Jahreswechsel sind Schimären und was sich einer oder eine anlässlich ihrer Wiederkehr vornimmt, ließe sich genau so gut anlässlich eines beliebigen anderen Tages vornehmen, der aufgrund persönlicher Erlebnisse oder Erinnerungen sich zum Jahrestag eignet. Aber wenn nun einmal eine Entscheidung die dunkle Jahreszeit braucht, um heranzureifen, dann sei es, wie es sei, dann ist Silvester ein guter Mann und der Januar der rechte Monat für einen Neuanfang. Und so habe ich zwischen den Jahren beschlossen, mir die Lyrik-Anthologien vom Hals zu schaffen, deren Herausgeber und Herausgeberinnen die Güte haben, die Gedichte abzudrucken, die ich ihnen schicke. Sie lassen längst nicht alles drucken, was ihnen von rundherum geschickt wird, und dennoch ist das Niveau ihrer Auswahlen dermaßen – nun ja, es tut mir um die Bäume Leid. Wem soll ich diese Bücher je vererben? Wer soll das ganze zähe Zeug denn lesen? Über sieben Jahre habe lang ich brav eingeschickt und meistens zusätzlich zum Belegexemplar brav noch ein zweites bestellt, denn was solls und man kann ja nie wissen. Aber inzwischen weiß ich, man kann (und es soll nicht): Es gibt einfach niemanden, dem man gern ein solches Geschenk aufs Auge drückt, wenn man ein Mensch ist, der Menschen einigermaßen leiden kann. Und siehe, ein alter, in die Ablage abgelegter Gedanke kam wieder hervor, er lautete „lyrische Bedürfnisanstalt“ und wollte Vers werden, beziehungsweise viele Verse, ein Reim gab den anderen. Es sagte meine Frau aber, als sie es las: Damit kritisierst du doch dich selbst, du bist doch selbst nicht anders, Herr Poet! Worauf ich sagte: So ist es.
Anlässlich des Erscheinens des Bändchens *** mit der internationalen Standardbuchnummer (ISBN) 978 – 3 – 9**** – *** – *, stellvertretend für viele vergleichbare
Zeitgenossen machen Bücher.
Sinds Gedichtanthologien,
nicht Parfüm, nicht feuchte Tücher
helfen gegen, ists Urin?,
gegen jenen Duft von Notdurft,
der die Druckwerke durchweht!
Jeder, während er gen Tod schlurft,
wird bedichten, was nur geht,
wird sich wichtig tun mit Worten,
wird sich spreizen zeilenlang.
Warum backen sie nicht Torten,
fühln sie dunkel Schöpfungsdrang?
Wieso falten sie nicht Schwalben?
Weshalb tuns nicht Makramee,
digitale Fotoalben
oder ein Watteau-Plissee?
Weils so rauskommt. Nicht zu steuern.
Wie der Schweiß, der Speichelfluss.
Lyrikproduktion befeuern –
nichts, was einer machen muss.
Aber keine Pachttoilette
ohne Pächter. Wo es drückt,
so die wirtschaftliche Wette,
zahlt auch jemand. Und es glückt.
Wen nichts Menschliches verekelt,
der hat hier Beschäftigung.
Dichtung, ob sie menetekelt
oder schwärmt, wird Kleintierdung.
Denn wie Kinder schaun Poeten
stolz auf ihr Gemachtes und
wird es vom Verlag erbeten,
ist zum stolz sein doppelt Grund.
Stolz auf ihr Gemachtes kaufen
Dichter Lyriksammlungen.
Das Geschäft wird ewig laufen:
Notdurft (mit ISBN).