Alter Reli-Poller in der Eifel – nicht um den Verkehr, sondern um heidnische Götter abzuweisen. Photo: Peter Grosse
Zwei Frankfurter Frauen allein gegen die Mafia
In der SPD-Brandenburg kommt es immer wieder zu Konflikten zwischen den von unten neuanfänglich Hochdrängenden und den von oben zu versorgenden Leistungsträgern. Dabei macht sich auch ein Gender-Konflikt bemerkbar. In Frankfurt/Oder, wo die Partei etwa 100 Mitglieder hat, wovon die Hälfte halbe Karteileichen sind, sagte es eine Genossin so: „Alle Frauen werden hier mürbe gemacht; die haben da nichts mehr zu melden, höchstens als Alibifrauen noch.“
Die politische Karriere von Angelika Schneider könnte dafür typisch sein. In der Wende engagierte sie sich in der ostdeutschen Betriebsräteinitiative, die sich 1991 gegen die Treuhand-Abwicklungspolitik gegründet hatte. Sie war damals Betriebsrätin des Halbleiterwerks Frankfurt/Oder (HFO). 1995 hatte die von ihr mitgegründete „Auffanggesellschaft“ (BQSG) für die Entlassenen von der Treuhand den Auftrag bekommen, die HFO-Gebäude abzureißen. Einige Hunderte der ehemals 8000 Beschäftigten durften in einem deutsch-amerikanischem Joint Venture weiter arbeiten. Angelika Schneider (Jahrgang 1952) war jedoch nicht mit dabei, sie blieb bei dem „abzuwickelndem Restbetrieb“ und ließ sich mit ihren HFO-Kollegen in die Arbeitslosigkeit entlassen. Danach arbeitete sie als Selbständige Projektkoordinatorin an anderen „Abriß-Projekten“ (nach §249h AFG) mit – Kraftwerke, Russenkasernen, eine Schwimmhalle und ein Plattenbau. Später fand sie eine Anstellung in einem Ingenieur-Büro. Als sie 2005 diese Arbeitsstelle wieder verlor, intensivierte sie ihr Sozialengagement. Zuvor hatte sie bereits eine Arbeitslosen-Initiative in der Kirchengemeinde von Neuberesinchen gegründet und mit Ein-Euro-Jobs einen „Arbeitslosen-Treff“ aufgebaut. Derzeit finanziert ihr die Gemeinde dieses Projekt zwei Jahre lang mit einer Halbtagsstelle.
1994 war sie mit einem anderen HFO-Betriebsrat der SPD beigetreten – und saß dann als Stadtverordnete auch im Bundesparteirat. Als sie 2006 im Gemeindezentrum eine Bürgerinitiative gegen den weiteren Abriß von Plattenbauten gründete und Demonstrationen vor dem Rathaus organisierte – „die Mieten werden dadurch angehoben, 7000 Mieter mußten bereits umziehen“ – verscherzte sie es sich jedoch mit den Frankfurter SPD-Oberen, wie sie meint. Sie wurde jedenfalls 2008 nicht mehr als Kandidatin aufgestellt. Daraufhin trat sie mit ihrer „Bürgerinitiative Stadtentwicklung“ zur Kommunalwahl an und wurde wieder als Stadtverordnete gewählt. Gemeinsam mit dem einzigen Grünen Abgeordneten schloß sie sich der Fraktion der Linken an. Die SPD reagierte darauf 2009 Mit einem Parteiausschluß. Auch ihre Tochter – Romy Schneider – engagierte sich derweil: Sie gründete in der Callcenter-Stadt, wo sie bei der Firma „Telemedien“ untergekommen war, einen Betriebsrat. Inzwischen ist sie Gewerkschafts-„Campaignerin“ bei „ver.di“.
