vonPeter Strack 25.04.2023

Latin@rama

Politik & Kultur, Cumbia & Macumba, Evo & Evita: Das Latin@rama-Kollektiv bringt Aktuelles, Abseitiges, Amüsantes und Alarmierendes aus Amerika.

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Ende 2022 wurde auf dem Filmfestival von Havanna der Spielfilm „Die alten Soldaten“ des Altmeisters des bolivianischen Kinos, Jorge Sanjinés Aramayo, uraufgeführt. Es geht nicht nur um die Kriegsgeschichte und bolivianische Nationenbildung, sondern vor allem um das Verhältnis zwischen städtischer Bevölkerung und den indigenen Kulturen. Eine der Nebendarstellerinnen ist Valquiria de la Rocha. Die Bolivianerin, die den Regisseur mit respektvoller Nähe „Don Jorge“ nennt, ist Musikerin und hat ein Diplom in Audio-Engineering vom SAE-Institut in Hamburg, an dem sie derzeit Audioproduktion studiert. „Ich habe den letzten Schnitt selbst noch gar nicht gesehen“, schränkt sie ein, als ich sie zu dem Film, aber auch zu den interkulturellen Herausforderungen ihres Lebens gefragt habe. Doch wir wollen zwar Interesse an dem Film wecken, aber auch nicht zu viel vorweg nehmen.

Valquiria de la Rocha in Hamburg, Foto: Privat

Am ersten Maiwochenende bist du nach Marseille zur „Begegnung des Südamerikanischen Films“ eingeladen. Dort wird der neue Spielfilm „Los viejos soldados“ gezeigt, in dem du eine Hauptrolle spielst. Es geht um zwei Männer, einer aus dem bürgerlichen städtischen Milieu, der andere ein Indigener vom Land, die sich in den 30er Jahren im Chaco-Krieg kennenlernen.

Neue bolivianische Filme über den Chaco-Krieg

In den letzten Jahren gab es eine ganze Reihe bolivianischer Kinofilme über den Chaco-Krieg, der als vielleicht wichtigste historische Etappe in der Nationenbildung Boliviens gilt: „Boquerón“ von Tonchy Antezana aus dem Jahr 2015 handelt von dem vergeblichen Versuch der Verteidigung einer Militärstellung und dem sinnlosen Sterben. „Fuertes“ von Óscar Salazar Crespo und Franco Traverso aus dem Jahr 2019 ist ein Film über eine Fußballmannschaft aus La Paz im Chaco-Krieg. Zuletzt kam der auch im Ausland mehrfach preisgekrönte Spielfilm „Chaco“ von Diego Mondaca aus dem Jahr 2020 in die Kinos. In dem kämpft auch ein deutscher Offizier mehr gegen den Durst als gegen den paraguayischen Feind. Was ist der besondere Blickwinkel von Sanjinés?

Zunächst geht es um die Wirklichkeit zwischen den Zeilen der offiziellen Geschichtsschreibung über den Chaco-Krieg, um den Rassismus inmitten des militärischen Konflikts: Die Privilegien der weißen Soldaten, während die indigenen Soldaten zwangsrekrutiert wurden. Je dunkler die Hautfarbe, desto weiter vorne an die Front wurden sie geschickt.

Filmszene im Lazarett, Copyright: Fundación Grupo Ukamau

Die Schwierigkeit, in der Politik seinen Prinzipien und seiner Kultur treu zu bleiben

Und inmitten dieser diskriminierenden Strukturen kommt es zu einer Freundschaft oder Notgemeinschaft zwischen den beiden Protagonisten, die nach der gemeinsamen Desertion beschließen, sich wieder zu treffen. Doch das geschieht erst 30 Jahre später, Ende der 1960er Jahre, mit dem Beginn eines neuen Zyklus von Militärregierungen. Der Film zeigt die getrennten Lebenswege: Der Indígena macht in der Stadt gewerkschaftlich-politisch Karriere, während der Mestize aufs Land in eine Aymara-Gemeinde in den Bergen zieht.

