vonKnut Henkel 18.02.2016

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Erdöl, Erdöl, nicht als Erdöl. Seit den ersten großen Erdölfunden um 1918 dreht sich in Venezuela immer wieder die Spirale aus Inflation, Spekulation, Korruption und Missmanagement. Ein Phänomen, das unter Analysten als holländische Krankheit bezeichnet wird. Bei dem Versuch, den Teufelskreis zu durchbrechen, ist schon Hugo Chávez gescheitert. Nun muss es Nicolás Maduro versuchen – er hat nach langem Zögern den Benzinpreis angetastet. Lange ein Tabu in Venezuela.
An der Tankstelle waren die Caraqueños immer noch die Könige. Volltanken für umgerechnet weniger als einen US-Dollar war in Caracas bisher normal. Seit rund zwanzig Jahren ist der Preis für ein Liter Super nahezu unverändert. 0,097 Bolívar kostet er (rund ein Eurocent) – und das, obwohl Präsident Nicolás Maduro schon im Januar 2014 angekündigt hatte, dass der Preis angesichts sinkender Einnahmen steigen müsse. 2,7 Bolívar kostet die Produktion eines Liters Super in Venezuela, und Wirtschafts- und Finanzminister Rodolfo Marco hat schon im Mitte Februar 2015 gegenüber dem Fernsehsender „Telesur“ vorgerechnet, dass der Staat den unanständig billigen Sprit im Jahr mit 12,592 Milliarden US-Dollar subventioniere.

Das kann sich das über die größten Erdölreserven der Welt verfügende Land schon lange nicht mehr leisten. Venezuela muss sparen, denn es hat Kredite in China über rund vierzig Milliarden US-Dollar aufgenommen, die Inflation ist die höchste in Lateinamerika und die Wirtschaft schrumpft stetig. Also bleibt Maduro nichts anderes übrig als ein Tabu zu schleifen und die Venezolaner am Zapfhahn zur Kasse zu bitten. Das aber richtig:Präsident Nicolás Maduro gab am Mittwoch bekannt, dass ein Liter Super 95 künftig sechs Bolivar (0,85 Euro) kostet und sich damit um 6000 Prozent verteuert. Ein Liter Normalbenzin soll um 1300 Prozent teurer werden und parallel dazu wertete der Präsident die Währung ab und hob den Mindestlohn an.

Dafür übernahm Maduro in einer mehrstündigen Fernsehansprache auch gleich die Verantwortung und warb für Verständnis:  „Ich rufe zu Frieden und Respekt für diese notwendigen Entscheidungen auf.“ Es sei die Stunde gekommen, um für Treibstoff „faire Preise“ zu verlangen.

PDVSA die Milchkuh des Landes
Die PDVSA ist der wichtigsten Konzern Venezuelas und das staatliche Erdölunternehmen war einst die Milchkuh des Landes. Heute hat sie aber deutlich weniger zu verteilen. Hier wirbt sie für die stärkere Nutzung von Gas.

Angst vor Protesten dürfte die Regierung trotztdem haben, denn bei einer ähnlichen Erhöhung 1989 hat es blutige Proteste gegeben. Deshalb wurde die Erhöhung der Benzinpreise damals zurückgenommen und bis heute auf dem spottbilligen Niveau eingefroren. 26 Jahre hatte Venezuela die günstigsten Benzinpreise der Welt. Erhöhungen waren seither tabu und Maduro hatte die Maßnahme mehrfach aufgeschoben.

Venezuela hat eigenen Angaben zufolge die größten Ölreserven der Welt, erwirtschaftet rund 96 Prozent seiner Einnahmen in konvertibler Währung mit dem Verkauf von Erdöl und ist extrem stark  vom Ölpreisverfall betroffen. 2013 erwirtschaftete Caracas  noch  42 Milliarden US-Dollar durch Ölexporte, 2015  waren es laut Maduro nur noch 12,5 Milliarden Dollar – siebzig Prozent weniger. Daher hat die Regierung weniger zu verteilen, und das macht sich fortan auch an der Zapfsäule bemerkbar. Ein überfällige Maßnahme in Zeiten des Klimawandels.

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