Paul Breitner ist in São Paulo ein gern gesehener Gast. Am Samstag kam der Weltmeister von 1974 und „Markenbotschafter“ aus München bereits zum zweiten Mal innerhalb eines halben Jahres zu einem Blitzbesuch in die subtropische Megametropole, um den FC Bayern Youth Cup zu promoten.
Bei der Bewertung des brasilianischen Fußballs gab sich „Embaixador“ Breitner ganz undiplomatisch: „Brasilien spielt heute nicht mehr die erste, ja nicht einmal mehr die zwei oder dritte Geige. Die Brasilianer haben sich auf ihren Lorbeeren ausgeruht, sie sind vor zehn Jahren stehengeblieben und spielen einen Fußball von gestern. Der Fußball des 21. Jahrhunderts wird in Europa gespielt“.
„Für mich sind die Frisur oder die Kleidung nebensächlich“, meinte der Ex-Afro-Träger auf die Anregung eines Reporters, die „fünf Top-Frisuren“ unter den Aktiven der Gegenwart zu küren, „aber meine frühere Frisur kommt ja wieder in Mode, wie man am brasilianischen Bayern-Spieler Dante sieht“.
Und ob es – ähnlich wie in Brasilien oder Kolumbien – auch in Deutschland Spieler mit dem Namen Breitner gebe? „Nein, bei den deutschen Spielern sind Künstlernamen unüblich, und Kinder dürfen auch nicht mit Nachnamen getauft werden“.
Zur brasilianischen Endausscheidung des Youth Cups kamen die Mannschaften der drei deutschen Auslandsschulen Corcovado (Rio de Janeiro), Humboldt und Porto Seguro (jeweils São Paulo) sowie die der Schulen Pastor Dohms (Porto Alegre) und Benjamin Constant (São Paulo), an denen ebenfalls Deutsch unterrichtet wird.
Finale in São Paulo: 2:0 für Benjamin Constant!
„In Indien spielen Jugendliche aus den Slums mit, die sonst nie eine Chance hätten“, sagte Breitner zu Latin@rama, und durch die Struktur des Youth Cups in Österreich kämen beispielsweise Talente aus Wiener Arbeiterbezirken zum Zug. Auch wenn der drahtige 61-Jährige viele der 20-minütigen Spiele aufmerksam vom Spielfeldrand aus beobachtete – für die Talentsuche außerhalb des etablierten Vereinsbetriebs scheint zumindest die brasilianische Variante des Youth Cups kaum sinnvoll.
Denn federführend ist hierzulande die deutsch-brasilianische Industrie- und Handelskammer. Ausschlaggebend für die Auswahl der Teams waren offensichtlich die Interessen der Sponsoren, eines Autokonzerns und der auch beim umstrittenen Staudammprojekt Belo Monte engagierten Allianz-Versicherung, die ihre Präsenz in São Paulo, Rio und Porto Alegre ausweiten wollen. So gab es nicht nur die üblichen überdimensionierten Werbestellwände, sondern die Jugendlichen mussten sich auch noch über ihre Schultrikots Laibchen mit den Logos der Sponsoren überstreifen.
Verdient siegte übrigens die Auswahl von Benjamin Constant, die nun Anfang Juni zur Endrunde nach München fahren darf. Bezeichnenderweise war die Mannschaft – wie auch die Schule aus dem paulistaner Mittelschichtsbezirk Vila Mariana – ihrer ethnisch-sozialen Zusammensetzung deutlich gemischter als die der drei praktisch vollständig „weißen“ deutschen Auslandsschulen.
Im Finale setzten sie sich gegen die Gastgeber von Porto Seguro 2:0 durch und dürfen nun Anfang Juni zur Endrunde nach München fahren. Auf Platz drei landeten die kurz zuvor unglücklich ausgeschiedenen Gaúchos aus Porto Alegre.