Das zweite Hintergrundthema des Filmes ist die Schwierigkeit der indigenen Völker in Bolivien, sich politisch identifizieren zu können. Bislang tendierten ihre Sprecherinnen und Sprecher angesichts des Rassismus und der Unterdrückung durch die Rechte zu linken Parteien. Aber auch dort ist die Diskriminierung verbreitet. Der indigene Protagonist im Film kämpft zunächst für die Rechte der indigenen Gemeinden und der Bergarbeiter. Aber am Ende verliert er sich – verwirrt von der Macht – auch im politischen Ränkespiel. Ein Phänomen, das in der aktuellen Politik sehr gegenwärtig ist. Im zweiten Protagonisten kanalisiert Don Jorge ein wenig die eigenen Erfahrungen und die seiner Familie bei dem Versuch zu verstehen, was die tatsächlichen Dynamiken eines gemeinschaftlichen Zusammenleben einer indigenen Gemeinde ausmacht, sowie das Anliegen, diese Kulturen zu schützen. Es ist auch die Frage, wie weit ein Städter eine indigene Kultur verstehen, an ihr teilhaben und ihre schönen Seiten authentisch erleben kann. Das gemeinsame Essen, die Feste…

Der Regisseur Jorge Sanjinés Aramayo bei den Dreharbeiten, Copyright Foto: Fundación Grupo Ukamau

Es scheint ein wenig ein Gegenentwurf zu dem Film „La Nación Clandestina“ (Die geheime Nation) von Jorge Sanjinés aus dem Jahr 1989. Dort wird der Aymara Sebastián in der Stadt korrumpiert. Und der von Militärs verfolgte Student kann den Aymaras nicht einmal mitteilen, dass er solidarisch mit ihnen ist, aber ihre Hilfe benötigt. In „Para recibir el canto de los pájaros“ (Um den Gesang der Vögel zu empfangen, 1995) mit Geraldine Chaplin wird ein Filmteam gezeigt, das bei Dreharbeiten eines Streifens über die Kolonialzeit selbst in (neo-)koloniale Muster verfällt. Auch in dem späteren Film „Los hijos del último jardín“ (Die Kinder des letzten Gartens) von Sanjinés aus dem Jahr 2004 misslingt der Versuch der Städter, von der Aymara-Gemeinde akzeptiert zu werden, weil das mitgebrachte Geld von ihnen nicht auf eine ehrliche Weise erworben wurde und deshalb das Wertesystem der Aymara gefährdet.

Das Problem von Sebastián kommt mit der ersten Hauptfigur auch in „Die alten Soldaten“ zum Ausdruck. Insofern ist das kein Gegenentwurf. Es geht aber eher um den Wunsch vieler Bewohner*innen der Landgemeinden, ihre Armut in der Stadt zu überwinden. Umgekehrt geht es aber auch um die Idealisierung des Landlebens durch viele Städter. Das wollen sie genießen, aber dabei nicht auf ihre Privilegien verzichten. Es muss immer genug Trinkwasser da sein, aber bei starkem Regen soll das Dach des Hauses auch ganz dicht sein…

In den indigenen bäuerlichen Kulturen der Anden ist zeitweiser Mangel Teil ihres Konzepts eines genügsamen „Guten Lebens“. Welche Rolle spielst du in „Die alten Soldaten“?

Im Film heiße ich Benedicta Condorí und bin eine Lehrerin mit Aymara-Wurzeln in einem ländlichen Zentrum. Gedreht wurde dieser Teil in der Schule von Sorata. Benedicta war die erste ihrer Gemeinde, die studieren konnte, und zwar in dem indigenistischen Gemeindeschulprojekt Warisata. In ihrer Persönlichkeit kommt die Liebe zu der andinen Kultur aus einer weiblichen Perspektive zum Ausdruck. Sie versucht diese Kultur zu bewahren und weiter zu geben und die Erinnerung an die Geschichte der Aymara wach zu halten. Als Guillermo, der Mestize im Film, desertiert, kommt er unter einem neuen Namen in Benedictas Dorf, um sich dort zu verstecken und ebenfalls als Lehrer zu arbeiten. Guillermo und Benedicta lernen sich kennen und kommen sich näher. Benedicta hilft ihm, sich in der Gemeinde und Kultur zurecht zu finden.

Filmszene mit Benedicta und Guillermo in der Schule, Copyright Foto: Fundación Grupo Ukamau

Später heiraten sie und ziehen in das Dorf von Benedicta. Guillermo durchläuft einen langen Prozess der Inkulturation, der immer auch von der Zustimmung und Reaktionen der Gemeinde abhängig ist. Es gibt Zeremonien der Aufnahme, aber auch sein eigenes Interesse wächst, aktiv an der Gestaltung des Gemeindelebens teilzunehmen. Am Ende des Filmes ist Guillermo in allem, an der Kleidung und im Verhalten, nicht mehr als Mestize erkennbar.

In der Ethnologie heißt das etwas despektierlich „Going native“. In dem Film wir es jedoch positiv als gelungene Integration dargestellt.

Ja, er hört auf, ein Fremder zu sein.

