufolge bei 84.

“Wir sehen keinen einzigen Polizisten in den Straßen, nicht einmal Verkehrspolizisten”, sagte ein Anwalt in Bengasi. Die Menschen hätten nun Angst, dass nach der Räumung des Zeltlagers regierungstreue Kräfte ein Haus nach dem anderen stürmen könnten. “Die Einwohner haben Bürgerwehren zum Schutz ihrer Häuser und Viertel gegründet”, sagte der Anwalt, der aus Angst vor Repressionen anonym bleiben wollte.

Mehrere Aktivisten seien bereits von den Sicherheitskräften festgenommen worden, sagte der in der Schweiz lebende libysche Oppositionelle Fathi al Warfali. Darunter auch Abdel Hafes Gugha, einer der Organisatoren der Proteste. Sicherheitskräfte hätten nachts sein Haus gestürmt und ihn festgenommen.

Gegen 5.00 Uhr am Samstagmorgen griffen Sicherheitskräfte Augenzeugenberichten zufolge das Zeltlager an, in dem mehrere Hundert Demonstranten – unter ihnen auch Richter und Anwälte – seit zwei Tagen ausgeharrt hatten. “Sie sind mit Tränengas gegen die Menschen in den Zelten vorgegangen und haben das gesamte Gelände geräumt. Viele haben auf der Flucht noch Tote oder Verletzte getragen”, sagte ein Augenzeuge der Nachrichtenagentur AP. Bengasi gleiche einer Geisterstadt. Viele hätten Angst, dass am (heutigen) Samstag noch “etwas Großes” passiere.

Unbestätigten Angaben zufolge sind Angehörige einer Eliteeinheit der libyschen Streitkräfte in Bengasi sowie anderen Städten im Osten des Landes eingerückt. Die Mitglieder der sogenannten Chamis-Brigade unter Leitung von Gaddafis jüngstem Sohn seien zudem von ausländischen Söldnern begleitet worden.

Die Stimmung in Bengasi wurde von Beobachtern als äußerst angespannt bezeichnet. In der Nacht sollen Demonstranten Polizeistationen und Regierungsgebäude in Brand gesetzt und einen lokalen Radiosender besetzt haben.”

Über Algerien berichtet AP um 14 Uhr:

“In der algerischen Hauptstadt Algier hat die Polizei am Samstag einen Protestmarsch von Tausenden Regierungsgegnern aufgelöst. Mit Schlagstöcken und Schilden gingen die Sicherheitskräfte gegen die Demonstranten vor und spalteten den Zug in mehrere kleine Gruppen. Die Demonstration war nicht genehmigt.

Der Oppositionsabgeordnete Tahar Besbas wurde mit einer Kopfverletzung in ein Krankenhaus eingeliefert, nachdem Polizisten offenbar auf ihn eingeschlagen hatten. Zunächst hätten die Sicherheitskräfte verhindert, dass er in eine Klinik gebracht wurde, sagten Anhänger von Besbas.

Bereits vor einer Woche waren die Menschen in Algier gegen die Regierung von Präsident Abdelaziz Bouteflika auf die Straße gegangen. Die Organisatoren sprachen von 10.000 Demonstranten und 26.000 Polizisten. Die Behörden hingegen gingen von lediglich 1.500 Demonstranten aus. Im vergangenen Monat waren bei Unruhen wegen gestiegener Lebensmittelpreise in Algerien drei Menschen getötet worden.

“Wir wollen Demokratie, die Souveränität des Volkes”, rief Ali Yahia Abdenour von der algerischen Liga zur Verteidigung der Menschenrechte bei der Demonstration am Samstag. Der Student Khalifa Lahouazi sagte, er beteilige sich an dem Protestzug, um seine “legitimen Rechte” wahrzunehmen. “Unser Leben in diesem System ist unerträglich”, sagte Lahouazi. ‘Wir wollen das Ende dieses Systems, nicht nur das von Bouteflika’.”

Auf “youtube.com” werden jetzt alle paar Stunden, u.a. “by The TruthArmy” (wer oder was ist das?) neue Videos eingestellt, die Bilder und Kommentare zur “arabian revolution (heute)” liefern, auch diese Videoclips (Englisch kommentiert): “Best Egyptian Protest Song (texchno mix)” und “Egypt Revolution Theme Song”. Daneben  finden sich noch viele andere “Ägyptische Revolutionslieder” auf Youtube.


