von 12.11.2008

Latin@rama

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Letzte Woche, vom 3.-7. November, protestierten die vom Bergbau betroffenen Gemeinden in Argentinien. Vor dem Ort, an dem der Bergbaukongress “Argentinia Oro 2008” stattfand, wurde eine Zeltstadt errichtet, um gegen die internationalen Bergbaukonzerne zu protestieren, die Argentiniens Ressourcen plündern und die Natur mit giftigen Zyaniden verschmutzen.

Der Protest wurde von der Unión de Asambleas Ciudadanas (UAC) organisiert, einer Organisation, in der sich die Gemeinden aus 14 Provinzen Argentiniens zusammengeschlossen haben, darunter zahlreiche Gruppen der indigenen Bevölkerung. Mit der Aktion machten die Demonstranten auf die schädlichen Auswirkungen der Goldindustrie aufmerksam. Die Minenbetreiber gehen im Dunklen ihren schmutzigen Geschäften nach, sind kaum in den Medien präsent. Die Minen sind außerhalb der großen Ballungsräume und arbeiten ohne Pickel und Stemmeisen, ja, fast ohne Personal. Es sind hochtechnisierte Industrien mit riesigen Maschinen, die jedes Jahr Gold im Wert von Millionen exportieren.

Mehr als 150 Bergbaukonzerne sind in Argentinien aktiv, darunter Großfirmen wie Rio Tinto, Barrick, BHP Billiton, Xstrata, Anglogold und Teck Cominco. Diese multinationalen Konzerne, die gerne die strengen Steuer- und Umweltgesetze in ihren Heimatländern umgehen, haben in Argentinien ein echtes Steuerparadies gefunden. In den neunziger Jahren brachte der Präsident Carlos Menem ein Gesetzespaket auf den Weg, das den Konzernen Stabilität garantierte – für 30 Jahre. Unter anderem wurden die Konzerne von Exportsteuern befreit; sie zahlen weder Steuern auf Kraftstoffe noch Importzölle, auch Wasser und Strom sind für sie kostenlos.

Spektakuläre Natur: Die Quebrada de Humahuaca

Die einzigen Abgaben, die die Konzerne laut Gesetz an die Provinzregierungen zahlen müssen, entsprechen drei Prozent des Werts des geförderten Edelmetalls – beziehungsweise ein Prozent des Marktwerts. Das Förderpotenzial ist riesig: noch sind 75 % der wahrscheinlich ertragreichen Gebiete unangetastet. Die Kupfer-, Silber- und Goldbarren, die Argentinien verlassen, wiegen 12 bis 50 Kilo – und werden in Mengen produziert, die seit der spanischen Conquista nicht erreicht wurden. Laut Schätzungen erwirtschaften die argentinischen Goldkonzerne im Durchschnitt etwa 200 Millionen Dollar.

Javier Rodriguez Pardo vom Red Nacional de Acción Ecologista, einer landesweiten Umwelt-NGO, erläutert: “Das Abkommen zwischen Argentinien und Chile, das den Goldabbau in den Anden ermöglicht, wurde zwar erst 1997 durch Carlos Menem und [dem ehemaligen Präsidenten Chiles] Carlos Frei unterzeichnet, aber schon Jahre zuvor begann der Raubbau. Schauen Sie sich eine Karte der Andenkordillere an: 250 Bergbauprojekte durchlöchern die Berge. Die Hidrovía [ein umstrittenes, inzwischen gestopptes Großprojekt zur Schiffbarmachung des Río Paraguay] wurde vor langer Zeit geplant, um die öffentlichen Güter möglichst schnell und möglichst billig auf möglichst großen Schiffen aus dem Land zu transportieren. Mit Hilfe von José Luis Gioja (der Gouverneur der Provinz San Juan) wurde in Aguas Negras eine Verbindung zum Pazifik geschaffen. Der Raubbau braucht Energie: deshalb der Bau von Atomkraftwerken. Die Kirchner-Regierung hat vier Atommeiler gebaut, mit dem Argument, das Land sei in einer Energiekrise. Natürlich haben wir eine Energiekrise – solange eine einzige Bergbaugesellschaft 10 % der gesamten Energie des ganzen Landes verbraucht.“.

Neben der Energie verbrauchen die Minen Unmengen Wasser. Eine einzige Mine, Minera Alumbrera in der Provinz Catamarca, exportiert jährlich 23 000 Tonnen Goldmineral und pumpt 1100 Liter Dreckwasser pro Sekunde in die Wüste, das sind fast 4 Millionen Liter pro Stunde.

Laut Angaben der UAC wird die neue Mine Agua Rica in der selben Provinz noch drei Mal größer sein. Nach Gesundheitsstudien von NGOs haben Krebserkrankungen in der Umgebung von Goldminen um 800 % zugenommen, und die Wasserversorgung in der Region wird aufgund des Bergbaus immer problematischer. Die Wasserknappheit hat dazu geführt, dass die Lokale Landwirtschaft 70 % weniger produziert. So gehen die auf Subsistenzwirtschaft basierenden Produktionssysteme der lokalen Bevölkerung zugrunde – durch den Raubbau an einem öffentlichen Gut, das von den Minenbetreibern verschwendet wird, ohne dass sie einen Cent dafür bezahlen müssten.

Schon bald radioaktiv verseucht? Schulgarten in Calete, Quebrada de Humahuaca

Auch die Quebrada de Humahuaca im Norden Argentiniens ist vom Bergbau betroffen. Die spektakuläre Schlucht in der Provinz Jujuy nahe der Grenze zu Bolivien wurde von der UNESCO zum Weltnalturerbe erklärt. Nun wird dieses lanschaftliche Kleinod von mehr als 1000 Probebohrungen überzogen – auf der Suche nach Uran, insbesondere duch die schweizerische Uranio AG. Die Förderung des radioaktiven Urans, das zum Bau von Brennelementen in Atomkraftwerken verwendet wird, würde die Lebensgrundlagen der indigenen Bevölkerung angreifen, die auf Gemüseanbau und Weidewirtschaft basiert: „Wir werden nie mehr organische Produkte für unsere Gemeinde und Region anbauen können“, sagt ein Demonstrant aus dem Dorf Hallpa Ñokkayku. „Sie sagen uns, dass unsere Gemeinden am Uranabbau mitverdienen werden. Aber das ist absurd: Tote können nichts verdienen.“

Mehr Infos unter: http://www.noalamina.org/

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