Die Tropengletscher schmelzen rasant – ein Grossteil dieser Gletscher befindet sich in den peruanischen Anden – die peruanische Hauptstadt Lima befindet sich an der Küste und bezieht ihr Trinkwasser aus den Anden: Ergo wird das Trinkwasser in Lima knapp, wenn die Gletscher abschmelzen. FALSCH!!!!!
Zum wiederholten Male ist diese Falschmeldung auch in seriösen Medien zu lesen – so zuletzt in einer dpa-Meldung der heutigen Ausgabe von Spiegel Online mit dem Titel „Quelccaya-Gletscher. Perus Wassertresor schwindet rapide“. Darin wird eine Studie des Glaziologen Lennie Thompson zitiert, der das Eis am Gletscher Quilccaya untersucht hat und dabei tatsächlich zu alarmierenden Daten gekommen ist: die Geschwindigkeit des Abschmelzens hat um ein Vielfaches zugenommen, im Vergleich zu früheren Jahrhunderten. Dann noch ein Nebensatz, warum dies so alarmierend ist: die Hauptstadt Lima bezieht einen Teil ihres Trinkwassers aus dem Gletscher Quelccaya.
Das kann nur jemand behaupten, der nicht weiss, wo Quelccaya ist und wo Lima ist. Fast 700 Kilometer trennen die beiden Orte, das Wasser des schmelzenden Quelccaya im Südosten des Landes (Sicuani, Departament Cusco), fliesst in den Vilcanota und von dort Richtung Amazonas und landet letztlich im Atlantik. Lima liegt an der trockenen Pazifikküste 700 Kilometer weiter nördlich. Zu behaupten, dass Lima sein Wasser von den südlichen oder nördlichen Tropengletschern bezieht wäre so, wie wenn in Kärnten das Eis schmelzen und in Basel deswegen das Trinkwasser fehlen würde.
Der Denkfehler wird dadurch verstärkt, dass die 8-Millionen-Stadt Lima in einer Wüste liegt, und es an ein Wunder grenzt, dass das Wasser hier nicht knapp, bzw. noch knapper wird – rund 20% de Haushalte haben nämlich noch keinen eigenen Wasseranschluss.
Das Wasser-Wunder von Lima hat einen Namen und verdankt sich der Ingenieurs-Kunst: der Transandino-Tunnel der Zentralanden führt Wasser, das auf natürlichem Wege Richtung Atlantik fliessen würde, unter der Wasserscheide hindurch an den Pazifik herunter. Gletscher gibt es in den Zentralanden schon länger nicht mehr, die sind schon längst abgeschmolzen. Regenwasser wird stattdessen gestaut und in der Trockenzeit Richtung Lima abgelassen. Die Wasserzufuhr Richtung Lima wird also nicht durch die Gletscherschmelze beeinträchtigt. Sehr wohl aber, wenn der Regen in den Anden ausbleibt, oder wenn ein Erdbeben den Transandino-Tunnel beschädigen sollte.
Dringender ist für Lima die Qualität des Andenwassers. Eine Abraumhalde nach der anderen säumt das Flussbett des Rimac in den Zentralanden, die Bergwerke leiten immer noch recht unreguliert toxischen Abraum aus dem Bergbau in den Fluss ein. Die Reinigung des Trinkwassers in Lima wird dadurch um ein vielfaches teurer – die Kosten zahlt bisher der Staat, und nicht die Verursacher.
Trotz Transandino-Tunnel kann die Wasserversorgung in Lima auch quantitativ an ihre Grenzen kommen: wenn nämlich die Stadt weiter wächst und die boomende wachsende Mittelschicht meint, sie müssten in der Wüste so leben, wie dies ihre nördlichen Nachbarn in Kalifornien tun, nämlich mit grünem Rasen und privatem Swimmingpool.
Dramatisch ist die Gletscherschmelze allerdings für die Dörfer und Städte, die tatsächlich von ihnen versorgt werden, so das Tal des Santa-Flusses im Norden (mit geplanten Spargel- und Artischockenplantagenfür den Export an der Küste) und vor allem im Süden des Landes mit den Städten Cusco und Arequipa, wo der Quellcaya abschmilzt und wo infolge des Klimawandels der Regen aller Wahrscheinlichkeit zurückgehen wird.
Vorerst wird gerade dort der Wasserhaushalt trügerisch ansteigen, durch das zusätzliche Schmelzwasser. Das böse Ende kommt danach und wird derweil fleissig verdrängt durch Ersatzhandlungen wie Shopping und Autokauf.