Der Bär flattert in nördlicher Richtung.
Am Samstag besuchten uns Heike und Peter Oeltze von Lobenthal, alte Freunde, die wir seit unserer Vogelsbergzeit kennen, also jetzt 26 Jahre. Sie brachten aus ihrem Garten in Caputh Blumen, Himbeeren, Erdbeeren, Tomaten und einen Kürbis mit. Wir tranken einen Absinth, Povl erzählte von seiner Moskau-Reise. Er war fasziniert von der Stadt und schockiert von den dortigen Preisen. Kurz vor acht fuhren wir ins Gnadenbrot. Wolfgang Müller (Die tödliche Doris) sprach und speiste mit Stefán Júlíusson, einem Hochseefischer aus Island.
Wir gehen gern zu Müllers Tischgesprächen ins Gnadenbrot. Das ist immer amüsant und das Essen gut, aber nicht teuer. Der andere Stefan, der Koch, bereitet regionale Spezialitäten zu, passend zur Herkunft des Interviewpartners, dieses Mal eben isländische Gerichte. Wir nahmen Kürbisgnocci mit Steinpilzen, Heilbutt und geräuchertes, isländisches Lamm. Auf den Tischen standen Schalen mit getrockneten Algen, die die Isländer knabbern, sowie Trockenfisch, den man mit etwas Butter ißt. Wolfgang Müller sprach mit Stefán Júlíusson über dessen Arbeit als Hochseefischer im Atlantik, dazu wurden Fotos an die Wand projiziert. Müller mußte dem Fisherman jedes Wort aus der Nase ziehen.
Jetzt kam der taz-Hilfshausmeister Helmut Höge herein, neuerdings auch Islandfahrer, und als Bremer Fischkopp schon immer an der Fischerei interessiert. Er setzte sich zu uns an den Tisch und bestellte als erstes eine Nachspeise. Er ist der Alte geblieben! Nach seinen Besuchen bei uns im Vogelsberg war immer der Würfelzucker aus, so sehr süßte er den Tee. Dann holte er Kugelschreiber und Brille heraus, auf dem Tisch lagen auch Heikes und Jörgs Brille. »Wir müssen aufpassen, daß wir die Brillen nicht vertauschen«, meinte Helmut ernsthaft, »das wäre schrecklich! Dann könnten wir alle nicht mehr lesen.« Er war Anfang der Achtziger im Vogelsberg mit Heike zusammen gewesen, sie hatten sich ewig nicht gesehen. Nun redeten die beiden den ganzen Abend über alte Zeiten und ließen die isländischen Fischer Fischer sein. Alina, Helmuts neue Freundin, kam später dazu. Gegen eins verließen wir angeheitert das Lokal. Es war wie immer, wenn Elfen-Müller einlädt, ein schöner Abend.
Zu Hause tranken wir noch einen Absinth und bewunderten im Mac die Fotos, die wir während des Abends gemacht hatten. Von den 40 Bildern waren 30 gut, sechs sogar außergewöhnlich schön – regelrechte Starfotos! Am nächsten Morgen wachte ich auf, da fiel mir siedend heiß ein, daß ich die Fotos nicht im PC gespeichert, aber in der Kamera schon gelöscht hatte. Alle Fotos verloren! Es war wohl doch ein Glas Absinth zu viel.
(BK)
Heute abend: Dienstag, den 12. September, 19.00 Uhr
Gehörlosenzentrum, Friedrichstraße 12, 10969 Berlin
Edition Kröthenhayn präsentiert: Ein Abend mit Wolfgang Müller. Vorstellung der DVD. Deaf Music. Die Tödliche Doris in gebärdensprachlicher Gestaltung. Gebärdensprachdolmetscher: Gunnar Lehmann & Jana Steinkraus