vonImma Luise Harms 28.02.2023

Land Weg

Das Land ist Ressource und Erweiterungsgebiet für die Stadt, aber auch ihre bestimmte Negation. Grund zum Beobachten, Experimentieren und Nachdenken.

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Kalt und sonnig heute, soll auch noch so bleiben. Wenn die Sonne eine Zeit lang in den Garten geschienen hat, kann man sich schon draußen aufhalten. Zwei Stunden habe ich im Bett gelegen und die neuesten Debatten über die Wagenknecht/Schwarzer-Kundgebung gelesen, immer neue Aufregungs-Wellen bei den Waffenlieferungs-BefürworterInnen, die ich in ihrer Kontaktschuld-Argumentation (Rechte wurden gesichtet!) ätzend finde, auf der anderen Seite Lobreden auf Wagenknecht, die ich ziemlich unkritisch finde. Gestern abend war Wagenknecht zusammen mit Prechtl, Strack-Zimmermann, Göring-Eckhard und noch jemandem in “hart aber fair” zu sehen. Na, fair war das nicht, die Wagenknecht als Watschenfrau da hinzusetzen und ihr dann von allen Seiten an die Gurgel zu springen. Die Aufregung geht immer weiter; ich mische immer mal wieder ein Stück mit, dann lasse ich mich wieder erschöpft und auch ratlos zurückfallen, weil ein differenziertes Argumentieren anscheinend nicht möglich ist; ich hab das ja schon beklagt und zu analysieren versucht.

Um 10 ist es draußen schon ein bisschen Sonnen-wärmer geworden. Die Büsche rund ums Haus sind inzwischen 4 Meter; das sind keine Büsche mehr, sondern Bäume, die uns vor der Nase rumwedeln und das Licht schlucken. Das muss runter. Nachbar J. ist gerade verreist, also müssen wir jetzt nicht darüber diskutieren, was von der Grenzbepflanzung von uns, was von ihm zu verantworten und zu entfernen ist. Außerdem ist es der letzte Tag im Februar; ab März darf man offiziell sowieso keine Gehölze mehr schneiden, wegen früh brütender Vögel.

Gestern habe ich schon die Kettensäge klargemacht, außerdem bei Hornbach eine  zusätzliche Akku-Handsäge gekauft. Dann gibt es noch eine Teleskop-Kettensäge für die sogenannte Hochentastung. Die ist von Aldi und ein ziemlicher Murks. Mit der Leiter hoch ist besser. Gut ist dagegen die Teleskop-Astschere, so ein drei Meter langes Ding, wo man unten ziehen kann, und oben macht es “schnapp”. Ne reguläre Astschere und Rosenschere haben wir natürlich auch. Wir sind gartenmäßig ziemlich hochgerüstet.

Warum muss ich schon wieder an den Krieg in der Ukraine denken und an neue Waffenlieferungen? Gute, präzise, verlässliche Waffen helfen die gegnerische Aggression in Schach zu halten. Ich staune, wie leicht sich der Unterarm-dicke Seitenast vom Hauptast trennen lässt. Ab ist er! Aber wenn ichs recht betrachte, könnte der Hauptast auch noch ab. Und der daneben eigentlich auch! Die neue Triebe, die schon aus der Wurzel hochzüngeln, werden auch mal Äste, die in den Himmel wachsen wollen, gleich ab damit. Dafür reicht aber die Rosenschere.

Mein Mitbewohner turnt mit der Elektro-Kettensäge auf der großen Leiter herum. Der Haselstrauch muss gekürzt werden, und zwar so, dass das nachher ganz organisch aussieht. Aber dafür gibts kein wirkliches Konzept. Ausdünnen, jeden zweiten Stamm rausnehmen bringt nichts; dadurch wirds zwar luftiger, aber das verdunkelnde Blattgewedel in der Höhe wird nicht wesentlich weniger. Faconschnitt, also auf 2 Meter Höhe einfach alles kappen, ist ästhetisch nicht vertretbar; da bilden sich dann im nächsten Jahr auch lauter Knubbel, aus denen jeweils zwei oder drei neue Triebe rauswachsen, ne zweite Etage sozusagen. Glatze, also alles unten abschneiden, ist zu brutal und schafft Löcher in der dezenten Sichtbegrenzung zum Nachbarn. Längerfristig ist das wohl das Beste, weil die Spösslinge von dort schön gerade wieder hochwachsen, aber wer sucht schon nach längerfristigen Lösungen? Jetzt soll das gut aussehen, und zwar so, als wäre gar nicht eingegriffen worden! Wir entscheiden uns für den Stufenschnitt: Alle dicken, hochgewachsenen Äste werden an unterschiedlicher Stelle gekappt, sodass die zu erwartenden Knubbel sich in der Vertikale verteilen.

Nachbar S. kommt des Weges und guckt argwöhnisch. Bilden wir uns vielleicht nur ein. Vielleicht guckt er auch nur, ob unter den Haselstrauch-Ästen schön gewachsene für seine Kletterbohnen dabei sind. Die behalten wir aber erstmal. Wir hben auch Kletterbohnen. Nur die mit den Blütentroddeln dran werden den Schafen gebracht, weil sie die gerne abknabbern. Der Rest an Zweigen und kleinere Ästen soll in den Schredder, der aber zur Zeit noch bei Nachbarin O. ist. Also erstmal auf einen Haufen.

Mittagspause mit Fischbrot und Ei. Das selbstgebackene Brot ist etwas kompakt geworden. Ob der Livito-Madre-Sauerteig Ermüdungserscheinungen hat? Müssen wir mal Ersatz besorgen. Kurz noch einen Blick in die Emails. Neue Stellungnahmen aus dem Lesekreis ploppen auf. Wieder neue Verlinkungen von weiteren Einschätzungen zur Wagenknecht-Schwarzer-Initiative. Ich kanns nicht lassen und zieh mir die Reaktionen auf die “hart aber fair” Sendung von gestern ran. Wie zu erwarten, eindeutige Meinungs-Polarität: Die professionellen KritikerInnen aus den Medien fanden Wagenknecht ganz schlimm, die Stimmen aus dem Publikum fanden die Einseitigkeit der Moderation und der übrigen Gäste ganz schlimm. Wie soll das weitergehen, wenn es eine solche Feindschaft zwischen Volk und Elite gibt?

Gleich ist die Mittagspause vorbei, wir müssen den Rest der Tages vom Rest des Februars nutzen und auch die andere Seite mit Flieder, Hainbuchen, Hartriegel und Schlehen irgendwie in Form bringen. Die Akkus sind neu geladen, das Getriebeöl nachgefüllt und die Ketten geschärft. Auf zum Angriff, und keine Scheu, denn es wächst ja nach! Längerfristig.

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