vonGerhard Dilger 28.01.2013

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Auf zwei Aktionärsversammlungen deutscher Multis regte sich vor kurzem erneut Protest gegen deren Rolle bei Megaprojekten in Brasilien.

Christian Russau redete am 18.1. auf der Hauptversammlung des Krisenkonzerns Thyssen-Krupp:

(…) ich spreche hier im Namen eines Bündnisses aus Dachverband der Kritischen Aktionäre, medico international, FDCL und KoBra – Kooperation Brasilien, das ist das Netzwerk der Brasilien-Solidaritätsgruppen in Deutschland.

 

Herr Cromme und Herr Hiesinger, vielen Dank für Ihre Ausführungen – nur leider muss ich Ihnen zum wiederholten Male erklären, dass ich es Leid bin, von ThyssenKrupp Falsches, Widersprüchliches und Lückenhaftes als Auskunft zu bekommen.

Erstens: Das TKCSA-Stahlwerk in Rio de Janeiro hat derzeit gar keine Betriebsgenehmigung. Das Einzige, was Sie haben, ist ein Abkommen zwischen Umweltamt und Ihrer Firma über die Anpassung der Durchführungsbestimmungen der Werkproduktion, ein sogenannter TAC-Vertrag (“Termo de Ajuste de Conduta – TAC“). Dies ist keine Betriebsgenehmigung. Der TAC-Vertrag listet 134 Bestimmungen auf, bei deren Verletzung das Werk von den Behörden sofort geschlossen werden kann. Die definitive Betriebsgenehmigung steht in weiter Ferne und ich prognostiziere Ihnen, das Stahlwerk wird diese nicht erhalten. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie die verehrten Aktionärinnen und Aktionären über diesen Sachverhalt aufklären würden.

Zweitens: Erläutern Sie bitte den Aktionärinnen und Aktionären den Vorgang von diesem Monat, als Ihrem Werk von der Munizipalregierung die Mitteilung überstellt wurde, dass das Werk ab sofort geschlossen werden muss und warum. Ein paar erläuternde Worte von Ihrer Seite wären für die Aktionärinnen und Aktionäre sicherlich aufschlussreich.

Drittens: Forscher haben in dem Stahlwerkstaub folgende Inhaltsstoffe gefunden: Kohlenstoff (C), Eisen (Fe), Zink (Zn), Silizium (Si), Natrium (Na), Mangan (Mg), Kalium (K), Calcium (Ca), Aluminium (Al), Vanadium (V), Titan (Ti), Schwefel (S), Blei (Pb), Phosphor (P), Nickel (Ni), Magnesium (Mn), Kupfer (Cu), Chrom (Cr) und Cadmium (Cd). Nun, ich hatte Herrn Schulz auf der Hauptversammlung 2011 und Herrn Hiesinger auf der Hauptversammlung 2012 gefragt, ob es zutreffe, „dass die vom Stahlwerk auf die Anwohner geschleuderten Metalloxide Schwermetalle enthalten? Wenn ja: welche?“ Herr Schulz beteuerte: „Ausschließlich Graphit“. Auch Sie, Herr Hiesinger, beteuerten: „Graphit, allenfalls Spuren von Kalzium“.

Nun musste ich in dem Dossier der „Zeit“ vom 5. Juli 2012 lesen: Angesprochen auf die von Forschern gefundenen Schwermetalle in dem Staube, berichten die „Zeit“-Autoren, ich zitiere: „Wenn man das Unternehmen damit konfrontriert, dann heißt es plötzlich, es sei technisch nicht ganz ausgeschlossen, dass auch andere Partikel ausgestoßen werden“. Herr Hiesinger: Was soll ich nun mit diesen Aussagen anfangen? Einmal heißt es „nur Graphit“ und dann sei es „nicht ganz ausgeschlossen, dass auch andere Partikel ausgestoßen werden“. Irgendwer hat hier gelogen. Haben Sie mich angelogen, Herr Hiesinger, hat Herr Schulz mich angelogen? Was gedenkt die Firma zu unternehmen, um die Gesundheit der Anwohner des Stahlwerks sicherzustellen?

 

Viertens: Wir haben heute von Ihnen viel über Bilanzen, Abschreibungen und Verluste gehört. Wissen Sie, wer 80 Prozent Verluste bei seinem Einkommen zu verzeichnen hat und das kontinuierlich seit 2007? Die Fischer von der Bucht von Sepetiba, die wegen Ihres Stahlwerks massive Einbrüche bei Ihrem Fischfang zu verzeichnen haben. Ich frage Sie: Werden Sie den Forderungen der Fischer nach Entschädigung endlich nachkommen und den Fischern wieder zu einem Dasein in Würde und in Arbeit verhelfen? Oder bleiben Sie bei Ihrer zynischen Politik der plumpen Leugnung von Verantwortung?

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