Am letzten Dienstag habe ich ganz offensichtlich keinen Beitrag in meinem Blog veröffentlicht. Und allen Interessierten mag sofort klargeworden sein, was los war, nämlich nichts, aber das ganz schön weit weg. Es war ein köstlicher Zeitvertreib. Wir waren in den Urlaub gefahren, genauer zu Besuch bei anderen Urlaubern, und dort, wo wir hinkamen, regnete es in einer Tour, was aber die vielen Mücken, deren Zuhause die nasse Gegend war, nicht davon abhielt, uns bei jedem kleinsten Schritt vor die Tür zu überfallen. Sie schafften es bei dieser Gelegenheit auch immer wieder ins Hausinnere, wo wir sie leider samt und sonders erschlagen mussten.
Gefühlt waren es so viele, dass wir ihre mit unserem Blut gefüllten kleinen Leichen verwerten und in unseren Menüplan hätten mit aufnehmen können, als karnivorisch-kannibalistisches Auftrumpfen bei einem der Gänge unserer ohnehin reichlich unvegetarischen Gelage. Wenn wir in drei Tagen gemeinsamen Kochens und Essens einen Gang dabei hatten, der ohne eine Zutat Fleisch oder Fisch auskam, dann nur, weil ich bei einem Spaziergang durch Tropfenvorhänge und Mückengestöber – in durchaus dem Auge gefälliger Landschaft – einige Riesenschirmlinge fand, deren Hüte wir nach einem Tag des Antrocknens in Butter brieten. Aber ob das Verspeisen von gebratenen räderbreiten Riesenschirmlinghüten nicht doch Fleischfresserei ist, sei dahingestellt; sie schmecken zwar durchaus auch nussig, aber eben nicht nur.
Die Welt ist krank und ich fresse, als ob sie gesund sei, und als ob ihre Genüsse allen zugänglich seien und keine Frage der Verteilung von Raub zwischen Räubern und Beraubten. Über Gourmets, also Feinschmecker, hat Michael Scharang im zweiten Kapitel seines großartigen Romans „Das jüngste Gericht des Michelangelo Spatz“ schon 1998 alles gesagt, was es zu ihnen zu sagen gäbe; ich empfehle die Lektüre und entschuldige des weiteren mich für den naiven Gebrauch des Wortes, zu dem uns eine Laune während eines dreitägigen Gastmahls verleitet hat – wir wollten ursprünglich das Wort „Schlemmer“ benutzen. Aber da wir den Ehrgeiz entwickelten, nicht nur zu singen, sondern unseren eigenen Text auf die Melodie von „My Favourite Things“ zu singen, war ein Wort vonnöten, das auf der betonten Silbe endet, und so wurden aus uns glücklichen Schlemmern am Ende Gourmets:
Die Gurken, Tomaten, die Zander und Schollen,
die Zwiebeln, die Möhren, der Fenchel in Knollen,
auch Hähnchen und Hirschsteaks und ganz zartes Reh
– das ist Beste für jeden Gourmet!
Man reiche den Käse, die Wurst, die Pasteten!
Man spar’ nicht an Pilzen, Champjongs, Herbsttrompeten!
Gebt Toasts uns, Baguettes, auch Brot schwarz wie Tee
– das ist das Beste für jeden Gourmet!
Wir wetzen die Messer, wir hacken Gemüse,
zur Großküche wird uns die kleinste Kombüse.
Wir klopfen die Schnitzel, es tut ja nicht weh
– das ist das Beste für jeden Gourmet!
Beißt der Hund mich,
sticht die Mücke
oder mangelt mir Mut,
dann denk ich, dass mir als echtem Gourmet
das Leben schmeckt und zwar gut.