Am 14.März stellten sich drei Kandidaten der Oberbürgermeisterwahl in Frankfurt/Oder: der Parteilose, von der SPD aufgestellte, von CDU und FDP unterstützte und deswegen am Ende auch gewählte Geschäftsführer des „Investor Centers Ostbrandenburg“: Martin Wilke; der Kandidat der Linken Stefan Ludwig; und die von der eigenen Partei nicht aufgestellte bisherige SPD-Bürgermeisterin Katja Wolle – sie trat als Einzelkandidatin an. Angelika Schneider machte für sie Wahlkampf.
Dieser bestand aus bürgernahen Aktivitäten: U.a. gründete die Bürgermeisterin in ihrem Haus einen „Freitisch“ für etwa ein Dutzend Studenten der Frankfurter Universität. Außerdem sammelte sie Spielzeug für den Wartebereich im Bürgeramt. Als sie es in einer Kiste „öffentlich übergeben“ wollte, wurde ihr dies jedoch vom Noch-Oberbürgermeister Martin Patzelt verboten – mit der Begründung: die Aktion „diene in erstere Linie Ihrem Wahlkampf“. Auch untersagte er seiner Bürgermeisterin die von ihr bis dato durchgeführten Gratulationen betagter BürgerInnen, aus „Vorsicht – es könnte ein Bild mit Frau Wolle in der Zeitung erscheinen“.Als sie im „Arbeitslosen-Treff“ von Angelika Schneider auftrat, lag dort ein Flugblatt aus, in dem es hieß, dass der OB-Kandidat Wilke derzeit als Chef des „Investor Centers“ doppelt so viel wie der OB verdiene, aber mit „billigen Löhnen“ werbe, um Arbeitsplätze in der Stadt zu schaffen. Die Kirchenleitung erzwang daraufhin die Entfernung der SPD-Schmähung. Katja Wolle trat auch in der „BI Stadtentwicklung“ auf, die sich neben dem „Plattenbau-Problem“ dem kommunalen Naherholungsgebiet „Helenesee“ widmet.
Dort soll die Betreiberfirma einen Teil ihrer Gewinne in die Pflege und den Ausbau der lange vernachlässigten Campinganlage reinvestieren. Nachdem die Camper deswegen zum dritten Mal demonstriert und – vergeblich – ein Gespräch mit dem Vorsitzenden der „Helenesee AG“ gefordert hatten, kündigte dieser einer der Organisatorinnen den Campingvertrag. Ein „Alternatives Helenesee-Konzept“, das Angelika Schneider in die Abgeordnetenversammlung“ einbrachte, wurde dort mehrheitlich abgelehnt.
Sie war wie erwähnt mit ihrer „BI Stadtentwicklung“ in das Stadtparlament gewählt worden und kooperierte mit der Linken. Einige rechtskonservative BI-Aktivisten (vor allem der 2003 mit der Schill-Partei in Frankfurt angetretene Josef Lenden) widmeten sich mit einer „BI-Stadtumbau“ ebenfalls den „Helenesee-Problemen“, daneben aber auch und vor allem der Distanzierung von den Linken – Angelika Schneider und Katja Wolle. Diese sehen sich jedoch vor allem einem Männer-Filz von SPDlern gegenüber, die nicht nur die Wirtschaftsreste Frankfurts verwalten, sondern auch die Wohlfahrtseinrichtungen. So ist z.B. der Frankfurter SPD-Fraktionsvorsitzende Andreas Spohn Vorstandschef von „Independent Living“ (LI), einem Trägerverbund für Betreuungseinrichtungen bestehend aus 40 Subunternehmen und 700 Mitarbeitern. Dabei kam der Verdacht auf, dass es sich um ein „profitables Selbstbedienungssystem“ handelt, wie erst das „Neue Deutschland“ und dann auch die „Berliner Zeitung“ berichteten. Einer RBB-Reporterin, die dazu Recherchen anstellte, wurde angeblich nahegelegt, das „Thema“ nicht weiter zu bearbeiten. Das Sozialkombinat „Independent Living“ hat unterdes seinen Firmensitz von Berlin nach Frankfurt/Oder verlegt, die IL-Betriebsräte erfuhren zufällig davon.
Wer schützt hier wen (auf Langeoog)? Photo: Herr Penschuk