vonChristian Russau 01.09.2014

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Nach der teuersten Fußballweltmeisterschaft aller Zeiten schickt sich Brasilien an, einen neuen Rekord aufzustellen. Kostete die Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland die Steuerzahler noch eine halbe Milliarde Euro aus Bundes-, Landes- und städtischen Mitteln (ohne Infrastrukturkosten, die der Bund großzügig aus dem offiziellen Budget als normale Ausgaben deklarierte) und die WM in Südafrika bereits Schätzungen zufolge zwei bis drei Milliarden, so stellte Brasilien mit annähernd zehn Milliarden Euro den Negativrekord in der WM-Geschichte auf. Und nun lassen sich die Politiker und Politikerinnen des südamerikanischen Landes nicht lumpen und werden die teuerste aller Wahlen in der Geschichte des Landes hinlegen.

Denn am 5.Oktober stehen nicht nur die Präsidentschaftswahlen, sondern auch die der 27 Bundesstaaten inklusive des Bundesdistrikts sowie die für die beiden Kammern des brasilianischen Kongresses, Abgeordnetenkammer und Senat, an. Insgesamt stehen rund 25.000 Kandidatinnen und Kandidaten zur Wahl. Da es in Brasilien keine staatliche Wahlkampfkostenerstattung gibt – dergleichen soll demnächst, aber erst nach den diesjährigen Wahlen, vom Obersten Gerichtshof in Brasília entschieden werden -, sind die Kandidatinnen und Kandidaten auf Wahlkampfspenden (meist wohlhabenderer Spender oder von Firmen) angewiesen.

Die Zeitschrift Congresso em Foco hat sich nun die Mühe gemacht und hat die Liste aller 25.000 Kandidatinnen und Kandidaten beim die Wahlen überwachenden Obersten Wahltribunal Tribunal Superior Eleitoral (TSE) durchforstet und die deklarierten und anvisierten Wahlkampfspenden errechnet. Demnach rechnen die 25.000 Kandidatinnen und Kandidaten mit durch Spenden gedeckte Ausgaben für ihren Wahlkampf von insgesamt 71 Milliarden Reais. Umgerechnet entspricht dies 24 Milliarden Euro.

Congresso em Foco errechnete, dass Brasilien mit dieser Summe bis zu drei Weltmeisterschaften hätte ausrichten können oder alle (nicht gerade bescheidenen) Gehälter der 594 Abgeordneten und Senatoren und deren Mitarbeitern 7 Jahrzehnte hätte finanzieren können oder aber für die 50 Millionen Menschen, die in Brasilien das Sozialprogramm Bolsa Família erhalten, dieses Sozialprogramm über 6 Jahre auszahlen könnte. Auf das Programm Bolsa Família haben Familien mit schulpflichtigen Kindern Anspruch, deren Monatseinkommen unter 140 Reais (umgerechnet 47,51 Euro) liegt. Die Bolsa-Família-Unterstützung liegt zwischen 22 Reais (umgerechnet 7,46 Euro) und 200 Reais (umgerechnet 67,87 Euro).

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https://blogs.taz.de/latinorama/brasiliens-wahlen-die-teuersten-in-der-geschichte-des-landes/

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kommentare

  • Gerne möchte ich diesen Informationen hinzufügen, dass

    a) die „nicht gerade bescheidenen Gehälter der 594 Abgeordneten und Senatoren und deren Mitarbeitern“ die höchsten DER STAATEN-WELT sind. Eine „Arbeits“minute (Arbeit muss in Anführungszeichen gehalten werden, denn die überwältigende Mehrheit arbeitet kaum, soll heissen ist kaum anwesend) kostet uns ZwangssteuerzahlerInnen (übrigens idem die höchsten der Welt! Und zwar vor allem in Basiskonsumartikel, so dass es die Ärmsten am Allerhärtesten trifft!) exakt 11 545 R$, in etwa 4 000 Euro. (Mehr dazu bei Transparency International oder – für Portugiesischverständige: http://www.revoltabrasil.com.br/mundo/3079-brasil-tem-os-parlamentares-mais-caros-do-mundo.html)

    und

    b) dass auf „das Programm Bolsa Família“ die genannten Familien zwar Anspruch, allein, viele keinen De-Facto-Zugang haben. Da bei uns, vor allem in den Elendsgrossregionen Nordost und Nord eine Gangsterindustrie aus LokalpolitikerInnen und –banditen (zwei Wörter für das Brasilo-Gleiche) die Namen und Dokumentnummern der oftmals nicht alphabetisierten Ärmsten nutzt, um DEREN Notgroschen an sich selbst und ihre Parteikassen abzuzweigen. Während die in den Regierungsjubelstatistiken „aus der Armut Geholten“ auf dem knochenharten Boden der REALITÄT weiter hungern.

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