Libyen – Bengasi 2. Photo: diepresse.com


Um 16 Uhr fasste dpa zusammen:

In der arabischen Welt gärt und brodelt es an allen Ecken. An den aktuellen Brennpunkten  Libyen, Algerien, Bahrain und Jemen gingen am Samstag erneut Abertausende Menschen auf die Straßen, um Reformen in ihren Ländern  einzufordern. Die Machthaber antworteten auf die Forderungen mit teilweise blutiger Gewalt. Lediglich in Bahrain gab es erste Zeichen der Entspannung – dort erhielt die Armee den Befehl zum Rückzug von den Straßen, der Kronprinz erhielt den Auftrag zum Dialog.

In Libyen gingen die Sicherheitskräfte mit brutaler Härte gegen Demonstranten vor. In der Küstenstadt Bengasi kam es erneut zu blutigen Zusammenstößen zwischen Gegnern des Staatschefs Muammar  al-Gaddafi und Polizei- und Armeeverbänden. Elitetruppen hätten damit begonnen, die Kundgebungen in der Stadt mit Waffengewalt aufzulösen, berichtete ein Augenzeuge dem Fernsehsender BBC. Zuvor sei die Stadt fast zur Gänze in die Hände der Protestbewegung gefallen, sagte der Mann aus Bengasi. Opferzahlen wurden zunächst nicht bekannt.

Auch aus der Küstenstadt Misurata wurden Massenproteste gemeldet. Dort gingen nach Angaben der Nationalen Front zur Rettung Libyens Tausende von Regierungsgegnern auf die Straße und riefen immer wieder “Nieder mit Gaddafi”. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch sollen seit Beginn der Proteste gegen das Gaddafi-Regime mindestens 84 Menschen von den Sicherheitskräften getötet worden sein.

Bei einer Demonstration von Regierungsgegnern in Algier gab es am Samstagvormittag mehrere Verletzte. Etwa 400 Menschen hätten sich trotz der massiven Polizeipräsenz auf dem Platz des 1. Mai in der Innenstadt versammelt, um gegen die Regierung und soziale Missstände im Land zu protestieren, berichtete die regierungskritische, aber als seriös geltende Website “elwatan.fr”.

In Marokko riefen Bürgerinitiativen und Jugendgruppen für Sonntag zu Demonstrationen in allen größeren Städten des Landes auf. Sie verlangen demokratische Reformen und eine Einschränkung der Macht von König Mohammed VI. Marokko war bisher von den Unruhen in Staaten der arabischen Welt kaum betroffen gewesen. Das Land hat eine vielfältige Parteienlandschaft und ein frei gewähltes Parlament. Die Macht der Regierung ist allerdings dadurch eingeschränkt, dass der König in wichtigen Fragen das letzte Wort hat.

Im Königreich Bahrain beorderte Scheich Salman bin Hamad al-Chalifa am Samstag überraschend mit “sofortiger Wirkung” die Armee aus den Straßen und Wohngebieten des Landes zurück. Als die Armee den zentralen Lulu-Platz räumte, von dem die Proteste gegen die Regierung ausgegangen waren, strömten Hunderte von Demonstranten nach und stießen dort mit vorrückenden Polizeieinheiten zusammen. Die Polizisten setzten Tränengas und Handfeuerwaffen ein, zogen sich dann aber zurück. Bei Zusammenstößen von Regierungsgegnern mit der Armee wurden in der Nacht nach Angaben des Gesundheitsministers Faisal Jakub al-Hamar sechs Menschen verletzt. Ärzte im Salmanija-Krankenhaus sprachen dagegen von mindestens 66 Verletzten. Der Abzug der Soldaten und Panzer aus den Straßen und Wohngebieten von Manama war eine der Forderungen der Opposition, an die sie die Aufnahme eines Dialogs mit der Regierung geknüpft hatte. König Hamad bin Issa al-Chalifa hatte der Opposition zuvor Gespräche angeboten. Er beauftragte seinen Kronprinzen am Samstag, einen nationalen Dialog “mit allen Parteien” aufzunehmen, wie der Sender Al-Dschasira berichtete.

Im Jemen gingen die Proteste gegen Präsident Ali Abdullah Salih am Samstag in den neunten Tag. Bei Demonstrationen stießen vor der Universität Sanaa Regierungsgegner und Anhänger von Salih zusammen. Beide Seiten bewarfen sich mit Steinen, als die Anhänger von Salih mehrere tausend Studenten angriffen, die gegen den Langzeitpräsidenten demonstrierten. In beiden Lagern habe es zahlreiche Verletzte gegeben, berichtete das Internet-Portal “yemenpost.net”. Am Vortag waren bei Zusammenstößen in dem arabischen Land vier Menschen getötet und Dutzende weitere verletzt worden.