Angesichts der Konflikte in der aktuellen Regierung der MAS sprechen viele davon, dass die Politik verdirbt und man sich lieber wieder in die Gemeinden und auf die lokale Ebene zurückziehen soll. Der 1936 kurz nach dem Ende des Chaco-Krieges geborene Jorge Sanjinés ist ja immer ein sehr politischer Mensch gewesen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das die Botschaft des Filmes sein soll.

Es geht Don Jorge in meinen Augen wohl nicht um solche Bewertungen, sondern darum, Menschen und Prozesse zu beschreiben.

Auf dem Land, Foto von den Dreharbeiten, Copyright: Fundación Grupo Ukamau

Er will auf andere Formen von Schönheit hinzuweisen, die sich in den ländlichen Regionen finden lassen und macht deutlich, dass auch das Leben in einer Dorfgemeinde Würde hat. Und das führt zu der Frage nach den Alternativen zur Machtbesoffenheit der Regierenden jedweder Couleur, wenn sie erst einmal am Ruder sind.

Vielleicht ist der verstorbene Aymara-Aktivist Felipe Quispe so eine Figur, die keinem der beiden Protagonisten des Films entspricht, da er sich auch in der Politik seinen Prinzipien treu geblieben ist. Ich denke an die Antwort an eine Journalistin, die nach dem Grund für seine Radikalität fragte. Er sagte damals: „Weil ich nicht will, dass meine Tochter zu deiner Dienstmagd wird.“ Damit hat er klar gemacht, dass die Kolonialzeit zwar über 200 Jahre vergangen ist, dass man aber noch heute dabei ist, die Folgen zu überwinden und dass Wunden heilen müssen. Das kann ich hier in Hamburg häufig nur schwer vermitteln.

Die heutigen Folgen des Kolonialismus sind Menschen in Hamburg schwer zu vermitteln

Wie erlebst du deine interkulturelle Erfahrung in Hamburg, einem Mekka der Medienindustrie?

Hier hat derzeit das Umwelthema Konjunktur, überall wird Abfall recycelt. Und manche Kollegen fragen mich, wo das Problem sein soll. Aber auch erst hier in Europa habe ich erfahren, dass viele europäische Länder ihren Müll in den Süden schicken. Viele hier können sich nicht vorstellen, wie es dort aussieht. Manchmal frage ich mich, woher meine innere Wut kommt und warum ich so vieles als Angriff auf meine Person verstehe, was nicht so gemeint ist.

Aber ich komme eben aus einem Umfeld, dass noch stark von Wut und Schweigen geprägt ist. Die Indigenen sind noch dabei, sich wieder des Wortes und der Sprache zu bemächtigen. Meine Mutter hat mir erzählt, dass mein Großvater nie richtig mit ihr geredet hat. Alles sei über meine Großmutter geregelt worden. Und meine Mutter hat wiederum mich erzogen, und ich bin immer noch dabei, mir die Werkzeuge anzueignen, mit dem ganzen Erbe umzugehen.

Ich bin auch hier in Hamburg, um Abstand zu gewinnen von einer sehr gewalttätigen Gesellschaft und um um innerlich zu heilen. Allerdings – fürchte ich – stellt man sich Gewalt oder Armut in Ländern des Südens in Deutschland zu klischeehaft vor. Oder den bei bolivianischen Männern verbreiteten Alkoholismus.

Im Bergwerk, Filmszene aus “Los viejos soldados”, Foto: Fundación Grupo Ukamau

Ich denke nur an meinen Großvater, der als Bergmann so schlecht behandelt wurde, dass er all seinen Zorn und seine Verzweiflung an der eigenen Familie ausgelassen hat. Weil ihm die Worte fehlten, um mit seinen Emotionen umzugehen und vielleicht auch Kenntnis der Geschichte. Die Ausbeutung hat mit der Kolonialzeit zu tun. Das alles können die jungen Leute in meinem Hamburger Umfeld sich nur schwer vorstellen. Aber wo sind die Mineralien gelandet, die mein Großvater aus dem Bergwerk geholt hat? Manchmal bin ich versucht zu sagen, hier an diesem Stück klebt auch etwas Blut von meinen Großeltern.

Perspektivwechsel auf die indigenen Kulturen

Don Jorge versucht jedenfalls in „Die alten Soldaten“, das herkömmliche Denken auch all derer, die den indigenen Gemeinden etwas Gutes tun wollen, einmal gründlich durchzuschütteln. Etwa den Begriff der Gemeinschaft zu veranschaulichen, der bei den Aymara so ganz anders verstanden wird als in Europa.

