vonPeter Strack 26.11.2022

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Die Gemeinden im Distrikt Espinar von Cusco sind alleingelassen von der peruanischen Sozialpolitik. Fast die Hälfte der Kinder der Provinz sind laut einer Studie chronisch unterernährt. Und das, obwohl die Gemeinden zu einer der produktivsten Bergwerksregionen des Landes gehören, kritisieren die Dokumentarfilmer Nicole Maron und Vidal Merma. Die Gemeinden beklagen nicht nur die sukzessive Zerstörung ihrer natürlichen Lebensgrundlagen, wie Ackerboden, Trinkwasser und saubere Luft durch den Bergbau, sondern sie kritisieren auch die Einmischung des Schweizer Glencore-Konzerns in andere Sphären wie die der lokalen Medien und der Polizei.

Reichtum geht, Armut bleibt: Glencore Mine in Espinar, Foto: La sangre del rio

Während viele Versprechen des Glencore-Konzerns in Peru unerfüllt bleiben, gab es in der Schweiz eine öffentliche Debatte darüber, ob die Konzerne des Alpenlandes für die von ihnen verursachten Umweltschäden im Ausland zur Rechenschaft gezogen werden sollen. In einer Volksabstimmung votierte die Mehrheit der Bevölkerung zwar für einen entsprechenden Gesetzentwurf des Netzwerks der Konzernverantwortungs-Initiative, doch es fand sich keine Mehrheit der Kantone, so dass der Gesetzentwurf nicht angenommen wurde. Die Schweizer Regierung verabschiedete anschließend ein weniger verbindliches Gesetz. Den Beweis, dass es wirksam ist, um Menschen und Natur zum Beispiel in Espinar zu schützen, bleibt die Regierung und bleiben auch die Akteure der Wirtschaft, die gegen den Gesetzentwurf der Konzernverantwortungsinitiative argumentiert und Lobbyarbeit betrieben haben, bislang noch schuldig.

Durch Bergwerksabfälle verfärbter Stausee, Foto: La sangre del Rio

Diesen Eindruck vermittelt zumindest der 59minütige Dokumentarfilm „La sangre del rio“ (Das Blut des Flusses) der Schweizer Autorin Nicole Maron und des örtlichen Journalisten Vidal Merma. Der Film ist am 17. November auf spanisch und eine Woche später auch in deutscher Fassung online gegangen und berichtet umfassend über die Folgen der Bergwerkswirtschaft und den Widerstand der Bevölkerung in Espinar. Gleich zu Beginn verstören Bilder von einem rot verfärbtem Stausee. Und im Kommentar über die nötigen Rohstoffe für Mobiltelefone oder andere Geräte werden die Zuschauer*innen darauf aufmerksam gemacht, was das verschmutze Wasser mit ihrem Leben zu tun hat. „Wussten sie, dass bei der Produktion eines einzigen Handys hundert Kilo giftiger Abfälle übrig bleiben?“.

Die Autorin und der Autor haben mit Bewohner*innen, Journalist*innen, Rechtsanwält*innen, Aktivist*innen und Verantwortlichen im peruanischen Staatsapparat gesprochen, die mit erstaunlicher Offenheit aber auch Selbstverständlichkeit zum Beispiel über die Vergiftungserscheinungen aufgrund der Wasserverschmutzung berichten. Der Journalist Merma taucht im Film auch selbst als von den Vergiftungen betroffener Anwohner und Zeuge der Einschränkung der Pressefreiheit auf. Und Nicole Maron kommentiert über die globalen Zusammenhänge der Bedrohung vor Ort und den Bezug zur Schweiz. Animierte Bildsequenzen ergänzen und illustrieren, was direkt nicht gefilmt werden konnte. So ist die Dokumentation zu einem klassischen Lehrfilm für die  „Eine Welt“ Bildungsarbeit geworden, der gleichzeitig auch zum Handeln aufruft.

Abgebrannte Felder nach dem Tränengaseinsatz der Polizei, Foto: La sangre del rio

Denn in den Interviews wird deutlich, wie sehr die Anwohner*innen mit ihren von anderen verursachten Problemen auf sich gestellt sind und wie wenig wirksam internationale Mechanismen zum Schutz der Menschenrechte bleiben. Zahlreiche Aufnahmen zeigen die gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Kleinbauernschaft und Polizei auf dem Gelände von Glencore Antapaccay aus dem Jahr 2020, sowie weitere Protestaktionen der vergangenen zehn Jahre. Ein wenig erinnert alles in seiner Brutalität und Absurdität aber auch mit dem beharrlichen Widerstand der ländlichen Bevölkerung an die auf deutsch bei Suhrkamp bzw. Moewig erschienen Romane „Trommelwirbel für Rancas“ und „Garabombo, der Unsichtbare“ in der Tradition des gar nicht so magischen Realismus, die von der Zerstörung durch den Bergbau mehr als ein halbes Jahrhundert zuvor nur wenig entfernt in Cerro de Pasco handeln.

Man kann gespannt sein, wie die Schweizer Regierungsstellen und vor allem Glencore reagieren. Im Film selbst kommen sie anders als die Konzernverantwortungsinitiative nicht zu Wort. Glencore beschränke sich in der Regel darauf, die beschriebenen Probleme zu leugnen und zu beteuern, dass der Konzern sich an die lokalen Gesetze halte, begründet Nicole Maron diese Leerstelle im Film. Umweltschäden würden geleugnet und ansonsten habe der Konzern genügend Möglichkeiten, sich in den Medien oder über Kampagnen zu präsentieren. In ihrem Film sollten dagegen diejenigen zu Wort kommen, die gewöhnlich kein Gehör finden.

Die Dokumentation ist auf Quechua, Spanisch und Deutsch (hier der Link zur deutschsprachigen Fassung) verfügbar und enthält neben animierten Szenen auch eines der letzten Interviews mit sowie Szenen der Beerdigung von Oscar Mollohuancar. Der Umweltaktivist und zweimalige Bürgermeister von Espinar starb im März 2022 unter noch ungeklärten Umständen.

Die Beerdigung des früheren Bürgermeisters wird zur Protestveranstaltung, Foto: La sangre del rio

Die Informationen wurden der Homepage des Filmprojektes entnommen. Auch in der taz erschien jüngst eine Reportage zur Problematik aus Espinar.

 

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