vonWolfgang Koch 26.07.2007

taz Blogs


Willkommen auf der Blogplattform der taz-Community!

Mehr über diesen Blog

Was bisher geschah: In der Habsburgermonarchie droht eine Revolution. Seit 1845 strolchen junge arbeitslose Fabriksarbeiter in der inneren Stadt herum. Als es zur generellen Aussperrung der Arbeiter aus der Innenstadt kommt, gehen Mautgebäude in der Vorstadt in Flammen auf. Der Feudalschicht fährt der Schreck in die Glieder. Ein Bürgeraussschuss hat die Gemeindevertretung übernommen.

In zweiten, dem am 26. Mai 1848 geschaffener Sicherheitsausschuss kommt es zu schweren Konflikte unter den protestierenden Bürgern. Warum? Der Gemeinderat zögert nach der vorsorglichen Flucht des Kaisers bei den Verteidigungsmassnahmen der Stadt. Geschäftig ist Gemeinderat nur bei der Ausgabe beschwichtigender Aufrufe an die Bevölkerung. Zugleich verhandelt er mit den Militärbehörden. Der Gemeinderat ist so ungefährlich, so unrevolutionär, dass die kaiserlichen Truppen später, nach der Rückeroberung Wiens diese Institution einfach bestehen lassen können.

Vorerst regiert noch Empörung. Am 29. Mai entfernen Verleger und Redaktion der Wiener Zeitung für einen Tag den kaiserlichen Adler aus dem Zeitungskopf. Das brave Blatt ist heute bitte die ältesten Tageszeitung der Welt und vor 1848 in der Weltgeschichte nur vorgekommen, als es die Franzosen zum täglich erscheinenden Besatzungsorgan gemacht haben.

Eins ergibt das andere, und noch eines dazu. Im Sommer unterzeichnen Tausende Wiener Bürger eine von Alexander Bach und Eduard Bauernfeld entworfene Bittschrift für die »Verleihung einer zeitgemässen Munizipal- und Gemeindeverfassung«. In seiner Oktobersitzung einigt sich der Gemeinderat – immer noch weit entfernt davon, demokratisch zu sein – auf ein neues Wahlrecht In diesem Gremium ist die Stimmberechtigung an Besitz und Bildung gebunden.

Lediglich der Sicherheitsausschuss steht nicht mehr auf der Seite der herrschenden Ordnung. Und als der Kriegsminister spektakulär ermordet wird, verraten die Berufe der Täter, wer hier den Fortschritt vorantreibt: Franz Wangler ist Schneidergeselle, Thomas Jurkowich Schneider und Carl Brambosch Zimmermaler.

Der Rest steht nicht in den Schulbüchern: die 5.000 Toten der Revolution. Die Armee schreitet gegen das eigene Volk. Die Unterdrückung der sozialen Revolution, so John Keegan, scheint den Habsburgern unabdingbar, um, wie in Preussen, die Legitimität aufrechterhalten und, wie in Frankreich, Kriege im Ausland führen zu können.

Die Namen der standrechtlich exekutierten Revolutionäre in Wien: Wenzel Messenhauser, Robert Blum, Eduard Jelowicki, Eduard Presslern, zwei Personen namens Johann Horváth, Josef Dangl, Anton Riklinski, Anton Brogini, Alfred Becher, Herrmann Jelinek, Josef Krziwan, Jakob Marzatto, Franz Stockhammer, Daniel Christian Dressler, Stefan Aringer, Andreas Kerschdorfer, Heinrich Monoschek, Alois Hüffner, Isidor Mazko, Martin Pausar.

Wer jubelt den einziehenden kaiserlichen Regimentern zu? Der Adel, ja, die hohe Beamtenschaft, und das besitzende Bürgertum. Der Belagerungszustand seitens der Kaiserlichen wird jetzt nicht mehr gelockert, die bürgerliche Vollzugsgewalt bleibt noch Jahre hindurch in den Händen der siegreichen Armee.

Dem Aufstand folgt der Katzenjammer: die Restauration. Eduard Bauernfeld verspottet den Traum der Linken als »Republik der Tiere«. So sind sie, unsere Dichter – immer beweglich, immer zu Stelle, wenn es gilt, etwas Wertvolles lächerlich zu machen gilt. Franz Grillparzer, für den die Stadt eben noch neben Weimar bestehen könnte, nimmt resignierend seinen Abschied von Wien:

Schwarz-gelb war ich einst selbst,
doch scheu ich Pech und Harz,
ich bin nur noch ein Gelber,
seit unsere Fahne Schwarz.

Wir wollen Trübsal blasen, aber nicht zuviel davon. 1848 mag eine finstere Stunde für Wien und den halben Erdkreis sein – aber es ist auch die Stunde der Befreiung der Bauern. Die Abschaffung der Untertänigkeitsverhältnisse stellt den grössten greifbaren Erfolg der Revolution dar.

© Wolfgang Koch 2007
next: MO

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/kleine-wiener-stadtgeschichte-9/

aktuell auf taz.de

kommentare