vonHildegard Willer 01.03.2011

latin@rama

Seit 2008 Nachrichten vom anderen Ende der Welt und anderswoher.

Mehr über diesen Blog

Er bevölkert seit Wochen meine Facebook-Seite. Und ruft mich per Telefon an, ich solle ihm meine Stimme geben. Heute steht mein ungebetener Freund nun vor mir, und ich kann mir kaum jemanden vorstellen, auf den Facebook- und Telefonmarketing weniger passt denn auf Pedro Pablo Kuczynski, auch PPK genannt. Steif kommt er daher und heute zumindest sieht man ihm jedes seiner 72 Jahre an. Vielleicht liegt es an der Grippe, die ihn gestern im Bett hielt, wie er betont. Oder aber auch an den mickrigen 6% der Wählerstimmen, die ihm die jüngste Umfrage bescheinigt.

Pedro Pablo Kuczynski ist der älteste Kandidat, der um die peruanische Präsidentschaft ins Rennen geht. Auch der politik-erfahrenste. Ende der 60-er Jahre war er Perus jüngster Zentralbankpräsident, in den 80-er Jahren war er Energieminister unter Belaunde Terry, von 2000-2005 unter Alejandro Toledo sowohl Finanz- wie auch Premierminister. Wenn er nicht gerade ein politisches Amt in Peru begleitete, amtete er bei Weltbank, IWF und diversen weiteren Banken in den USA.  Dort hat er auch die nordamerikanische Staatsbürgerschaft angenommen, was bei gar so manchem Peruaner nicht gut ankommt. Das wusste auch Kuczynski – und hat sich für sein Wahlbündnis „Alianza para el Gran Cambio“  beliebte Provinzpolitiker sowohl von links wie von rechts ins Boot geholt, von Yehude Simon aus Chiclayo bis zu Máximo San Román in Cusco und dem evangelischen Pastor Humerto Lay.

PPK steht im Ruf, gut zu sein. Zu wissen, wie man erfolgreich wirtschaftet. Zumindest verkauft er sich als solcher und hat  manchen, die nicht aus der liberalen Ecke kommen, doch einigen Respekt abgenötigt. Ob er der Trumpf ist, der insgeheim Sympathien sammelt, die sich erst in der Wahlurne zeigen ? Ist er der Kandidat des „voto escondido“ , den alle abgeschlagenen Kandidaten beschwören ?

Um es vorwegzunehmen: der PPK , der sich heute der Auslandspresse stellt, reisst mich nicht vom Hocker. Seine Rezepte klingen  nach verstaubter Sozialdemokratie. Das mag für einen alten Neoliberalen wie PPK ein erstaunlicher Wandel sein, aber passen sie auf das heutige Peru ? Berufsschulinternate möchte er einführen, nach deutschem Vorbild, damit ein Esprit de Corps unter Technikern entsteht. Sogar eine Arbeitslosenversicherung für neue Arbeitnehmer. Formalisierung der Arbeitsverhältnisse, ein langsames Ansteigen des Mindestlohnes und Modernisierung sind sein Credo. Und  wenn mehr Leute Steuern bezahlen, könne man diese auch senken.  Investitionen in Bildung – wie sie alle Kandidaten versprechen. Das Wirtschaftswunderland Peru soll sich jetzt auch moderne Strukturen zulegen. Ganz falsch klingt das ja nicht.

Spannend wird es bei der Frage, ob die Bergbauunternehmen nun mehr Steuern zahlen sollen. PPK hatte sich immer dagegen ausgesprochen. Nun kommt er ins Überlegen: in den nächsten fünf Jahren würden einige Steuerverträge auslaufen, dann sollten die Unternehmen ihre Royalties – Lizenzgebühren – bezahlen, das würde ihre Steuerlast von 33 auf 42% heben. Ein interessanter Vorschlag für einen ehemaligen Neoliberalen.

Bei den Megaprojekten und Investitionen möchte er aber dann doch das Volk außen vor halten. Die lokale Bevölkerung sei schlecht informiert, um wirklich über Großprojekte von nationaler Bedeutung abstimmen zu können. Und mit den Brasilianern hat es PPK auch nicht.  „Lyrisch“ seien ihm die Verträge mit den Brasilianern immer vorgekommen.  Viel schöne Worte und wenig Konkretes.  So sei auch das Energieabkommen Peru-Brasilien zu bewerten. Ob er sich da bei der neuen Hegemonialmacht  Brasilien nicht etwas verrechnet? 72 Jahre Fixierung auf die USA  machen vielleicht blind für die aktuellen machtpolitischen Veränderungen, die auf dem Kontinent ablaufen.

Überhaupt läuft die Kampagne für ihn nicht so, wie er es sich gedacht hatte. Bei 6% dümpelt er dahin, während sein ehemaliger Chef Toledo, dessen Regierung er, PKK, die nötige Portion Disziplin verlieh, wie er en passant vermerkt, unangefochten an erster Stelle steht. Da hilft ihm auch der Bestseller-Autor und Motivationstrainer Miguel Angel Cornejo aus Mexiko bisher nicht, der mit ihm zum Stimmenfang durchs Land tourt .   „Aber die Leute sind ja nur aufs Fernsehen fixiert“, lamentiert PKK. An jenem Morgen scheint es, als ob Miguel Angel Cornejo erst mal den Kandidaten selbst neu motivieren muss.

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/latinorama/der_gringo-kandidat/

aktuell auf taz.de

kommentare

  • … war das vielleicht eher ein Qualifikationsauftritt für so 1, 2 Runden auf Ministerposten in einer möglichen künftigen Regierung unter /mit Toledo? Dann könnte er ihm dabei helfen: “If elected, I’m going to call them all to the table and we’re going to establish the rules of the game and once we agree to that, we’re going to have no surprises,” Toledo, 64, said yesterday in an interview in Vancouver ahead of meetings with executives of Canada’s largest mining companies. “ Dec 2010

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert