von 23.12.2010

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Liebe Leserinnen und Leser,

wer sagt eigentlich, dass man zum Jahresende Bilanz ziehen muss? Ich wage einen persönlichen Rückblick und bekenne: Ich habe mich geirrt! Ich war eine Genossenschaftsgegnerin! Wie die Zeiten sich ändern. Mittlerweile betrachte ich die wachsende taz-Familie mit ihren über LeserInnen und 10.315 Genossenschaftsmitgliedern als einen leuchtenden Weihnachtsbaum im dunklen Medienwald.

Als die taz nach dem Fall der Mauer und dem Wegfall der Berlinzulage Anfang der 90er Jahre vor der Pleite stand, sehnte ich gemeinsam mit vielen KorrespondentInnen und KollegInnen einen finanzstarken Verlag herbei. Endlich Arbeitsbedingungen wie beim Stern oder beim Spiegel, dann würde die taz zur großen Hauptstadtzeitung aufsteigen – das war der kühne Traum. Im Nachhinein bin ich dankbar, dass sich dieser Traum nicht erfüllt hat.

Die taz ist nicht zur großen Hauptstadtzeitung aufgestiegen, und das ist gut so. Statt auf Berlin zu starren, hat sie sich nach der Wiedervereinigung zum nationalen Sprachrohr für alternative Politik aufgeschwungen. Immer wieder durchkreuzt sie mit ihrer Berichterstattung den journalistischen Mainstream, sie verweigert Entscheidungsträgern Respekt, bietet Weltverbesserern ein Forum und beteiligt sich lustvoll an der Demontage verkrusteter Hierarchien und scheinbar unumstößlicher Gewissheiten.

Sie, liebe Leserinnen und Leser, haben den Wert dieser journalistischen Unabhängigkeit schon früh erkannt. Sie haben die taz durch ihre diversen Krisen und Rettungskampagnen begleitet. Sie haben durch Ihre Treue nicht nur die Zeitung, sondern auch die Idee der publizistischen Freiheit am Leben erhalten. Sie haben im dunklen Wald der medialen Monokultur ein Zeichen für Vielfalt gesetzt.

Viele von Ihnen haben sich zudem auf das Experiment der Genossenschaft eingelassen. Sie haben das finanzielle Fundament für ein alternatives Projekt gelegt, das in der Branche überlebensfähig ist, auch wenn Lesegewohnheiten sich ändern und Anzeigenerlöse sinken. Sie haben an zukunftsweisenden Innovationen wie der 2009 eingeführten sonntaz und der Gründung der taz Panter Stiftung mitgewirkt. Spätestens seit dem Ausbruch der Finanzkrise hat sich das Modell der Genossenschaft als erfolgreicher erwiesen als die Sparprogramme der angeblich finanzstarken Verlage.

Für Ihre Treue als LeserIn, AbonnentIn und als GenossIn bin ich Ihnen sehr dankbar. Durch Ihre Unterstützung ist die taz zu einem bedeutsamen Mikrokosmos herangewachsen, der mit seinem journalistischen Überschwang die Republik und sich selbst in Atem hält. Hauchen Sie diesem Mikrokosmos weiterhin Ihren Atem ein und sorgen Sie dafür, dass die taz-Familie wächst und gedeiht. Wir brauchen leuchtende Weihnachtsbäume im ausgedünnten Medienforst. Wir brauchen die taz!

Astrid Prange de Oliveira ist Mitglied des Aufsichtsrats der taz-Genossenschaft

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