vonkirschskommode 09.06.2021

Kirschs Kommode

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La ignorancia es atrevida, Unwissenheit ist kühn, sagt, mit Bedacht, ein spanisches Sprichwort. Und kühn war auch ich, als ich mich in einen mir unbekannten Landstrich begab, um dort dörflich zu wohnen. Es war alles zu schön im Dorf im östlichen Sachsen-Anhalt, man ahnte die Steppe bis Wladiwostok und wenn einen der Nachbar in drei Jahren nicht einmal grüßte, war es nie und nimmer persönlich zu nehmen. Einen Bauern gab es, der seinen Acker hinterm Haus mit dem Pferd bestellte – falls im Osten die Sonne sich gleichzeitig blutend-rot erhoben hätte, es wäre ein Bild für die Götter der Kitschpostkarte gewesen. Leider war es immer schon Nachmittag, Landwirtschaft im Nebenerwerb. Und den Ton hätte man abstellen können müssen, denn der Mann auf dem Acker konnte nicht anders, als mit Nazivokabular auf seine Stute einzubrüllen: Kommunistensau, jüdisch versiffte! Da wusste man gleich wieder, wie kühn es doch war, in dieser Gegend seinen Wohnsitz zu wählen. Zum Glück wurde nach ein paar Jahren im Idyll der nahe Bahnhof geschlossen und ich kam nirgendwo mehr hin, ohne umzuziehen. Aber ich habe freundliche Erinnerungen an diese Zeit behalten. Hier ist eine, passend zur Jahreszeit.

Blühender Raps in Zerbst (Anhalt)

Breit, endlos, liegt die Landschaft da.
Nur Schnee, verweht, schüf hier Struktur.
Doch blüht der Raps. Abnormes Gelb
steht gleißend in der öden Flur.

In Schichten fliegt der Blütenstaub,
sein Schein steht meterhoch gegliedert.
Mag sein, manch Auge freut sich dran.
Die Nase rümpft sich. Angewidert.

Ein Duft von Kohl. Dazu Gewissheit,
das Zeug verkommt. Zu Biosprit.
Im Herbst dann, Raumschiffe von Dreschern.
Sie ernten, immer, Hunger mit.

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