vonGerhard Dilger 11.03.2025

latin@rama

Seit 2008 Nachrichten vom anderen Ende der Welt und anderswoher.

Mehr über diesen Blog

Millionen Gläubige beten in diesen Tagen für den Papst, auch und besonders in Südamerika. In Brasilien freuten sich die Katholiken am Aschermittwoch über eine Botschaft aus dem Vatikan, während der Papst sich in der römischen Gemelli-Klinik wegen einer Lungenentzündung behandeln lässt. In Argentinien, dem Heimatland von Franzikus, sind die Menschen gespalten: Wo die einen sein Engagement für Arme, Flüchtlinge oder die Palästinenser:innen loben, finden die anderen, er habe die katholische Kirche zu sehr politisiert und polarisiert.

Auch in der Kirche San Cristóbal von Buenos Aires findet sich diese Meinungsvielfalt. Seitdem die argentinische Bischofskonferenz aufgerufen hat, für die Gesundheit des Papstes zu beten, wird dies in jedem Gottesdienst getan. Der junge Priester, der der Traditionsgemeinde seit Kurzem vorsteht, gehört offensichtlich nicht zu den Anhängern seines prominenten Landsmannes. Eher beiläufig nuschelt er die Fürbitten für Franziskus.

Milei betet angeblich für Franziskus

Norma Salas hingegen, ein engagiertes Gemeindemitglied, schätzt den Papst für sein geduldiges Ringen mit der konservativen Kurie in Rom. „Doch viele identifizieren ihn mit dem Peronismus und mögen ihn schon deshalb nicht“, weiß die Mittvierzigerin. Die Peronisten, benannt nach Ex-Präsident Juan Domingo Perón (1895-1974), bilden derzeit die wichtigste Opposition zum ultrarechten Staatschef Javier Milei.

Juan Grabois

Selbstverständlich bete der Präsident für Franziskus, versichert ein Regierungssprecher. Doch große Freunde sind die beiden nicht: Immer wieder empfängt Franziskus Milei-Kritiker aus Gewerkschaften und sozialen Bewegungen. Einer seiner langjährigen Vertrauten ist der 41-jährige Rechtsanwalt und Politiker Juan Grabois, ein Fürsprecher der Menschen in den Armenvierteln der Hauptstadtregion Buenos Aires. Den Papst lernte er noch als Jorge Mario Bergoglio kennen, als der noch Erzbischof von Buenos Aires war.

In der vorletzten Woche betete Grabois in Rom mit einem Rosenkranz mit Hunderten vor der Gemelli-Klinik, wo Franziskus seit dem 14. Februar behandelt wird. Der Sozialaktivist ist Mitglied des Dikasteriums für ganzheitliche menschliche Entwicklung, einer Art Sozialministerium des Vatikans. Nach seiner Rückkehr sagte Grabois: „Wir müssen diesen Moment, wo alle Aufmerksamkeit auf die Gesundheit von Franziskus gerichtet ist, dafür nutzen, um sein Vermächtnis zu bekräftigen.“

Franziskus-Fan: „Ich glaube, der Papst erholt sich wieder“

Ähnlich sieht das Néstor Borri vom Verein „Factor Francisco“, der über die sozialen Medien und in Büchern die Lehren des Papstes unter die Leute bringt. Dabei bedient er sich visueller und musikalischer Elemente der Popkultur. „Noch mehr als zur Zeit seiner Wahl 2013 interessieren sich die Menschen jetzt für Franziskus“, meint Borri. „Wir erleben geradezu eine Welle der Sensibilisierung“, sagt der Katholik: „Der Papst flankt ständig in den Strafraum, es ist an uns, daraus Tore zu machen. Das große Thema dabei ist die soziale Gerechtigkeit: Land, Dach und Arbeit (die drei T: tierra, techo y trabajo).“

abo

Wissen disst Macht. 10 Ausgaben wochentaz für 10 Euro im Probeabo. Jetzt die linke Wochenzeitung testen!

In Brasilien hat die katholische Kirche am Aschermittwoch ihre traditionelle Fastenkampagne eingeläutet. Das diesjährige Thema lautet „Brüderlichkeit und integrale Ökologie“, das dazugehörige Motto ist ein Zitat aus der Schöpfungsgeschichte im Alten Testament: „Gott sah, dass alles sehr gut war.“ Franziskus schickte eine vorbereitete Botschaft und zitierte darin seine Umwelt-Enzyklika Laudato Si’ (2015): „Die ökologische Krise ist ein Aufruf zu einer tiefen inneren Umkehr.“

Die Natur müsse sich von der „gierigen Ausbeutung“ erholen, heißt es weiter in der Botschaft, die der 88-Jährige kurz vor seinem Klinikaufenthalt verfasste. Auf dem nächsten UN-Klimagipfel, der im November an der Amazonas-Mündung in Belém stattfindet, solle die brasilianische Kirche ihren Beitrag leisten, „um die Klimakrise zu überwinden und das wunderbare Werk der Schöpfung zu erhalten“, fordert der Papst.

Ob Franziskus selbst nach Amazonien kommt, wie Brasiliens Präsident Lula hofft? Néstor Borri ist zuversichtlich: „Ich glaube, der Papst erholt sich wieder“, ist der Franziskus-Fan überzeugt. „Und dann fährt er eher zum Umweltgipfel, als dass er nach Argentinien kommt.“

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/latinorama/beten-fuer-franziskus/

aktuell auf taz.de

kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert