vonSchröder & Kalender 04.08.2011

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Der Bär flattert in nordöstlicher Richtung.

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Freitag, den 29. Juli

Spaziergang im Regen, wenig Leute waren unterwegs. Danach schrieben wir die Vitrinentexte für die Raubdruckausstellung in der Universitätsbibliothek Düsseldorf, die Irmtraud und Albrecht Götz von Olenhusen mit einer Projektgruppe vorbereiten. In unserem Beitrag geht es um literarische Mystifikationen und Selbstnachdruck zur Überlistung von Verbreitungsverboten und Zensur.

Abends sanken wir in unsere Sofaecken, tranken Rotwein und lasen alte und neue Zeitungen und Magazine, blätterten in ›Stilkunde. Frisurenkunde. Berufsgeschichte‹ von Heinz Möller und Walter Domnick. Das Anfangskapitel beginnt so: »Während im nördlichen Europa die Jäger der Steinzeit die Wälder durchstreiften, entstanden am Nil und im Siedlungsraum zwischen Euphrat und Tigris, dem Zwischenstromland Mesopotamien, vom 4. Jahrtausend v. Chr. an eine der großen Kulturen der Menschheit. Eines der ältesten Kulturvölker waren die Ägypter …«

Wir erfuhren in der Übersicht über die Frisuren der Frauen: »Eigenhaar oder Perücke, in der Frühzeit als Pagenkopf geschnitten, später langes Haar, Mittelscheitel, erhitzte Tonwickel, viele Einzelflechten oder dünne, gekrauste ›Hängelocken‹, Stirnbarn mit Lotosblumen; Kopftuch als Sonnenschutz. Haarfarbe blauschwarz, später auch Hennafärbung.« Und die Männer: »Kurzes Kopfhaar oder kahlgeschoren, trugen Perücken wie die Frauen, aber ohne Schmuck; Leder- oder Filzkappen; glattrasiert, gelegentlich umgehängter Kinnbart als Zeichen königlicher Würde, wurde z. T. auch von hochgestellten Frauen getragen. Weitere Zeichen königlicher Würde: Uräusschlange und Zepter.

Wir beschließen morgen mal nicht zu arbeiten und, wenn es immer noch regnet, ins Ägyptische Museum zu gehen.

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Samstag, den 30. Juli

Regen und kein Ende. Barbara hatte Geburtstag, sie wurde 53. Nach dem Frühstück fuhren wir mit der U-Bahn nach Charlottenburg, gingen die Schloßstraße hoch, fanden aber das Ägyptische Museum nicht. Heute ist dort das Museum Berggruen.

Nach einer Weile fiel uns ein, dass wir zur Museumsinsel müssen und zwar zum Neuen Museum. Dort wurden das Ägyptische Museum, die Papyrussammlung und das Museum für Vor- und Frühgeschichte mit Objekten der Antikensammlung zusammengefasst. David Chipperfield hat das Museumsgebäude neu gestaltet – eindrucksvoll, sehr schön.


Blick ins Untergeschoss: »Ägyptischer Hof · Reise ins Jenseits‹
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Im Erdgeschoss beginnt der Rundgang, die Geschichte Altägyptens wird anhand von Skulpuren aus allen Epochen dargestellt. Aber zurück zum Friseurbuch von gestern Abend: Hier im Museum erfährt man, wie wichtig in Ägypten das Friseurshandwerk war: »Die Dekorationen wurden bei der Opferkammer des Manofers, des ›Oberhaarmachers des Königs‹, nicht vollendet. Sie geben daher einen Einblick in die einzelnen Stadien des Werkprozesses. Der Oberhaarmacher bekleidete einen Rang wie heute ein Minister. Vielleicht hat die Kanzlerin Merkel noch einen Staatsministerposten frei für Udo Walz.

C. R. Lepsius, der Begründer des Ägyptischen Museums in Berlin schrieb in sein Tagebuch, nachdem er die  Opferkammer des Merib freigelegt hatte: »Der Verstorbene trägt den Titel ›leiblicher Sohn des Königs‹. Lepsius glaubte, die Grabanlage eines Prinzen gefunden zu haben, und beschloss die Kammer nach Berlin zu bringen, da er sie als wichtiges Dokument für seine Forschungen an den Königslisten ansah. Merib war aber kein Sohn des Pharao, sondern »Leiter der Truppen und Verwalter der Königsstiftungen«, der »leibliche Sohn« war lediglich ein Ehrentitel.

Zwiespältige Empfindung: Freude, diese Schätze sehen zu können, und Empörung über die kolonialistischen Kunsträuber im Gewand von Wissenschaftlern, die dem Land die Artefakte ihrer Tradition geraubt haben.


Schreiberfigur

Der im Schneidersitz am Boden Hockende, der auf seinem Schurz eine Papyrusrolle entfaltet hat, ist der Schriftgelehrte. Er gehört zur Elite der altägyptischen Gesellschaft. Historische Persönlichkeiten, die sich durch kulturelle Leistungen als Dichter, Architekten und Künstler einen Namen gemacht haben, werden in ihren Schreiberstatuen, die an Tempeltoren öffentlich aufgestellt werden, noch nach Jahrhunderten verehrt. Sie sind im öffentlichen Bewusstsein die Repräsentaten der Geschichte Ägyptens.

Während die Typen der Stand-Schreitfigur und der Sitzfigur die irdische Existenz des Menschen ins Ewige überhöhen, verweist die Schreiberfigur auf die historisch einmalige Lebensgeschichte und ist damit ein Bekenntnis zum  Individuum. Dem entspricht auch die Darstellung der Zeichen des Alters in den Fettwülsten des Oberkörpers – ein klarer Gegensatz zum sonst gültigen Ideal der Alterslosigkeit.


Schreiberfigur mit Fettwülsten vor dem Gott Thot in Gestalt eines Pavians
Neues Reich, 18. / 19. Dynastie, um 1450 – 1280 v. Chr.
Steatit, dunkler Stein und Serpentin, Holz.

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Im ersten Obergeschoss ist für die zur Sonnenkönigin vergotteten Nofretete ein eigener Raum reserviert. Wir wundern uns, dass Jeff Koons es bisher versäumt hat, von der Büste eine Monumentalskulptur abzunehmen. Nach dem Motto: »Das Schöne ist keine Sache des Geschmacks, denn das Schöne ist allen Wandlungen des Geschmacks entzogen.« (Eberhard Fiebig)

Dem Nofretete-Kabinett folgen ausgewählte Texte und Werke der altägyptischen bis spätantiken Schriftkultur in der ›Bibliothek der Antike‹. Hier kann man die Übersetzung des Streitgespräches eines Lebensmüden mit dem Totengott nachlesen oder dem Gespräch eines redseligen Bauern folgen – O-Ton-Literatur vor 3.000 Jahren. Die auf einer Keramikscherbe festgehaltene Quittung für eine Bierlieferung brachte uns zurück zur wahren Empfindung. Wir eilten ins Café und zischten ein Bier gegen den Museumsstaub.

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Sonntag, den 31. Juli

Die ›Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung‹ bringt Volker Weidermanns Text: »Im offenen Wahnsystem. Jörg Schröder und Barbara Kalender erzählen die Geschichte des März-Verlages und ihr Leben‹. Eine schöne Belohnung für eine langwierige Arbeit am Manuskript.

(BK / JS)

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