Bolivianische Filmemacher hatten in den letzten Jahre auf internationalen Festivals viel Erfolg. Ich denke nur an Viejo Calavera („Alter Schädel“ 2016) von Kiro Russo über die Welt der Bergarbeiter oder Utama (2022) von Alejandro Loayza mit seinen beeindruckenden Landschaftsaufnahmen über eine alten Mann im bolivianischen Altiplano, der trotz aller Widrigkeiten sein gewohntes Umfeld nicht verlassen will und sich auf den Tod vorbereitet – gerade erst in Madrid prämiert mit dem Premio Platino des hispanoamerikanischen Films sowohl für die Kameraführung als auch die Filmmusik des Preisträgers Cergio Prudencio, der auch für die Filmmusik bei “Die alten Soldaten” verantwortlich zeichnet.

Die Produktionsgesellschaft Ukamau von Jorge Sanjines scheint mehr Schwierigkeiten der Finanzierung und Verbreitung zu haben, obwohl der Regisseur der vielleicht wichtigste Vertreter des bolivianischen Films ist. Gibt es dafür Gründe?

Ich denke, je reifer ein Künstler wird, desto weniger wichtig ist ihm die Wahrnehmung von außen und der Kulturbetrieb. Don Jorge fokussiert sich vielmehr darauf, die Ideen, mit denen er schon in anderen Filmen große Wirkung erzielt hat, hier besonders gut auszuarbeiten. Und in diesem Fall scheint er auch seine eigene Geschichte und die seiner Familie erzählen zu wollen.

Auch die Geschichte der eigenen Familie erzählen. De la Rocha neben dem Regisseur bei den Dreharbeiten, Foto: Fundación Grupo Ukamau

Scheinbar gibt es aber trotzdem einen Wechsel der Perspektive auf die indigenen Kulturen. In den ersten Filmen von Sanjinés waren Aymara und Quechua vor allem die vom Imperialismus oder den Mächtigen ausgebeuteten Opfer.

Die Zeiten haben sich ja auch geändert. Die Welt der Indigenen steht der städtischen nicht mehr diametral gegenüber. Und mit etwas Abstand hier in Hamburg bekomme ich auch darüber mehr Klarheit. In Bolivien orientiert das andine Weltbild deine Sicht auf die Dinge. Hier in Hamburg habe ich gelernt, die Wirklichkeit mit der Sprache zu interpretieren und mich auch in der Sprache auszudrücken, die hier gesprochen wird. Sonst erlebst du Unverständnis und Ablehnung. Ich musste die Angst ablegen, meine Wurzeln zu verlieren, um mich auch dieser Kultur zu öffnen.

Man muss sich klar werden, welche Elemente einem selbst wichtig sind, und wo man offen sein will für Neues und Anderes.

So teures Equipment kann man sich in Bolivien nicht leisten

Hugo Peredo, ein bolivianischer Journalist und Tonspezialist, sagte immer, dass die Tonqualität der schwache Punkt bei den bolivianischen Spielfilmen sei. Wie siehst du das? Ist das ein technisches Problem?

Ganz klar hat das mit den extrem hohen Kosten der modernen Technologie zu tun. Wenn ich sehe, welche Geräte die Leute hier in Hamburg zur Verfügung haben, um eine hohe Tonqualität zu erzielen. Nur um Live-Aufnahmen zu proben, benutze ich hier ein Gerät namens Sound Devices, das es in unterschiedlichen Preiskategorien gibt, aber in diesem Fall um die 2.500 Euro kostet. Und da kommen noch die Mikrofone und andere Accessoires dazu. Das kann man sich in Bolivien gewöhnlich nicht leisten.

Das Beste aus dem herausholen, was man zur Verfügung hat: Foto von den Dreharbeiten, Fundación Grupo Ukamau

Dort holt man das Beste aus dem heraus, was man zur Verfügung hat. Und so schlecht ist das Ergebnis auch nicht. Aber die Erwartungen und Ansprüche sind dort auch andere. Filme haben im sozialen und politischen Umfeld einen anderen Kontext. Da ist die Geschichte und die Botschaft wichtiger, während meine Kommiliton*innen hier in Hamburg viel mehr auf die technischen Effekte achten und was noch alles aus den Geräten herauszuholen ist. Auch das Publikum gewöhnt sich daran und achtet darauf, welche neue Technik in einem Film verwendet wurde. Aber natürlich will ich auch dazu beitragen, dass wir in Bolivien technisch nicht zurückfallen.

