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Die Berliner Zeitung berichtet heute, dass die italienischen Muschelfischer (1600, die sich in Genossenschaften organisiert haben) auf die EU sauer sind. Sie haben es auf die vornehmlich in der Adria lebende Venusmuschel abgesehen, von der sie jährlich 60.000 Tonnen „ernten“ (zusammen mit den in 230 Muschelfarmen „produzierten“ allerdings). Die Italiener, die früher zu den größten „Fischern“ der bei den europäischen Damen begehrten „roten Koralle“ zählten, gehören heute zu den weltweit größten „Produzenten von Weichtieren“ – gleich hinter China. Noch, denn nun schreibt die EU beim Fang der Venusmuscheln eine Mindestgröße von 2,5 Zentimetern vor. Eigentlich ein unbilliges Verlangen, denn je kleiner die gefangenen Muscheln werden, das gilt auch für Speisefische und Garnelen, desto mehr Tiere müssen dran glauben, was im Endeffekt zu ihrer Artgefährdung und schließlich Ausrottung führt. Die EU-Verordnung will also einer nachhaltigen Venusmuschel-Bewirtschaftung Vorschub leisten. Die Fischer wollen jedoch oggi, qui, subito eher mehr als weniger Geld verdienen. Monatelang haben sie Protestaktionen an der Adriaküste durchgeführt. Eines ihrer Argumente für eine Senkung der Mindestgröße lautet: „Die Venusmuschel ist schon ab 2 Zentimeter erwachsen und fortpflanzungsfähig. Mehrere Forschungsinstitute würden das gerade wissenschaftlich belegen.
Dazu hat heute die FAZ auf ihren Wissenschaftsseiten einen langen Artikel veröffentlicht: „Zuckerlobbyisten treiben Forscher vor sich her“. Ebenso wie die Tabakindustrie haben auch die Softdrinkkonzerne wie Coca Cola ihnen genehme wissenschaftliche Studien „gesponsort“, wenn nicht initiiert. Bei den Beweisführungen geht es den Sofdrinkkonzernen darum, dass Zucker nicht dick macht.
Ein weiteres Argument der italienischen Muschelfischer ist der Hinweis, dass „aus der Türkei sogar Venusmuscheln mit nur 1,7 Zentimeter importiert werden“.
Es werden dort also noch jugendliche Muscheln aus ihren Biocönosen gerissen.
Statt Arten und Individuen zu erforschen sah sich der Meeresbiologe Karl August Möbius 1877 vor die Aufgabe gestellt, ganze „Lebensgemeinschaften“, die er „Biocönosen“ nannte, zu begreifen: Er sollte prüfen, ob man ähnlich wie in Frankreich auch an der deutschen Küste künstliche Austernzuchten anlegen könnte. Die natürlichen Vorkommen reduzierten sich hier infolge der anhaltenden Nachfrage nach dem Muschelfleisch, was mit dem Ausbau des Eisenbahnnetzes zusammenhing, das laut Möbius für stetig steigende Austernpreise sorge und die Fischer somit dazu reize, „ihre Bänke zu erschöpfen“. In seiner Schrift „Die Auster und die Austernwirtschaft“ verband er bereits naturwissenschaftliche und politische Ökologie. Dabei ging es ihm um die Vergesellschaftung von Organismen in bestimmten Lebensräumen. Im Mittelpunkt stand nicht mehr die „Manifestation des Lebens im individuellen Körper“, sondern ein „sich nur in Gemeinschaften verschiedenartiger Organismen verwirklichendes Leben,“ wie Benjamin Bühler und Dtefan Rieger im Kapitel „Auster“ ihres Buches „Vom Übertier“ (2006) schreiben. Möbius hatte die deutsche, französische, englische und nordamerikanische Austernwirtschaft studiert. Er kam zu dem Ergebnis, dass sich die künstliche Austernzucht vor der deutschen Küste nicht lohne – u.a. weil die Austernbänke in der Nordsee inmitten von Schlick und Sand lägen und sich nicht vergrößern ließen; in der Ostsee hingegen sei der Salzgehalt des Wassers zu niedrig. Im übrigen führe die Überfischung der Austern zur Vermehrung der Herz- und Miesmuscheln auf den Bänken, so dass ihre „Biocönose“ immer mehr zerstört werde.
2015 heißt es in einer Touristeninformation über die Austern der Sorte „Sylter Royal“: „Vor Sylt gab es bis Anfang des 20. Jahrhunderts natürliche Bänke der Europäischen Auster. Durch Überfischung ist diese Art jedoch ausgestorben. Heute können die Sylter Gäste wieder frische Austern genießen, denn im Lister Wattenmeer wird seit 1986 die ursprünglich aus Japan stammende Pazifische Felsenauster (Crassostrea gigas) großgezogen. Das Team ‚Naturgewalten‘ zeigt auf einer Wattwanderung, wie diese Austern kultiviert werden.“ Das „manager magazin“ nennt sie „sichere Bänke“. Inzwischen sind sie sogar mehr als das: Sie verbreiten sich und verdrängen die letzten Miesmuschel-Vorkommen, die Miesmuschelfischer sind bereits besorgt.
Allein im dänischen Wattenmeer werden etwa 12.000 Tonnen Zuchtaustern jährlich geerntet. Daneben veranstaltet man dort „Austern-Safaris“ mit „Vor Ort schlürf“-Erlebnissen. Die größten Austernzuchten Europas befinden sich in Marennes-Oléron im Golf von Biskaya. Der größte Produzent weltweit ist China, das in seinen Aquakulturen jährlich 3,7 Millionen Tonnen „erntet“. Mit der Pazifischen Auster kam eine „Begleitart“: der Gespensterkrebs (Caprella mutica) in die Nordsee. Inzwischen haben diese Krebschen bereits etliche Pontons und Hafenmolen besiedelt: mit bis zu 3000 Tieren pro Quadratmeter, wie das Alfred Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung ermittelte. Über kurz oder lang könnten sie die einheimischen Caprellidenarten verdrängen.
So wie Möbius versuchten ab 1971 auch drei französische Wissenschaftler ein Muschelproblem an der bretonischen Küste zu lösen. Es ging dabei um Kammmuscheln in der Bucht von St. Brieuc, deren Population aufgrund mehrerer Faktoren, aber vor allem wegen Überfischung, zurückging. Eine Population in der Rede von Brest existierte schon fast nicht mehr. Die Forscher hatten in Japan gesehen, dass und wie dort die Kammmmuscheln intensiv kultitivert werden. Die Larven „werden in schwimmenden Kollektoren an Schlepptauen im Meer verankert, wo sie in der Wachstumsphase vor Fressfeinden (Seesterne) geschützt sind. Wenn sie eine gewisse Größe erreicht haben, werden sie auf dem Meeresgrund ‚ausgesät‘, wo sie sich zwei, drei Jahre entwickeln können, bevor sie ‚geerntet‘ werden,“ heißt es in einem Aufsatz des Soziologen Michael Callon (abgedruckt in Andrea Belligers und David Kriegers Aufsatzsammlung „ANThology“ 2006). Die Kammmuschelforscher wollten diese Zuchttechnik auch in der Bucht von Brieuc anwenden. Dazu mußten sie Forschungsgelder acquirieren, andere Meeresforscher von der Machbarkeit des Projekts überzeugen (obwohl die japanische Kammmuschel-Art nicht mit der vor Brieuc identisch ist) und außerdem die Fischer von Brieuc zur Kooperation veranlassen. Auf einer ersten Konferenz blieb offen, ob „genug Larven in den Kollektoren verankert werden können, um das Projekt zur Repopulation der Bucht zu rechtfertigen?“
Die Verankerung war das zentrale Problem, hinzu kam die Frage des Materials für die Kollektoren, das den Muscheln genehm sein mußte. Und „in der Tat müssen die drei Forscher ihre längsten und schwierigsten Verhandlungen mit den Kammmuscheln führen,“ schreibt Callon. Im ersten Jahr ist das Experiment in der Bucht zwar nicht überwältigend in seinem Ergebnis, aber akzeptabel (obwohl die Fischer die Muscheln einmal heimlich abfischten), die drei Wissenschaftler beschließen, weiter zu machen. „Die Wiederholung des Experiments führt jedoch zu einer Katastrophe. Die Forscher werfen ihre Netze aus, aber die Kollektoren bleiben hoffnungslos leer.“ Kammmuscheln wie Fischer haben das Projekt „verraten“, d.h. nicht richtig mitgespielt.
Das war vor 40 Jahren. Noch immer gibt es Kammmuscheln in der Bucht von Brieuc, aber inzwischen sind die Fangquoten begrenzt: Von Oktober bis März dürfen die hartschaligen Weichtiere von den Fischern nur zwei Mal in der Woche jeweils 45 Minuten lang vom Meeresboden gesammelt werden; Muschelsammler bei Ebbe und Taucher ohne Atemgerät dürfen maximal 30 Muscheln einsammeln.
Die Haenyeo auf der südkoreanischen Insel Jeju-do gehören zu den wenigen übrig gebliebenen kommerziellen Muscheltaucherinnen. Man nennt sie dort „Meerfrauen“. Ihre Ausrüstung besteht seit den Siebzigerjahren aus einer Taucherbrille, Schwimmflossen, einem Neoprenanzug, einem Bleigurt, einer Harke zum Lösen der Meerestiere von Felsen, einem Netz zum Einsammeln des Fangs und einem Seil mit Boje, um ihren Standort zu markieren. Sie tauchen bis zu 20 Meter tief und können bis zu drei Minuten unter Wasser bleiben,“ heißt es in einer Reportage der „Welt“. Zwischendurch wärmen sie sich an Feuern, dass sie in windgeschützten Höhlen am Meer entzünden und essen Muscheln. „Meist hört man die Haenyeo schon, bevor man sie sieht. Denn beim Auftauchen stoßen sie den Sumbisori aus, einen lauten Pfeifton, der durch das Auspusten der Luft verursacht wird.“
Sie haben laut Wikipedia ein erweitertes Lungenvolumen und wie Wedellrobben nutzen sie die Milz als Sauerstoffreservoir. Beim Tauchen zieht sich das Organ zusammen, wodurch sauerstoffreiche rote Blutkörperchen in den Kreislauf gelangen und so einen längeren Tauchgang ermöglichen. Es gibt heute laut Auskunft ihrer Genossenschaft noch etwa 5000 Taucherinnen, ihr Altersdurchschnitt liegt bei weit über 50. Auch bei ihnen werden die Fangquoten inzwischen streng kontrolliert. Sie sammeln neben Muscheln, Schnecken, Seegurken und Seeigel auch noch Algen, die sie trocknen und verkaufen. Ihre Insel gilt als matriachalisch organisiert.
Anders als die Haenyeo tauchen die japanischen Muscheltaucherinnen, Ama, an einem Seil runter und hoch, bis zu 60 mal in der Stunde. Von den Ama wandern immer wieder welche als Arbeiterinnen in die Zuchtbetriebe für „Meeresfrüchte“ ab, zudem sind ihre Fanggründe überfischt und verschmutzt. In Korea und Japan wird die Algenart „Porphyra“ geerntet – und zu „Meeresgemüse“ verarbeitet, auch die im Westen beliebten „Sushi“ enthalten Algen. Aber nur die Japaner können sie auch verdauen, wie der Biologe Bernhard Kegel in seinem Buch über Mikroben – „Die Herrscher der Welt“ (2015) – schreibt. Denn nur sie, die fast täglich Algen essen, haben in ihrem Verdauungstrakt ein Bakterium namens „Bacteroides plebeius“, das ihnen die Enzyme zur Verfügung stellt, um die Kohlehydrate der Algen verdauen zu können, wobei dieses Bakterium die Enzyme nur produzieren kann, weil es vom algenfressenden Meeresbakterium „Zobellia gelactanivorans“ dazu „genetisch“ ausgestattet wurde. „Spannend ist die Frage, wann die Sushigene auch in amerikanischen und europäischen Därmen angekommen sein werden,“ meint Bernhard Kegel. Im Gegenzug fehlt den Japanern ein „Milchgen“ – zur Produktion des Enzyms Lactase, um Milch verdauen zu können. Ihre Lactoseintoleranz läßt jedoch nach.
Als wir Anfang der Sechzigerjahre als Schulpfadfinder an die Nordsee fuhren, gab es dort schon so gut wie keine (teuren) Austern mehr, aber noch massenhaft (billige) Miesmuscheln, die wir sammelten und in Salzwasser kochten. Inzwischen gibt es an der niedersächsischen Küste nur noch fünf Miesmuschel-Fischer (sie fingen 2004/05 noch rund 2670 Tonnen – im Wert von 2,5 Millionen Euro), aber die Miesmuscheln werden immer weniger, Umweltverbände fordern seit langem, ihren Fang einzustellen. Für den Nationalpark Wattenmeer gibt es einen „Miesmuschel-Managementplan“. Die Berliner Zeitung begleitete 2007 einen der Fischer auf die Muschelbänke: „Immer öfter findet Wolfgang Christoffers in seinem Netz dicke, klumpige Austern. ‚Ganze Miesmuschelbänke sind inzwischen von den Austern überwuchert‘, sagt er. Was Christoffers beobachtet, ist auch wissenschaftlich nachgewiesen: In der Nordsee breitet sich die Pazifische Auster massenhaft aus. Ursprünglich wurde sie in Aquakulturen in den Niederlanden und auf Sylt als Ersatz für die ausgerottete europäische Auster gezüchtet. Offenbar fühlten sich die asiatischen Schalentiere im [wärmer gewordenen] Wattenmeer der Nordsee wohler als gedacht. Die Larven büxten aus und schwammen mit der Strömung weiter. ‚1998 haben wir im Niedersächsischen Wattenmeer zwei Austern gefunden. 2003 waren es schon rund 60 000. Schätzungen zufolge gab es im vergangenen Jahr mehrere 100 Millionen Austern‘, sagt Achim Wehrmann vom Senckenberg-Institut in Wilhelmshaven, der die Ausbreitung untersucht.“ Zwar gilt die Pazifische Auster als Delikatesse, aber bisher darf sie noch nicht gefischt werden. Und da sie nicht nur an Steinen und Hafenmauern siedelt, sondern auch auf den Schalen von Miesmuscheln – wird sie zu deren Verhängnis. „Wenn das so weiter läuft, wird es für uns eng“, meint Miesmuschelfischer Christoffers.
Neben der Pazifischen Auster hat es auch ein winziger Mittelmeer-Krebs auf die Miesmuscheln abgesehen – aber mit anderen Absichten. Man nennt ihn Muschelwächter und er hat sich im Inneren von Steckmuscheln angesiedelt. Diese Mittelmeer-Muscheln (Pinnidae) sondern aus einer speziellen Drüse ein seidiges Geflecht ab, mit dem sie sich am Boden verankern. „Früher stellte man aus den feinen, seidenartigen sogenannten Byssusfäden, die die Muschel absondert, edle Kleidungsstücke oder sogar Bilder her. Dieses Handwerk beherrscht heute jedoch nur noch eine Frau in Sant’Antioco auf Sardinien,“ weiß Wikipedia.
In der Antike war diese Kunst und auch die Steckmuscheln weit verbreitet, weswegen sich u.a. Aristoteles mit der zu seiner Zeit gerühmten Symbiose zwischen der Steckmuschel und dem Muschelwächter beschäftigte. Der kleine Krebs hat Augen und wenn Eßbares zwischen die Schalen der Muschel geraten ist, zwickt er sie, die sich daraufhin schließt und beide machen sich dann über die Nahrung her, so nahm man an. Für den Erforscher der Mittelmeerfauna, den schottischen Biologen D’Arcy Thompson, bestand ihre Beziehung jedoch darin, dass der kleine Krebs der Muschel als „Türwächter“ dient, – sie also eher beschützt als mit ihr zusammen Nahrung einfängt. Thompson konnte sich dabei auf Cicero und Plutarch berufen, für die der „Wärter“ nicht innerhalb, sondern außerhalb der Muschel (Pina) angesiedelt ist: „vor dem Tor der Muschel sitzt und sie bewacht,“ wie Cicero schrieb, während Plutarch auf ihre Jagdkooperation abhob: Zusammen „packen und fressen sie, was ihnen in die Falle gegangen ist.“ Beiden Autoren geht es um eine erfolgreiche „Zusammenarbeit“ am Beispiel von Krebs und Muschel: Dabei muß man sich laut Cicero „verwundert fragen, ob sie durch eine Übereinkunft oder schon seit ihrem Entstehen von der Natur selbst aus zu dieser Verbindung gekommen sind.“ Für die Stoiker war das ein Problem, weil sie davon ausgingen, dass allein der Mensch über „Rationalität“ verfüge, was ihn von anderen Tieren scharf unterscheide. Den einen wie den anderen eigne jedoch so etwas wie „Selbsterhaltung“, „Selbstbefreundung“ – denn sie hätten ein „Bewußtsein“ ihrer angeborenen „Verfassung“. Das Kind, so erläutert Seneca, wisse zwar nicht, was körperliche Verfassung sei, aber es kenne die seine.
Der Schriftsteller Rudolf Kleinpaul blieb dagegen in seinem 1893 veröffentlichten Werk „Das Leben der Sprache und ihre Weltausstellung“ skeptisch: „Die Alten glaubten, diesmal aber irrigerweise, an ein Freundschaftsbündnis zwischen Krebs und Muschel…“ Ähnlich heißt es in „Meyers Konversationslexikon: „Im Altertum sprach man von dem sogen. Muschelwächter (Pinnotheres), einem Krebs, der seinen Wirt, die Pinna, vor Gefahren warnen, dafür aber in ihr wohnen sollte. Letzteres ist richtig, ersteres grundlos.“
Neuerdings ist der kleine Krebs auch für die hiesigen Fischer ein Thema – seit Mitarbeiter der Schutzstation Wattenmeer vor Sylt im Inneren einer Miesmuschel einen kleinen ‚Muschelwächter‘ entdeckten. Sie vermuteten, dass die Ursache seines Vordringens in den Norden entweder eine Folge der Meereserwärmung ist oder der Einfuhr von Miesmuscheln aus England, wo er früher jedoch auch so gut wie gar nicht vorkam. Muscheln aus Großbritannien werden trotz Protesten der Naturschützer seit 2006 im Wattenmeer ausgebracht. Und bei Sylt befinden sich Schleswig-Holsteins größte Zuchtflächen für Miesmuscheln. Die Miesmuschelfischer befürchten wegen des Muschelwächter-Fundes bereits eine weitere Verunreinigung ihrer Muschelbänke – und damit Absatzprobleme, denn es sei wenig verkaufsfördernd, wenn Krebse in der Muschel hausten. So wird dieser tatsächlich zum Wächter der Muscheln: „Er entwertet sie für die Vermarktung,“ erklärte der Biologe Rainer Borcherding von der Sylter Schutzstation. Das sei eine „Öko-Lüge“, erwiderte der Geschäftsführer der Firma Royal-Frysk: „Unsere Importe werden von der Fischereiabteilung des Amtes für Ländliche Räume überwacht.“ Den Muschelwächter gebe es überdies bereits seit 25 Jahren im Watt vor der Westküste, sagte er.
