vonHildegard Willer 03.08.2015

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Vor 400 Jahren versorgten die Minen von Santa Barbara in Huancavelica die Silberminen des spanischen Kolonialreichs mit Quecksilber. Vom einstigen Reichtum der Stadt sind heute nur noch quecksilberverseuchte Häuser übrig.

Eher zufällig wurde der Kolonialhistoriker Nicholas Robins zum Umwelthistoriker: als er in einer Chronik  über das sonderbare Gebahren eines Priesters im kolonialen Potosí las,  kam er darauf, dass dieses ein Symptom einer Quecksibervergiftung sein könnte.  Das Thema Quecksilber lässt ihn seitdem nicht mehr los.  Anhand von Quecksilber-Rückständen in Huancavelia wollte er die frühere Produktion in Huancavelica messen und untersuchte dazu 60 heute noch bewohnte Lehmhäuser auf ihren Quecksilbergehalt. Dabei stellte er Erschreckendes fest:  80% der Häuser wiesen auch heute noch Quecksilber-Werte weit über den erlaubten Grenzwerten der Weltgesundheitsorganisation auf.  Wie war dies möglich, wenn doch die letzte Quecksilbermine in Huancavelica schon in den 70-er Jahren des letzten Jahrhunderts stillgelegt worden war ?

Die meisten der untersuchten Häuser hatten sich den Lehm für die Ziegel aus der Umgebung Huancavelicas geholt. Genau dort, wo vor 400 Jahren in Schmelzöfen Tag und Nacht Quecksilber hergestellt wurde, um die Silberproduktion in Potosí am Laufen zu halten. Das Quecksilber gelangte so von den Abraumhalden an die Wände der ärmsten – weil unverputzten – Häuser Huancavelicas. Bis heute atmen es die Bewohner ein, bei Wind wird Quecksilber mit dem Staub aufgewirbelt, bei  Hitze können Quecksilber-Dämpfe aufsteigen. All dies, ohne, dass die Bewohner etwas davon merken. „Man  erkennt das Quecksilber an den roten Wänden, rohe gebrannte Erde. Gut 3500 Häuser in Huancavelica sind mit quecksilberverseuchtem Lehm gebaut. Es sind in der Regel die ärmsten Häuser“, erläutert Nicholas  Robins.

Die Auswirkungen lang anhaltender Quecksilber-Vergiftung zeigen sich schleichend: „Sie zeigt sich in Verhaltensänderungen“, erklärt der Arzt Enrique Ecos, „sei es durch vermehrte Aggressivität, oder auch durch Depression“. Deshalb merkten die Leute auch nicht, dass sie kontaminiert seien. Ein Plan zur Sanierung der betroffenen Häuser sei dringend. Nicholas Robins und sein Team wollen in einem Pilotprojekt 6 der betroffenen Häuser sanieren.

Viele in Huancavelica wollen die traurige Wahrheit über das Quecksilber in ihrer Umgebung gar nicht wissen. Quecksilber,  „mercurio“, steht für sie für die ruhmreiche  koloniale Vergangenheit des Andenstädtchens, die Identität verleiht. Die wollen sich viele Bewohner nicht schlecht reden lassen.

Dabei ist der koloniale Quecksilber-Glanz längst verblichen. Heute macht Hunacavelica vor allem als Schlusslicht der nationalen Armutsstatistik von sich reden. Vielleicht auch,  weil das Quecksilber in seinen Häusern bis heute das Verhalten und die Leistungskraft der Huancvelicanos entscheidend beeinträchtigt ?

(Quelle: www.infostelle-peru.de)

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