vonHildegard Willer 12.05.2013

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Die Stände bieten  feil, was das Herz begehrt: Häuser in allen Bauphasen, vom Rohbau bis zu mehrstöckigen Geschäftshaus mit Spiegelglasfassade und Friseursalon, Autos (besonders beliebt: Pick-ups mit Vierradantrieb), ein Topf mit Goldtalern, Abschlussurkunden der renommiertesten Universitäten, Reisepaesse, und dazwischen immer wieder Bündel von Geld, Geld, Geld.Die Menschen drängen an die Verkaufsstände, besonders beliebt sind Geldscheine und Universtätstitel. All die Artikel gibt es als Miniaturen auf dem Jahrmarkt “Alasitas” in Puno zu kaufen. Mit dem Kauf alleine ist es jedoch nicht getan. Nur wenn man daran glaubt ,  wird der  Wunsch tatsächlich in Erfüllung gehen. Die Verkäuferinnen segnen das gekaufte Kleinod über dem Weihrauch mit ein paar Aymara-Worten, besprengen es mit billigem Wein, schütten gelbes Konfetti dazu und überreichen es Dir in der unvermeidlichen Plastiktüte. Danach bringen viele das Gekaufte nochmal in die nahegelegene Kapelle, um es auch vom katholischen Priester segnen lassen. Doppelt genäht hält besser.  Jedes Jahr Anfang Mai wird im peruanischen Puno der Jahrmarkt der Wünsche abgehalten, “Alasitas” genannt, und es herrscht kein Zweifel daran, dass die Menschen in Puno – wie auch im benachbarten Bolivien, wo das “Alasitas” ebenfalls intensiv gefeiert wird – fest an dessen Wirksamkeit  glauben. Ganze Familien scharen sich mit ihren Miniatur-Käufen um die Yatiris, die indigenen Priester, die an Alasitas das Geschäft des Jahres machen. Die Bezahlung darf dann auch gerne in einem Kasten Bier bestehen, mit dem das Gekaufte besprengt und gesegnet wird – zuvor wird der Mutter Erde, der Pachamama, ihr Schluck Bier gegeben, so will es der Brauch.
Ach die Pachamama! So oft zitiert in den Schriften über die andine Kosmovision vom Guten Leben, der zufolge der Mensch in Einklang mit der Natur lebt, im Gegensatz zu unserer westlichen Zivilisation, die alle mit Wohlstandsmüll überschüttet.  Die Pachamama ist an Alasitas so wenig zu finden, wie eine “Pituca” aus dem Limaer Nobelviertel San Isidro, wo das Indigene höchstens im von Gaston Acurio veredelten Speisegericht goutiert wird.
Ein paar Schritte neben den Ständen stirbt der Titicaca-See an ungeklärt eingelassenen Abwaessern  der Stadt Puno oder an der toxischen Arsen-Cadmium-Quecksilber-Mischung, die illegale Bergleute flussaufwärts ins Wasser schütten. Der Titicaca-See war 2012 zum bedrohten See des Jahres ernannt worden. Die Menschen in Puno scheint das nicht zu stören: kein einziger Wunsch ist zu kaufen, der die Heilung der Umwelt zum Thema hat. Stattdessen Geld, Gold, Waschmaschine, Haus und Auto. Das ist Gutes Leben. In Puno wie anderswo auch.
Die indigene Vision vom Guten Leben sei den Bolivianern und Peruanern,  von aussen aufoktroyiert worden. Die sogenannte andine Kosmovision würde vor allem den Projektionen der westlichen Wohlstandsgesellschaften entspringen, mehr als der tatsächlichen andinen Welt. Die sei in ihrer harten Natur nämlich nie komplementär oder harmonisch gewesen, sondern mit ihren wiederkehrenden Dürren verdammt hart. Und dass das komplementäre Zusammenleben von Frau und Mann auch in den Anden nicht funktioniert, zeigten nur schon die schreiend hohen Ziffern häuslicher Gewalt.  Das schreibt der Bolivianer Carlos Macusaya in der Zeitschrift Pukara (http://www.periodicopukara.com/archivos/pukara-81.pdf)
Sollte es tatsächlich so sein, dass ein Bewusstsein für das gemeinsame Gut “Umwelt” erst dann wachsen kann, wenn die grundlegenden materiellen Bedürfnisse gedeckt sind ? Und zu letzteren gehören, wenn man den Alasitas-Markt interpretiert, auch in den Anden ein Haus, Waschmaschine, Geld und  – die deutschen Autobauer wird´s freuen – ein eigenes Auto.
Die Utopie eines anderen, weniger materiellen, zukunftgerichteten und umweltschonenden Lebensstils ohne Wirtschaftswachstum wird wohl nicht aus den Anden kommen. Diese Utopie werden sich die Europäer  selber mühsam schaffen müssen.
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