Das Internet ist schnell: Das dort zu findende Lexikon „arcor.de“ spricht von einer “Parabiose“ (statt von einer Symbiose) zwischen einer Miesmuschel [nicht mehr Steckmuschel] und dem Krebs: „Der Muschelwächter lebt in der Mantelhöhle einer Miesmuschel, wo er fast sein ganzes Leben verbringt. Er hat nur einen weichen Panzer und ist in der Muschel vor Feinden geschützt. Lediglich zur Paarungszeit verlässt der Muschelwächter die Miesmuschel, da er nur zu dieser Zeit einen festen Panzer besitzt. Er profitiert als Mitesser vom Nahrungs- und Atemstrom der Miesmuschel.“ Im Lexikon „wissen.de“ heißt es über den Muschelwächter – quasi definitiv: „bis 1,8 cm breite Krabbe aus der Gruppe der Pinnoteridae; lebt frei im Mantelraum verschiedener Muscheln. Zur Paarung verlassen die Tiere ihre Muschel. Danach sterben die Männchen, während die Weibchen wiederum eine Muschel aufsuchen.“ Die Art ihrer Beziehung zur Muschel bleibt dabei unerörtert.
Während die kleine Mittelmeer-Krabbe (nicht -Krebs!) die Nordsee-Miesmuscheln eventuell vor den Fischern schützt, kommt ihnen gegen die Austern ein anderes Tierchen zu Hilfe: „Vom südlichen Bereich der Nordsee wandert eine Schnecke mit dem Namen Rapana venosa die Küste herauf. Sie kann die Austernschale durchbohren und das Innere aussaugen“, sagt Meeresforscher Achim Wehrmann. Die Schnecke, die ursprünglich ebenfalls aus dem Pazifik stammt, könnte also der natürliche Feind werden, der die Auster an ihrer rasanten Ausbreitung hindert. Und die verbliebenen Miesmuschelbänke so auch vor der Überwucherung bewahrt.
In den europäischen Süßwasser-Gewässern lebt die Flussperlmuschel, sie ist vom Aussterben bedroht. Nicht zuletzt deswegen, weil ihre Frühform als Wirt die Bachforelle benötigt, in deren Kiemenbereich sie zehn Monate parasitisch lebt. Dort wächst sie zu einer Jungmuschel heran, die sich etwa im Mai auf den Gewässergrund fallen läßt und sich eingräbt. Erst nach etwa sieben Jahren, im ausgewachsenen Stadium und mit der inzwischen gebildeten harten Schale, kommt sie an die Oberfläche des Gewässergrundes, wo sie dann den Rest ihres Lebens weitgehend stationär verbringt. In der Strömung läßt sie, gerne in Kolonien, das Wasser durch ihre Kiemen fließen und filtert dabei Nahrungsteile heraus. Mit Glück und wenn man ihr genug Zeit läßt, sie kann bis zu 280 Jahre alt werden, produzieren manche eine Perle. In der Rhön, im Vogelberg und im Odenwald mit ihren vielen Flüßchen und Bächen, wo sie noch bis 2008 nachgewiesen wurde, kam bis etwa 1680 bei den „hohen Herren“ immer wieder eine gewerbsmäßig betriebene Perlfischerei ins Gespräch. In der Regionalgeschichte „Vogelsberg“ (1984) heißt es dazu: „Von 30 bis 40 Muscheln, die man öffnen ließ, waren fünf bis sechs dabei, die Körner enthielten, seltsamerweise dann immer gleich zehn bis zwölf; große runde Perlen waren allerdings nicht darunter, wenn sie mal etwas größer gerieten, dann waren sie ganz schlimm und schepp, ‚gleichsam wie in einem Pläßchen liegend‘. Überhaupt hätten die Perlen bald nach dem Herausnehmen immer gleich ihre schöne weiße Farbe verloren. Trotzdem wollte die Regierung zunächst die Perlfischerei ‚in die Heeg schlagen‘, also dieses Recht als besondere Gerechtsame wie Jagd, Fischerei und Ähnliches ausdrücklich beanspruchen und pekuniär auswerten. Jedoch der Kellereiverwalter riet ab: die Fischerei sei für zwölf Gulden verpachtet, die Pächter würden sich in ihren Fischereirechten benachteiligt fühlen, außerdem würde sich eine besondere Perlfischerei nicht lohnen. Am 1.Oktober 1680 wurde verfügt, dass die Pächter die Muscheln, die sie aufgelesen hätten, bei hoher Strafe [u.a. Abhacken der Hand] nicht veräußern dürften, sondern abliefern müßten.“
Auch die „Gemeine Flussmuschel“ lebt zunächst parasitisch im Kiemenbereich von Fischen – u.a. Elritzen, Groppen, Stichlinge, Döbel, Hasel und einige andere Fischarten. Als ihr nennenswerter Feind galt früher der Fischotter, heute kommen Bisam, Waschbär und Mink als eingeschleppte Säugetierarten hinzu. Am meisten setzte der Flussmuschel jedoch die Verunreinigung der Gewässer zu. In einigen Bächen, Kanälen und Flußabschnitten findet man sie aber noch. Der Leiter des Brandenburger Landesumweltamtes führt z.B. die gute Wasserqualität der Spree auf die Filtriertätigkeit von 30 Millionen Flußmuscheln zurück, die allein im Abschnitt zwischen Spreewald und Berlin leben.
Die in der Südsee lebenden Insulaner haben Weltumsegler wie Georg Forster und Adelbert von Chamisso als „Meervolk“ bezeichnet, weil sie oft und gerne ins Wasser gehen und ausgezeichnet schwimmen und tauchen können, wobei es Unterschiede zwischen Männern und Frauen gibt: Auf einigen Inseln fahren die ersteren geschmückt und bewaffnet mit Begrüßungsgeschenken in Booten raus, mit denen sie z.B. fremden Schiffen entgegen, während die Frauen nackt rausschwimmen. Nach Muschelperlen und Korallen tauchen beide Geschlechter. Zwischen Guam, Tahiti und Hawaii – Perlentaucher
in Korea anfänglich auch beide Geschlechter getaucht, aber irgendwann gab e nur noch taucherinnen, die Männer verdingten sich wahrscheinlich des besseren Verdienstes wegen auf Schiffen – und kamen von da an nur noch selten nach Hause auf die Insel, blieben mitunter auch ganz weg, irgendwann fingen jedenfalls die Frauen an, ihr Gemeinwesen selbst zu organisieren, die Väter ihrer Kinder nennen sie „Onkel“.
