Im Blogbeitrag der letzten Woche habe ich nicht nur über Altersarmut geschrieben, sondern auch über das Übersetzen von Antonio Machados Gedichten. Ich habe den Mund ziemlich voll genommen und den Anspruch erhoben, es gehe darum, Wortlaut, Reim und Rhythmus zu wahren – was immer noch bescheiden ist, denn es gibt in Gedichten etwas, dem sich kaum mit Silben zählen, Wörter nachschlagen und Takt klopfen zu nähern ist: den Ton. Die Versuchung ist aber, sich leichtgesinnt bloß an den Ton zu halten und dabei das, was objektiv und sperrig vorliegt, großzügig zu vernachlässigen, als käme es auf die Form gar nicht an.
Nun also, Butta bei die Fische! Die folgende Übertragung aus Machados Otras canciones a Guiomar kommt dem schon recht nah, was ich will. Im Vergleich mit dem Original fehlen ein paar Silben, ein Reim, der zuvor rein war, ist jetzt unrein, die letzte Zeile ist vollkommen frei übersetzt. Aber das Liedchen klingt jetzt auch eingedeutscht nicht ganz schlecht. Es singt sich.
Im Grunde bin ich wenig einverstanden damit, dass Liebe Fantasie sein soll. Ich würde vielmehr körperliches Behagen als ihre Basis ansehen. Doch wenn Machado mir sagt, es sei die Fantasie, glaube ich ihm aufs Wort.
Todo amor es fantasía;
él inventa el año, el día,
la hora y su melodía;
inventa el amante y, más,
la amada. No prueba nada,
contra el amor, que la amada
no haya existido jamás.
Alle Liebe ist Fantasie;
das Jahr, den Tag erfindet sie,
die Stunde und ihre Melodie;
erfindet den Liebhaber und sogar
die Geliebte. Gegen die Liebe
beweist es nichts, wenn die Geliebte
Produkt nur der Einbildung war.