vonlukasmeisner 31.01.2022

Kriterium

Die Rechnung 'Krise vs. System' geht nicht auf. Was wir brauchen, ist eine Kritik am System der Krise.

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Seit 2008 wird wieder über Postkapitalismus und diversen Marxismus, inzwischen sogar über demokratischen Sozialismus und freiheitliche Planung gesprochen. Es ist damit zunehmend klar: Demokratie, Rationalität und Planung gehören zusammen. Die Wahlverwandtschaft von Neoliberalismus und Postmodernismus hat diese Trias die letzten Jahrzehnte künstlich voneinander abgespalten. Demokratie ist dem ungeachtet nur zu haben als eingebettet in einen rational geplanten Gesellschaftszustand; und wie es Rationalität nur in diesem geben kann, so herrscht ohne Planung nicht Demokratie, sondern ein Konglomerat blinder Kräfte – ob die Willkür der Rechtslosigkeit oder die Schikane des Marktmechanismus.

Während jedoch Demokratie und Planung von einer Linken, die sich wie aufwachend an sich selbst zurückerinnert, endlich wieder theoretisiert und praktisch angestrebt werden, gilt vielen in ihren Reihen Rationalität weiter als zu vernachlässigende Größe, wenn nicht als zu bekämpfender Feind. Das hat viel mit dem postmodernen Gerede des cartesischen Dualismus, der Aufklärung als kolonialer Strategie, der Ratio als weißer, männlicher, europäischer Fakultät zu tun. Gegen all jene Verkürzungen der Vernunft in den Verstand und der substanziellen in die formale Vernunft soll hier nur zu Denken gegeben werden, dass wir keine Renaissance der Planung und der Demokratie erleben werden, wenn wir gleichzeitig unseren Kampf gegen die Rationalität fortsetzen.

Vielmehr muss es darum gehen, emanzipatorische von instrumenteller Vernunft zu differenzieren – statt die beiden ineins zu werfen und damit allen kapitalistischen Irrationalismus (inklusive Kolonialismus) zu dehistorisieren. Etwa wäre wieder deutlich zu machen, dass Effizienz als funktionale Relation von Zweck und Mittel nicht überhaupt ohne Zweck zu haben ist: alle formale ist, heißt das, immer schon eingeschrieben in substanzielle Vernunft. Daraus folgt, dass es keine Erkenntnis ohne Interesse, keine vernünftige Effizienz ohne die Frage nach deren Inhalt, Zweck und Ziel geben kann. Somit verwandelt sich die Diffamierung bewusst gesetzter gesellschaftlicher Teleologie in Ideologie: die Frage ist nicht mehr, ob es ein Ziel gibt, sondern welches. Die zentrale Frage lautet: Ist Profit das Ziel oder der Mensch, Wachstum oder Überleben, Kapitalismus oder Natur? Jene Frage vermag nur emanzipatorische Vernunft zu artikulieren. Praktische Antwort könnte sie – darüber hinaus – erst finden in einer rationalen Gesellschaft und in den demokratischen Gestalter*innen ihrer Verwirklichung.

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https://blogs.taz.de/kriterium/emanzipatorische-vernunft-und-rationale-gesellschaft/

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