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Zur Erinnerung:
In den ehemaligen Kolonien der imperialistischen Länder wurden die einheimischen und importierten Menschen zur Arbeit gezwungen - versklavt. Es gab drakonische Strafen, wie Hand abhauen, für unerlaubtes Entfernen vom Arbeitsplatz, und die Pferdepeitsche ersetzte die Geschwindigkeit des Fließbands. Der spanische Bischof Bartolomé de las Casas gehörte zu den ersten Kritikern der spanischen Eroberungen Lateinamerikas und der Versklavung seiner Bevölkerung. In seinem "Kurzgefaßten Bericht von der Verwüstung der Westindischen Länder" 1542 schrieb er über die zum Perlentauchen Gezwungenen: "Fast alle können diese abscheuliche Lebensart nur wenige Tage ertragen. Denn es ist schlechterdings unmöglich, dass Menschen, die ohne Atem zu schöpfen unter Wasser arbeiten müssen, lange leben können. Ihr Körper wird unaufhörlich von Kälte durchdrungen, ihre Brust wird vom häufigen Zurückhalten des Atems zusammengepreßt, mithin bekommen sie Blutspeien und Durchfall und sterben daran. Ihr Haar, das von Natur schwarz ist, bekommt eine ganz andere Farbe und wird brandrot, wie das Fell der Meerwölfe. Auf ihrem Rücken schlägt Salpeter aus; kurz, sie sehen wie Ungeheuer in Menschengestalt aus, oder doch wenigstens wie Menschen von einer ganz anderen Art. Durch diese unerträgliche Arbeit und wahre Höllenqual richteten die Spanier die sämtlichen Bewohner dieser Insel hin." Im Nordwesten Australiens vernutzten die Weißen die Aborigines, die sie auf ihre Boote verschleppten und zum Tauchen nach Perlen zwangen. Die meisten starben nach zwei Jahren. Allein von der Perlenstadt Broome gingen Ende des 19. Jahrhunderts bis zu 3500 Taucher täglich auf Muschelsuche. Bis zum Ersten Weltkrieg kam 70% des auf den Weltmarkt kommenden Perlmutts von dort. Der Krieg brachte jedoch die Erfindung des Plastikknopfs mit sich und damit brach die Nachfrage nach Perlmutt zusammen. Diese verdankte sich wesentlich der europäischen Frauenkleider-Mode. Ähnlich wie die Paradiesvogel-Federn auf den Frauenhüten, eine Mode, die diese Vögel bis an den Rand der völligen Ausrottung brachte. In den niederländischen Kolonien, wo die Bedingungen für die einheimischen Perlentaucher ähnlich grausam waren, ging die Regierung in Batavia (heute Djakarta) schließlich dazu über, Japaner und Chinesen ins Land zu holen, die z.T. bereits mit Taucherausrüstung arbeiteten. Die natürlichen Reichtümer der Kolonien sind heute so gut wie ausgebeutet, die Restressourcen verteilt - wir befinden uns im sogenannten "Postkolonialismus". Die Industrieländer gehen nun daran, sich weltweit die Bodenschätze unter dem Meeresboden zu sichern. Jetzt sind es die Nachkommen der Sklaven, die auf der Suche nach Arbeit sind, und sei sie noch so entsetzlich. Dazu versuchen sie u.a., in die Industrieländer zu gelangen. Während diese mit immer dichteren Zäunen und Grenzpatrouillen - in Europa, Nordamerika, Australien und Neuseeland etwa - versuchen, möglichst viele fern zu halten. Die wenigen, die durchkommen, müssen Asyl beantragen - und dafür oft jahrelang in Ausländerheimen warten. Währenddessen ist es ihnen bei Strafe verboten, Arbeit anzunehmen, sie dürfen nicht einmal - wie einst ihre versklavten Vorfahren - für umsonst arbeiten. Selbst ihre Kinder dürfen erst zur Schule hier gehen, wenn die Familie eine "Aufenthaltsduldung" hat (im Saarland noch nicht einmal dann).
Ebenfalls zu den Weichtieren (Molusken) gehören die Schnecken. Bei kommerziellen Tauchern, aber auch Hobbytauchern ist die Tritonschnecke, die u.a. von Seesternen auf Korallenriffen lebt, begehrt. Man findet sie in allen Souvernirläden an der Küste – bis hin zu denen an der Nord- und Ostsee. Die mittelmeerischen Tritonschnecken sind inzwischen geschützt, aber nicht die auf den australischen und südseeischen Korallenriffen. Mit der Ausbreitung des Tauchsports haben sich unterdes auch die Schneckensammler enorm vermehrt (während es sich bei den unzähligen Muschelsammlern meist um Strandspaziergänger handelt. Das „floridasunmagazine“ bewirbt die Seeurlaubsorte Fort Myers und Sanibel mit den „Top-Strände für Muschelsammler“. An der britischen Küste ertranken 2004 18 Muschelsammler auf einer Sandbank, als die Flut kam. Die Muschel- und die Schneckensammler tauschen sich inzwischen auf Internetforen aus) .
Einer, der beide Weichtierarten sammelt, der Handelsschiffkapitan H.Voosen, veröffentlichte 1989 ein Buch „Als Muscheltaucher um die Welt“. Seine Frau und er fahren jedes Jahr mehrmals auf Tauchurlaub ans Mittelmeer, an den Westatlantik und den Pazifik, wo er nach Muscheln und vor allem Schnecken sammelt, die bei ihm zu Hause in Glasregale kommen. Er bezeichnet sich als „Amateurmalakologe“. Sein Buch ist etwas dünn: Ähnlich den „Bird-Watchern“ bezeichnet er sie nur mit ihrem deutschen und lateinischen Namen und beschreibt, wo und wie er sie fand. Darüberhinaus erfährt man nur noch, dass das Ehepaar ihre jeweiligen Tauchurlaube mit Hotel und allem Drum und Dran buchte.