Wenn man seine Heimat verlässt, stellt man sich viele Fragen. Warum habe ich diese Chance bekommen, hier zu studieren und nicht jemand anderes? Aber ich lerne hier auch etwas, um es zurückzugeben. Ich spezialisiere mich gerade auf die Vertonung von Filmen.

Die Postproduktion wird bei vielen bolivianischen Kinofilmen inzwischen in Argentinien gemacht.

Das ist auch bei „Die alten Soldaten“ der Fall. Die Kulturförderung oder die Gelder aus dem Kartenverkauf reichen bestenfalls für die Filmarbeiten, aber nicht um das entsprechende Equipment anzuschaffen.

Die alten Soldaten“ ist nicht der erste Film, in dem du aufgetreten bist. In der Doku-Spielfilmserie „Tupak Katari“ des Fernsehsender RTP hattest du die Rolle der Bartolina Sisa, einer Anführerin der Aymara-Aufstände gegen die spanische Kolonialherrschaft aus dem 18. Jahrhundert.

Kampfesmut und Wut: Als Bartolina Sisa in der TV-Reihe “Tupak Katari”, Screenshot: RTP

Die Serie wurde im Rahmen der Feierlichkeiten zum 200jährigen Jubiläum der Unabhängigkeit Boliviens produziert. Beauftragt wurde damit der Regisseur Cesar Ajpi. Es ging darum, den Menschen die eigene Geschichte und Herkunft in Erinnerung zu rufen.

Mit allen Seiten einer Frau der Zerstörung der Natur begegnen

Welche Rolle hat dir besser gefallen, die der Bartolina oder der Benedicta?

De la Rocha als Bartolina Sisa, Foto: RTP

Beide drücken einen Teil dessen aus, was jede indigene Frau ausmacht. Dadurch ergänzen sie sich. Benedicta ist viel Liebe und Sorge um andere, um das Leben und die Natur. Und Bartolina repräsentiert die ganze Kampfkraft, aber auch die Respektlosigkeit und Wut einer Kriegerin gegen Ausbeutung, Benachteiligung und Diskriminierung. Die motiviert wahrscheinlich bis heutzutage auch die feministische Bewegung und die Sprecherinnen indigener Bewegungen. Jedenfalls war es das, was ich in „Tupak Katari“ zum Ausdruck bringen sollte. Die Filmfigur entspricht vermutlich nicht all dem, was die historische Bartolina ausgemacht hat. Benedicta repräsentiert die andere Seite. Und es macht keinen Sinn, diese unterschiedlichen Seiten einer Person kategorisch voneinander zu trennen.

Der Aymara-Aktivist Juan Carlos Bautista würde sagen, Benedicta ist die weibliche Seite, Bartolina die männliche Seite der Frau.

Es gibt keine Notwendigkeit, alles immer binär zu definieren. In der Psychologie ist es letztlich die Bedeutung, die jede Person einer Kategorie geben will. Und es macht dich auch nicht weniger indigen, wenn du nicht alles unter einem dualen Schema analysierst. Für mich ist auf jeden Fall einer der wichtigen Beiträge der indigenen Kulturen heute ihr Verhältnis zur Natur und ihr Verständnis von der Natur. Deshalb sollte auch alles getan werden, um all diejenigen Aktivist*innen zu unterstützen, die sich gegen so viel Zerstörung der tropischen Wälder und anderer Landschaften durch multinationale Konzerne wenden. Sie sollten im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen. Und ganz besonders die indigenen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf dem südamerikanischen Kontinent, die diese Prozesse nicht nur studieren, sondern wegen ihres Engagements verfolgt oder gar ermordet werden.

Daten zum Film:

Bolivien 2022, 105 Minuten, Sprachen: Aymara und Spanisch, Untertitel: Englisch/Französisch

Drehbuch, Regie und Edition: Jorge Sanjinés Aramayo

Produktionsleitung: Mónica Bustillos Troche

Fotografie: César Pérez, Kamera und Bildbearbeitung: Luis Tapia Heredia

Filmmusik: Cergio Prudencio

Tonaufnahmen: Guillermo Palacios, Tongestaltung und Postproduktion: Maximiliano Gorriti (Paquidermio Post Sound Studio)

Haupt und Nebendarsteller*innen: Roberto Choquehuanca, Cristian Mercado, Valquiria de la Rocha, Mónica Mamani

Trailer (spanisch): https://ukamau.org.bo/films/los-viejos-soldados/

Webseite: http//losviejossoldados.com

Für Deutschland, Österreich oder die Schweiz sind derzeit noch keine Aufführungen geplant.

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