Die FAZ erinnerte heute morgen noch einmal – auf Seite 1 – an den dürren Hauptgedanken ihres Lieblings-Nazitheoretikers Carl Schmitt, vom Frankfurter Intelligenzblatt zärtlich “der Plettenberger” genannt: “Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet”. In Ägypten und anderswo ist es jetzt das Volk, das souverän entschieden hat, den Ausnahmzustand aufzuheben.

Ansonsten hat die FAZ heute zum arabischen Aufstand nicht viel zu sagen, ebensowenig die taz, dort berichtet Doris Akrap lediglich, dass sie täglich Al Dschasira kuckt und dass der Sprecher sie irgendwie anmacht:

“Zwei Wochen lang schlief ich mit Ayman Mohyeldin ein und wurde von ihm wieder geweckt. Das war alles, was ich tun musste, um das Tahrir-Feeling in mein Wohnzimmer zu holen. Mohyeldin, der smarte Reporter von Al Jazeera English sorgte rund um die Uhr dafür, dass mir nicht die kleinste Bewegung in der Kairoer Zeltstadt entging. Kaum war der Tahrir sauber gefegt und eine gewisse Leere in meinem Wohnzimmer entstanden, füllte sich der Pearl Roundabout in Manama.

Aber es gab keinen Aymen mehr, der mir erklären konnte, wo dieses betörend klingende Manama liegt und wer da gegen wen auf dem Kreisel, den die Bahrainis auch noch liebevoll Lulu nennen, eine Zeltstadt errichtet. Kaum hatte sich das Lulu-Feeling in meinem Wohnzimmer ausgebreitet, wachte ich plötzlich nachts auf und ein Aymen-Ersatz aus Manama berichtete, dass Lulu gerade brutal geräumt werde. Das mit den Zeltstadt-Plätzen scheint also nicht überall eine durchsetzbare Strategie gegen die Herrscher zu sein…”

Erwähnen sollte man vielleicht noch einen kleinen Sonntaz-Beitrag von Hamadi El-Aouni – der Tunesier ist Dozent der Freien Universität Berlin:

“Der arabische Frühling könnte der Beginn einer Weltrevolution sein. Die arabischen Länder haben eine gemeinsame Kultur und Sprache, haben unter dem Kolonialismus gelitten. Heute kämpft eine Jugend gegen Unterdrückung. Die arabischen Nationen müssen nun großräumig denken, nicht national. Bisher haben die Staaten des Nordens den Süden ausgebeutet. Zuerst mit dem Sklavenhandel, dann mit dem Handel mit Rohstoffen. Dies könnte allerdings bald vorbei sein. Die westlichen Staaten werden feindlich reagieren, weil Ausbeutung dann nicht mehr möglich ist. Aber sie können die Entwicklung nicht mehr aufhalten, weil ihre Völker mit den neuen Demokraten solidarisch sein werden.”

Letzte Meldung aus Libyen – von AP um 16 Uhr 50:

“Bei einer Trauerfeier für 35 getötete Gegner des libyschen Staatschefs Muammar al Gaddafi haben Scharfschützen am Samstag das Feuer auf die Menge eröffnet und dabei nach Krankenhausangaben mindestens einen Menschen getötet und Dutzende weitere verletzt. Die Schützen hätten vom Dach der Zentrale der Sicherheitskräfte aus geschossen, sagte ein Informant, der namentlich nicht genannt werden wollte. Am frühen Samstagmorgen hatten Spezialkräfte ein Zeltlager der Protestierenden auf demselben Platz zerstört.

Gegen 5.00 Uhr am Samstagmorgen griffen Sicherheitskräfte Augenzeugenberichten zufolge das Zeltlager an, in dem mehrere Hundert Demonstranten – unter ihnen auch Richter und Anwälte – seit zwei Tagen ausgeharrt hatten. “Sie sind mit Tränengas gegen die Menschen in den Zelten vorgegangen und haben das gesamte Gelände geräumt. Viele haben auf der Flucht noch Tote oder Verletzte getragen”, sagte ein Augenzeuge der Nachrichtenagentur AP. Bengasi gleiche einer Geisterstadt. Viele hätten Angst, dass am (heutigen) Samstag noch “etwas Großes” passiere.

Unbestätigten Angaben zufolge sind Angehörige einer Eliteeinheit der libyschen Streitkräfte in Bengasi sowie anderen Städten im Osten des Landes eingerückt. Die Mitglieder der sogenannten Chamis-Brigade unter Leitung von Gaddafis jüngstem Sohn seien zudem von ausländischen Söldnern begleitet worden.