Zu den in Korea und Japan nach Muscheln tauchenden „Meerfrauen“ sei noch hinzugefügt: Es gibt sie auch im Westen. Mit der zunehmenden Gleichberechtigung der Geschlechter werden sie jedoch immer unwirklicher. Noch im 18. Jahrhundert hatte der dänische Bischof Erik Potoppidan die Existenz von „Meermaiden“ bestätigt (sowie ausgeschmückt) und der dänische Anatom Caspar Bartholin diese Wassernixen zusammen mit den Menschen und Affen als „homo marinus“ klassifiziert. Schon die homerischen „Sirenen“ sollen Nixen gewesen sein, die nicht weit von der neapolitanischen Küste lebten. Als Goethe Neapel besuchte, wollte er ihnen nachspüren: „Und nun nach allem diesem und hundertfältigem Genuß locken mich die Sirenen jenseits des Meeres, und wenn der Wind gut ist, gehe ich mit diesem Brief zugleich ab – südwärts,“ schrieb er „leichtlebig“, kam dann jedoch nie wieder auf seine Sirenensuche zu sprechen.
Zu sehen gab es eine sogenannte „Sirenide“ einmal in der 1870 vom Biologen Anton Dohrn gegründeten Meeresforschungsstation in Neapel – und zwar in einem der dortigen Aquarien. Wie der faschistische Theoretiker Curzio Malaparte in seinem Buch „Haut“ (1950) berichtet, wurde dieser „Fisch“, wie fast alle anderen in Dohrns Aquarien auch, 1944 vom Oberkommando der amerikanischen Streitkräfte, die Neapel eingenommen hatten, getötet – um anschließend von ihnen verspeist zu werden. Malaparte will (wie nahezu überall) selbst bei diesem Sieger-„Gastmahl des Meeres“ mit dabei gewesen sein. Weil aber das „zur Gattung der Sirenoiden“ gehörende Meerestier („dessen Flanken in einem Fischschwanz endeten – genau wie von Ovid beschrieben“) einem kleinen toten Mädchen zum Verwechseln ähnlich sah, habe eine der anwesenden weiblichen US-Offiziere darauf bestanden, den „Fisch“ stattdessen ordnungsgemäß im Garten der Forschungsstätte zu bestatten. Es geht das Gerücht, dass er später wieder ausgegraben wurde und dass das Skelett sich heute im „Museo di Biologia Marina e Paleontologia“ von Reggio Calabria befindet (man kann es sich im Internet ansehen).
Für die Amerikaner sind die Sirenen das, was wir „Seekühe“ nennen: pflanzenfressende Meeressäugetiere, die es nur noch in tropischen Gewässern gibt. Es lebten früher auch noch welche in sibirischen Gewässern: Sie, die so genannten Stellerschen Seekühe, wurden jedoch, nur 27 Jahre nach ihrer Entdeckung, ihres Trans und schmackhaften Fleisches wegen, ausgerottet. Von den noch heute existierenden vier Arten, die mit Elefanten verwandt sind, leben einige in Flüssen und andere im Meer. Sie ernähren sich von Seegras und stillen ihr Junges mit Milch aus Brüsten, die sich wie bei den Menschen vorne auf der Brust befinden, zudem können sie es mit ihrer zwei Flossen Armen gleich umfassen.
Die ausgerotteten wie die noch lebenden Seekühe sehen allerdings weder wie die auf antiken Vasen dargestellten Sirenen aus, noch singen sie wie die von Homer geschilderten. Das gilt auch für die bis zu ein Meter langen Arten der Gattung „Siren“, die man auf Deutsch treffend „große Armmolche“ nennt, weil sie nur Vorderbeine haben, dazu Lungen und Kiemen. Sie gehören zur Familie der „Sirenidae“, leben an der Küste Floridas, ernähren sich von Kleingetier und Pflanzen und halten Sommerschlaf. Bei dem von Malaparte beschriebenen „Speisefisch“ aus der „Zoologischen Station“ von Neapel könnte es sich eventuell um eine solche „Schwanzlurche“ gehandelt haben, dann ist sie allerdings nicht mit dem Skelett im Museum von Reggio Calabria identisch. Zudem „singen“ Seekühe wie Armmolche zwar, und erstere nennen sich dabei angeblich sogar bei Namen, aber ihre Tonfolgen wirken auf Menschen nicht betörend, geschweige denn bezwingend. Am Rande sei hierzu erwähnt, dass Kafka gerade das Schweigen der Sirenen für eine „noch größere Waffe“ als ihren Gesang hielt.
Im neuen Medizinhistorischen Museum auf dem Charité-Gelände sind zwei in Alkohol konservierte kleine „Sirenen“ ausgestellt. Es handelt sich dabei um tote Säuglinge, d.h. um „menschliche Fehlbildungen“: Bei der einen – „Sirenoiden“ – fehlten „die Beinanlagen, der Harntrackt und die Geschlechtsorgane“ – der Körper ging stattdessen ab der Hüfte in eine Art Schwanz über. Der anderen – „Sirenomelie“ – fehlten „Beine, Geschlechtsorgane, Niere, Blase und Enddarm“. Beide waren mithin nicht lebensfähig, man ließ sie wohl gleich nach der Geburt sterben. Für ihre „sirenoiden Fehlbildungen“ machen die Kuratoren „übermässigen Alkoholgenuß der Mütter“ verantwortlich. Von den Sirenen alias Seekühe leben heute einige in einem großen Wasserbecken des Tierparks Friedrichsfelde. Sie kommen aus den Sümpfen Floridas und jeden Tag steigt ein Taucher zu ihnen herab, um sie zu liebkosen – d.h. mit ihnen zu kommunizieren, wie man heute sagt, damit sie sich trotz Gefangenschaft wohl fühlen. Und so sollte es ja eigentlich auch sein: dass der Mensch den Sirenen ins Wasser folgt – und nicht umgekehrt, weil das immer schief geht – wie man aus tausenden von literarischen Bearbeitungen des Nixen-Stoffes weiß. Ich erwähne nur Ingeborg Bachmanns Erzählung „Undine geht“ (1961). Auch hier kehrt die Meerjungfrau enttäuscht zurück: „unter Wasser“, wendet sich aber noch einmal, ein letztes Mal, an den Mann, an die Männer – „Ungeheuer“ und „Verräter“ allesamt. Gedacht ist dabei vielleicht an die unendlich vielen jungen Frauen, die von einem treulosen Schuft geschwängert wurden und keinen anderen Ausweg wußten, als sich im Mühlteich zu ertränken – von wo aus sie die Männer irgendwann als Seejungfrauen heimsuchten.
