So müde war ich selten,
nicht bloß erschöpft, wie öfter mal.
Was lasse ich noch gelten?
Ich wähle nicht, hab ich die Wahl.

Nichts wähl ich, habe ich die Wahl,
nichts lasse ich mehr gelten.
Nicht bloß erschöpft, wie öfter mal:
So müde war ich selten.

Manchmal finde ich keinen Weg, zu sagen, was ich sagen möchte. Ich hatte versucht, einige meiner Gedanken zu den mich bedrängenden politisch-gesellschaftlichen Zuständen an die ersten vier Zeilen anzuhängen, aber die Ergebnisse, mühsam errungen, waren allesamt unbefriedigend. Ich habe also meine schon so gut wie fertigen Strophen wieder verworfen und gelöscht und, aus einer Ahnung heraus, durch eine Wiederholung der ersten vier Zeilen in umgekehrter Reihenfolge ersetzt. Ein paar Umstellungen mehr innerhalb der einzelnen Zeilen und das Ganze ließ sich plötzlich lesen. Weshalb?

Es ist das Verfahren der Minimalmusik: winzige Verschiebungen im sonst immer Gleichen. Aber ein Text braucht, räumlich wie zeitlich, nicht die gleiche Ausdehnung wie Musik, um erkannt und als Botschaft angenommen zu werden. Eine Ein-Takt-Musik ist als Musikerlebnis nur schwer vorstellbar, ein nur wenige Wörter umfassender Aphorismus kann als genial empfunden und genossen werden. Mithin kann eine leicht variierende Wiederholung auf kleinstem Raum bei einem Text effektvoll sein, sie verschafft Nachdruck und unterstreicht gleichzeitig, dass alles gesagt ist. Auf diese Weise kann ich mein ohnmächtiges Verstummen wenigstens anklingen lassen.