Die Stimmung in Bengasi wurde von Beobachtern als äußerst angespannt bezeichnet. In der Nacht sollen Demonstranten Polizeistationen und Regierungsgebäude in Brand gesetzt und einen lokalen Radiosender besetzt haben.”

Letzte Meldung von heute Nachmittag aus Bahrain – von Al Dschasira:

“Thousands of protesters have reoccupied the Pearl roundabout in the capital, Manama, after troops and riot police retreated from the symbolic centre of their anti-government uprising.

The cheering protesters carrying Bahraini flags, flowers and signs that said “Peaceful, peaceful” marched
to the traffic circle on Saturday. They chanted, “We are victorious”. Protesters kissed the ground in joy and took pictures of about 60 police vehicles leaving the area.”

Aus Libyen meldet Al Dschasira:

“The unrest in Libya has largely been centred in the eastern cities of Benghazi, Bayda and Tobruk. But Al Jazeera has received reports that the protests have begun to spread to the country’s west.

Verifying news from Libya has been difficult since the protests began, thanks to restrictions on journalists entering the country, as well as internet and mobile phone black outs imposed by the government. The Libyan government has blocked Al Jazeera’s TV signal in the country and people have also reported that the network’s website is inaccessible from there.”

Libyen 3. Photo: de.euronews.net

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https://blogs.taz.de/hausmeisterblog/2011/02/19/kairo-virus_chronik_seiner_ausbreitungeindaemmung_12/

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kommentare

  • “Die Presse”, Print-Ausgabe, schreibt am 20.02.2011 also morgen:

    „Hier wird in vielen Straßen gekämpft“, berichten Augenzeugen aus Benghazi, der mit 700.000 Einwohnern zweitgrößten Stadt Libyens, wo einige Telefonleitungen zunächst noch funktionierten. Die berüchtigte „Khamis Brigade“, zu der auch ausländische Söldner gehören sollen, versuche mit brutaler Gewalt, die Kontrolle über die Stadt zurückzugewinnen, berichtet der Mann dem britischen Nachrichtensender BBC. Sie hätten auch ein Protestcamp von Anwälten, Richtern und Regimegegnern vor dem städtischen Gerichtsgebäude angegriffen. Die Demonstranten seien geflohen, hätten noch versucht, ihre „Toten und Verletzten mitzunehmen“.

    Heckenschützen, ausgebrannte Autos. Zehntausende Regimegegner waren seit Tagen durch die Hafenstadt gezogen, hatten Regierungsgebäude, Polizeistationen angezündet, einen staatlichen Radiosender gestürmt. Die Gadhafi-Gegner schienen vorübergehend die Oberhand zu gewinnen. Dann schlugen Gadhafis Truppen, die per Luftbrücke verstärkt worden sein sollen, zurück. Es gäbe „Dutzende Tote“ auf den Straßen, Heckenschützen auf den Dächern, hieß es, und allerorten ausgebrannte Autos.

    Sogar Trauermärsche, mit denen die Toten unter Anteilnahme von tausenden Menschen zu Grabe getragen wurden, seien beschossen worden. „Das ist ein Krieg“, lautet knapp eine Twitter-Kurznachricht aus Benghazi. Ein anderer spricht von einem „Massaker“ und fragt: „Wo sind die Vereinten Nationen?“ Es gebe „mehr als 120 Tote“ allein im Al-Jalaa-Hospital, einem von mehreren Krankenhäusern der Stadt, die mit hunderten Schwerverletzten überfüllt sein sollen. Viele Opfer seien „mit Kopf- und Brustschüssen“ buchstäblich hingerichtet worden. „Wir brauchen dringend Blutspenden“, bitten die Ärzte.

    Die meisten Informationen kommen derzeit noch aus Benghazi. Aus vielen anderen Städten, in denen angeblich auch hart gekämpft wird, hört man so gut wie nichts mehr – was Schlimmes befürchten lässt. Grausame Videos, die in der Internetplattform YouTube kursieren und auf denen viele schrecklich zugerichtete Tote und Verletzte zu sehen sind, lassen wenig Zweifel daran, dass Gadhafi mit aller Härte die Proteste niederschlagen will.

    Offenbar sind inzwischen viele Polizisten und junge Wehrpflichtige der Armee zu den Demonstranten übergelaufen. Und diese scheinen wild entschlossen, aufs Ganze zu gehen.

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