Die feministische englische Anthropologin Elaine Morgan wies 1982 (in: „The Aquatic Ape“) nach, dass die Frauen einst, nach Verlassen der Bäume, erstmalig Schutz vor ihren Feinden im Wasser gesucht hatten. Dort lernten sie den aufrechten Gang, die Schmackhaftigkeit der Meerestiere, bekamen eine glatte, unbehaarte Haut, veränderten sogar ihre weibliche Anatomie und wurden intelligent und verspielt. So wie im übrigen alle Säugetiere (und Vögel), die wieder zurück ins Wasser gingen: Delphine, Wale, Seekühe, Robben, Otter und Pinguine z.B.. Während die Menschenmänner dagegen quasi auf dem Trockenen hocken blieben – und dabei jede Menge Jäger-Idiotismen ausbildeten. Elaine Morgans feministische Studie endet jedoch versöhnlich: „Wir brauchen weiter nichts zu tun, als liebevoll die Arme auszubreiten und ihnen zu sagen“ (oder zu singen): „Kommt nur herein! Das Wasser ist herrlich!“
Für Odysseus war solches ein „verderblicher Gesang“ (er wollte unbedingt nach Haus zu seiner Familie), weswegen er seiner Mannschaft auf dem Schiff die Ohren verstopfte. Der Homerforscher Friedrich Kittler von der Humboldt-Universität wollte Genaueres über ihren Gesang wissen – und organisierte dazu eine Schiffexpedition als „empirische Philosophie“ in die Gewässer um Capri, der Insel der Sirenen. Kittler brachte von seiner Kreuzfahrt zwischen Neapel und Messina, an der sich u.a. auch der Leiter des Tierstimmenarchivs der Universität beteiligte, jede Menge Audio-Material mit. Auf seiner CD „Musen, Nymphen, Sirenen“ erstattete er darüber 2005 Bericht.
P.S.: Einen schönen Überblick über die ganzen Bearbeitungen des Nixen-Stoffes – von Paracelsus über die Romantiker bis zur amerikanischen Feministin Joanna Russ – bietet die Dissertation von Gerlinde Roth: „Hydropsie des Imaginären. Mythos Undine“, Pfaffenweiler 1996.
Neben dem berühmten Bild von Katsushika Hokusai „Kraken und Muscheltaucherin“ (1814) und vielen anderen Darstellungen von nackten Muscheltaucherinnen und lüsternen Kraken gibt es auch einen Photoband über japanische Muscheltaucherinnen
– von Yoshiyuki Iwase: „Bildnisse von Taucherinnen in Onjuku, Präfektur Chiba 1931-1964“ (Tokyo 2002).
Über die koreanischen Muscheltaucherinnen – Haenyeos – gibt es eine Vielzahl von wissenschaftlichen und journalistischen Veröffentlichungen – die meisten auf Koreanisch. Auf Youtube findet man aber fast 2000 Clips unter dem Stichwort „Haenyeo“, u.a. eine vierteilige Über- und Unterwasser-Dokumentation von Melissa Struben: „Haenjeo – Koreas Meerjungfrauen“.
Das Fischmagazin meldet:
Schleswig-Holsteins Muschelfischer dürfen zukünftig keine Saatmuscheln für ihre Miesmuschelbänke im nordfriesischen Wattenmeer importieren. Mit dieser Entscheidung reagierte das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Schleswig auf eine Klage des Naturschutzverbandes Schutzstation Wattenmeer, meldet die Umweltorganisation WWF. Hintergrund des OVG-Urteils ist der vor einigen Jahren begonnene Import von Besatzmuscheln insbesondere aus Großbritannien und Irland, um den fehlenden Miesmuschelnachwuchs vor der schleswig-holsteinischen Westküste auszugleichen. Umweltschützer befürchten, dass durch den Import auch fremde Arten, die an ihnen haften oder als Parasiten in ihnen leben, eingeführt werden. “Auch die eingeführten Miesmuscheln selber sind nicht identisch mit den wilden Miesmuscheln im Wattenmeer, sondern an andere Standorte angepasst”, schreibt der WWF. Die Importgenehmigung sei lediglich nach Fischereireicht erfolgt, ohne zu berücksichtigen, dass das Nationalparkgesetz das Aussetzen standortfremder Tiere verbiete. Peter Ewaldsen, Vorsitzender der schleswig-holsteinischen Erzeugergemeinschaft der Muschelfischer, befürchtet, dass bei Verzicht auf die Importsaat die Ernten schon in zwei Jahren ausfallen könnten. “Ohne Saat kann keine Ernte gemacht werden”, zitiert der NDR den Muschelfischer. Das Kieler Umweltministerium will das Urteil erst kommentieren, wenn die noch ausstehende Urteilsbegründung vorliege. (bm)
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Der NDR meldete:
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„Der Hummer ist rund um Helgoland selten geworden. Früher bevölkerten rund 1,5 Millionen Hummer den felsigen Sockel rund um die Hochseeinsel. Bis zu 100 Fischerfamilien lebten in den 30er-Jahren vom Fang der Krustentiere – der einen großen Teil der Bevölkerung Helgolands ernährte. Damals wurden jedes Jahr 80.000 Fänge gemeldet. Seit 1980 finden nur noch 300 bis 500 marktreife Hummer jährlich den Weg in die Fangkörbe.“
Während die Hummerforscher der Biologischen Anstalt Helgoland, die zur Bremerhavener Stiftung Alfred-Wegener-Institut und dem Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung gehört, ein Jahr lang 415 Hummer züchteten, die sie am Felssockel der Insel aussetzten, damit sich die dortige Hummerpopulation wieder erholt, deren „Ökosystem“ durch den „globalen Klimawandel durcheinander“ geriet, würde man an der Ostküste der USA stattdessen die Hummerpopulationen gerne künstlich reduzieren. Aus dem selben Grund – wegen der Klimaerwärmung nämlich – vermehren sich diese Edelkrebse dort wie noch nie: Jedes Jahr werden nun 10.000 Tonnen mehr gefangen, zudem werden die Tiere beunruhigenderweise immer farbiger. Laut den Behörden in der „Hummerhauptstadt“ Maine wurden 1990 knapp 13.000 Tonnen pro Jahr gefangen, 2012 jedoch bereits mehr als 57.000 Tonnen. Weil aber die Nachfrage nicht so schnell steigt wie das Angebot, fallen die Preise. Nach Angaben des Fischerverbandes in Massachusetts müssten die Einkäufer vier Dollar pro Pfund Hummer bezahlen, damit die Fischer keine Verluste schreiben. Tatsächlich würden aber nur etwas mehr als zwei Dollar bezahlt. Die Hummerfischer sind über ihre zunehmend üppigeren „Ernten“ alles andere als froh, denn das Überangebot macht mehr Arbeit und kostet mehr Benzin, gleichzeitig verdienen sie aber immer weniger. Jüngst kam es bereits zu einem heftigen Streit zwischen kanadischen und amerikanischen Hummerfischern, weil diese ihre Tiere in Kanada zu Dumpingpreisen verkauften. Nun setzen sie stattdessen ihre Hummer mehr und mehr in China ab, wo die neue Mittelschicht ganz wild auf den Edelkrebs ist.
