Die Dicke kommt vom Wagen. Sie trottet dem Schlachter hinterher. Sie war die Stärkste und deshalb die Erste in der Fressfolge. Die Erfahrung, immer ohne Anstrengung seine Bedürfnisse befriedigen zu können, macht nicht nur gutmütig sondern auch arglos. Die Dicke steht vor dem Schlachter und schaut auf seine Füße. Sie hat sich von Thomas immer bereitwillig kraulen lassen. Als der Mann vor ihr sich herabbeugt und zwischen ihre Ohren fasst, lässt sie das geschehen, und auch die Berührung des Stabes auf der Kopfhaut schreckt sie nicht. Ein Ruck durchfährt sie. Ein Schnaufen, ein Schweineseufzer, eine kleine Nebelwolke: die letzte Füllung der Lungen, die im Fallen ausgestoßen wird. H. zieht das Tier zur Wand. Der Doppelstich mit dem langen Schlachtermesser eröffnet eine Klappe in der Schlagader. Das leuchtende Blut strömt. H. pumpt mit dem oben liegenden Vorderlauf. Die Haut am Bauch mit den kleinen Warzen darauf sieht so rosig, so lebendig aus. Ich lege meine Hand auf die Lende. Sie ist warm und elastisch. Im Inneren spüre ich das Beben, das rauschende Abfließen des Lebens. Als die Beine gebrochen werden, wende ich mich ab.
… Die Reste der Gazelle wurden am anderen Morgen in einem Jutesack verstaut; es ist einer von den Säcken, in die Sand gefüllt wird, um mit ihnen Dämme für Dorfteiche zu bauen. Die tote Gazelle liegt hinter uns im Kofferraum, als wir aufbrechen. Am Mittag trifft Salge eine Antilope. Sie ist sofort tot. Tod, Schlaf, Lähmung – ich kann es nicht unterscheiden. Das Tier liegt auf dem Boden, und es ist an uns zu handeln. Ich esse Fleisch und deshalb habe ich nicht das Recht, den Akt des Tötens aus meinem Bewusstsein auszublenden. Ich lasse mir das Jagdmesser geben, um das Tier aufzuschneiden. Aber als ich die Klinge auf dem Fell aufsetze, bringe ich es nicht über mich, die nachgebende Haut zu durchstoßen. Resigniert gebe ich den Versuch auf. Die Jäger haben es nicht anders erwartet; sie öffnen das Tier, entfernen die Innereien und schneiden einzelne Fleischteile heraus. Das Fleisch zu berühren, macht mir keine Schwierigkeiten. Es ist warm und zuckt unter den letzten Muskelreflexen. Aber das sind keine Lebensäußerungen sondern mechanische Impulse.
Tanja will das Schlachten nicht mit Ansehen. Sie bleibt im Wagen sitzen und liest eine alte Spiegel-Ausgabe.
Das zurückgestaute Jagdfieber hinterlässt eine vagabundierende Aggressivität, einen Drang nach Körpersensation. Ich beginne mich für die helle Haut von Leo Salge zu interessieren, fange den kühlen Blick aus den blauen Augen auf, spüre die Härchen auf meiner eigenen Haut. Martin hat seinen Mund zu einem Strich verschlossen. Er sieht aus dem Fenster. Tanja blättert im Spiegel vor und zurück. Es herrscht ein Klima des richtungslosen Vorwurfs und der stummen Entschuldigungen zwischen uns.
Die Jagdlust bricht wieder durch, als in der Ferne eine kleine Gruppe stattlicher Tiere zu sehen ist. Elens – größer als Hirsche, mit prächtigem Gehörn aus zwei geraden in sich gedrehten Hörnern. Salge hätte gerne die Trophäe. Oder war es Martin? Er wusste jedenfalls, dass man den Kopf 14 Tage im Garten eingraben muss; dann haben die Termiten und Würmer ihn vom Fleisch gereinigt. Salge und Martin pirschen sich gegen den Wind an die Gruppe heran. Der Schuss kracht; eines der Tiere geht in die Knie und fällt entsetzlich langsam auf den Boden. Das Tier ist erlegt; aber der Landrover ist zu klein, um es wegzutransportieren. Hatte vorher niemand daran gedacht oder war die Transportfrage aus Gier nach dem Gehörn weggedrängt worden? Martin und Salge umrunden den Koloss. Sie haben sich entschieden, die besten Teile herauszuschneiden und den Kopf abzutrennen. Aber sie haben kein geeignetes Werkzeug dafür. Man brauchte ein Beil oder eine Säge; mit seinem Jagdmesser kommt Salge nicht weiter. Der Kopf, am Schlund durchtrennt, hängt hartnäckig an der Wirbelsäule fest.
Wieder drückt die Zeit, die Sonne sinkt. Letzten Endes musste das Tier wegen seiner Hörner sterben, also kann man den Kopf jetzt nicht zurücklassen. Aber wenn man noch länger damit beschäftigt ist, ihn vom Körper zu trennen, bricht die kalte Steppennacht herein, ohne, dass wir ein Lager aufbauen konnten. Ich weiß nicht mehr, wie sie es geschafft haben; in mir breitet sich heillose Verzweiflung über meine Hilflosigkeit angesichts der Leichenfledderei aus. Ich habe versprochen, mich nicht zu beschweren, und ich werde es auch nicht tun. Der Kopf wird behelfsmäßig in das Reserverad auf der Kühlerhaube gelegt und glotzt, bei jeder Erschütterung gegen das Gummi nickend, auf die Steppe, deren Anblick bis vor wenigen Stunden die Bewegungen eines mächtigen, nun zurückgelassenen Körpers gesteuert hatte.
Während die anderen Feuer machen, zerhacke ich mit Wut-getriebenen Panga-Schlägen frische Kokosnüsse; die weiße Milch fließt sinnlos auf die Grasnarbe. Wir bereiten uns auf die Nacht vor. Zwei schlafen im Zelt, zwei im Auto. Ich will weder ins Zelt noch ins Auto, ich möchte am liebsten weg sein. Ich breite meine Schlafmatte in der Nähe des Feuers aus; auf der anderen Seite liegt der Kopf des Elens. Das Feuer soll die Hyänen abhalten, die wir tagsüber nicht weit von hier gesehen hatten. In der gestochenen Schwärze des Horizonts funkelt das Kreuz des Südens.
Sehr viele Kinder hier. Immer der Unsinn Schweine hätten die gleichen Rechte wie Menschen. Die Art, wie mit Schnitzeln Geld verdient wird und die unsaubere Art mit Tieren und Fleisch umzugehen sind schon ein Grund von Fleisch die Finger zu lassen. NICHT aber der Quatsch – wir sind so grausam zu den Tieren, weil wir sie töten um sie zu essen, und Tiere würden das umgekehrt nie machen.
Wenn Wölfe und Bären sich Wildschweine holen – da gehts zur Sache, nix mit politisch korrekt und gaaaanz liiiieb.
Man sollte auf Antibiotika verzichten, beim Schlachten erst betäuben, dann ist nichts dagegen einzuwenden.
Ich habe immer wieder das Gefühl, Veggies gönnen einem nix, und Fleisch erst recht nicht, weil ja davon die Welt untergeht.
In meinem Kühlschrank liegt noch ein Schnitzel….. mmmm