Ähnliches gilt schon länger in Deutschland: Auf der „Prominenteninsel“ Sylt gibt es einen Imbißstand, an dem man ausschließlich Hummer und Sekt bekommt. Und in Bayreuth sind Bratwürste aus Hummerfleisch der Renner. In den USA ist dagegen die einstige Armen- und Gefängnis-Kost Hummer drauf und dran, erneut zu einer solchen zu werden. Dort geraten die Hummerfischer auch noch immer häufiger mit den Tierschutz-Organisationen aneinander, die das Zubereiten der Großkrebse – z.B. auf der weltgrößten „Hummerparty“ in Maine – als barbarisch kritisieren: Die Tiere werden lebend in riesige Behälter mit kochendem Wasser geworfen. Das rohe Massenvergnügen in der „Hummerhauptstadt“ wurde vom Schriftsteller David Foster Wallace kritisiert – und das ausgerechnet in einer amerikanischen Gourmet-Zeitschrift. Auf Deutsch erschien sein Essay „Am Beispiel des Hummers“ 2009. Argumentationshilfe lieferten ihm u.a. US-Krebsforscher, die feststellten, dass Hummer „Nozizeptoren“ besitzen und demzufolge auch Schmerzen empfinden. Die hiesigen Tierschützer fordern eine Gesetzesänderung: „Die derzeit gültige Verordnung über das Schlachten von Hummern stammt aus dem Jahr 1936, als über die Leidensfähigkeit der Krustentiere noch wenig bekannt war.“
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Zoopresseschau 7. Juni 2015
Tierpark Bochum 02.06.2015
Eine Flosse wäscht die andere! Tierpark Bochum freut sich über tatkräftige Unterstützung
Im Tierreich gibt es viele Beispiele für eine Wechselbeziehung zwischen zwei Tierarten, von der beide profitieren: So entfernt der Putzerlippfisch Parasiten vom Körper des Hais, während Putzergarnelen Speisereste aus den Zähnen ihrer „Kunden“ fischen. Eine Flosse wäscht die andere – Dieses Motto gilt auch für den Tierpark Bochum und seine Kooperationspartner!
Die große Erlebnisanlage „Nordseewelten“ und die zahlreichen Süß- und Salzwasserbecken im Aquarienhaus des Bochumer Tierparks zählen für viele Besucher und vor allem Tauchbegeisterte zu den Herzstücken des Zoos. Um nicht nur den Besuchern einen glasklaren Blick in die Tiefen der Becken zu gewähren, sondern auch die hohe Qualität des Wassers zu erhalten, müssen die Mitarbeiter des Tierparks regelmäßig zu den Tieren hinabtauchen. Bei den aufwändigen Reinigungsarbeiten, die oft mehrere Stunden in Anspruch nehmen und eine einwandfreie Ausrüstung erfordern, erhält der Tierpark tatkräftige Unterstützung!
Seit März 2013 tauchen die Mitglieder des Deutschen Unterwasserclubs Wattenscheid (DUC) regelmäßig in die Nordseewelten des Tierparks hinab, um das Becken der Seehunde und Humboldt-Pinguine zu reinigen. „Für uns sind die Tauchgänge im Tierpark jedes Mal ein Highlight und es ist schön zu wissen, dass wir den Tieren damit etwas Gutes tun können“, schwärmt der 1. Vorsitzende des DUC, Thomas Jechow.
Neben den Mitgliedern des DUC zählt auch das Dortmunder Fachgeschäft Tauchsport Schneider seit bald mehr als fünf Jahren zu den treuen Kooperationspartnern des Tierparks. „Wir versorgen den Tierpark beispielsweise mit kostenlos wiederaufgefüllten Pressluftflaschen“, erklärt Geschäftsführerin Birgit Schneider und ergänzt: „Außerdem bieten wir den Mitarbeitern technische Schulungen für einfache Revisionen der Tauchausrüstung an und übernehmen notwendige Reparaturen.“ Das Tierpark-Team um Zoodirektor Ralf Slabik ist sehr glücklich und dankbar, dass es im Laufe der Zeit ein so starkes und gut funktionierendes Netzwerk aufbauen konnte und hofft auf viele weitere Jahre erfolgreicher Zusammenarbeit!
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Stellenanzeige:
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Im Zoo Duisburg ist zum 1. Oktober 2015 die Stelle des Revierleiters / der Revierleiterin Aquarium zu besetzen.
Tätigkeitsprofil
• Tierpflegerische Leitung des Aquariumreviers
• Pflege und Fütterung des vielseitigen Bestandes an Meer- und Süßwasserfischen sowie an Säugetieren, Vögeln, Reptilien, Amphibien und Wirbellosen im Aquariumbereich und in der Tropenhalle Rio Negro
• Durchführung aller anfallenden Pflege- und Instandhaltungsarbeiten im gesamten Revier
• Verantwortung für die Aquariengestaltung und Einrichtung aller Anlagen und Gehege
• Betreuung aller technischen Anlagen im Revier
• Nach- und Aufzucht von Fischen und anderen Tieren
• Mitwirkung im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit (Führungen, Keeper-Talks, Kindergeburtstage, Besucherinformation)
• Wochenend- und Spätdienst
Anforderungsprofil
• abgeschlossene Ausbildung zum Zootierpfleger/zur Zootierpflegerin
• mehrjährige Erfahrung in der Aquaristik mit fundiertem tierpflegerischem und technischem Fachwissen, insbesondere in den Bereichen Süß- und Meerwasseraquaristik und Filtertechnik
• grundlegendes technisches Verständnis
• Verantwortungsbewusstsein und Zuverlässigkeit
• Kooperations- und Teamfähigkeit
• überdurchschnittliches Engagement
• Eigenverantwortlichkeit
• Dienstleistungsorientierung
• Kontaktfreudigkeit gegenüber den Besuchern
Die Vergütung richtet sich nach TVöD. Es besteht ein Interesse an Bewerbungen von Frauen mit den genannten Qualifikationen.
Bewerbungen erbeten bis zum 12.06.2015 an Zoo Duisburg AG, Mülheimer Straße 273, 47058 Duisburg.