vonHans-Ulrich Dillmann 28.12.2009

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Ein Gespräch mit dem dominikanischen Umweltminister Jaime David Mirabal

Der dominikanische Umweltminister Jaime David Mirabal findet, dass das Pflanzen von Bäumen die Umwelt genauso heilen kann, wie die Akupunktur in der Medizin ein Heilmittel gegen Krankheiten ist. Wichtig ist ihm, dass die Menschen aktiv ihre Umwelt schützen. Der 53-Jährige war von 1996 bis 2000 Vizepräsident der Dominikanischen Republik und initiierte damals das Wiederaufforstungsprogramm »Quisqueya Verde«.

Jaime David Fernández Mirabal

INTERVIEW-Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Redaktion Welternährung, Vierteljahreszeitung der Deutsche Welthungerhilfe (DWHH)

WELTERNÄHRUNG: Herr Minister, wie viele Bäume haben Sie heute gepflanzt?
JAIME DAVID MIRABAL: Erst heute Abend habe ich dafür wieder Zeit. Gestern habe ich während einer Wiederaufforstungsaktion an der Grenze zu Haiti persönlich sieben Bäume gepflanzt und abends dann hier in Santo Domingo in einem Park fünf.

Ist das Ihr persönlicher Beitrag zur Wiederaufforstung?
Ja. Was heute gepflanzt wurde, wächst, während ich jetzt im Büro sitze. Es ist mein tägliches Fitnessprogramm. Aber gleichzeitig will ich die Menschen dazu anregen, selbst Bäume zu pflanzen, zum Beispiel an ihrem Geburtstag.

Manche haben Sie belächelt, als Sie als Vizepräsident begannen, Bäume zu pflanzen. Hat Sie das geärgert?
Nein. Als ich den Plan »Quisqueya Verde« vor fast 15 Jahren initiiert habe, war das die Fortsetzung meiner Aktivitäten seit meiner Kindheit. Mit staatlicher Unterstützung konnte ich endlich meine jahrzehntelangen Bemühungen zur Wiederaufforstung des Landes im großen Maßstab umsetzen.

Aber warum? Schon damals rühmte sich die Insel, »grün« zu sein.
Die zusammenhängende Waldfläche war auf unter 20 Prozent des Landes gesunken. Mangrovenwälder verschwanden zugunsten von Hotelanlagen. Aus Bäumen wurde Holzkohle. Wir mussten etwas unternehmen. Heute liegt der Anteil der Forstgebiete bei rund 35 Prozent. Wir haben die Waldfläche fast verdoppelt. Ein wirklicher Erfolg.

Jaime David Fernández Mirabel mit dem japanischen Botschafter Nobutaka Shinomiya
bei einer Pfalnzaktion am Río Ozama in Santo Domingo

Aber im Land gibt es nach wie vor Gegenden, in denen die Priorität der Menschen das Überleben ist. Was machen Sie, damit sich der Wald nicht in Rauch auflöst?
»Quisqueya Verde« versucht, zwei Dinge miteinander zu kombinieren. Umweltschutz durch Wiederaufforstung und die Schaffung von Einkommen ohne Abholzung. Die armen Bauern wollen essen. Durch »Quisqueya Verde« profitieren rund 3000 arme Familien, indem sie im
gesamten Land Bäume pflanzen und dadurch täglich umgerechnet sechs Euro erhalten. Gleichzeitig lernen sie, dass die Bäume, die wir vor fast eineinhalb Jahrzehnten gepflanzt haben, im Rahmen der Forstwirtschaft kommerzialisiert werden können.

Arbeiten Sie dabei mit Kollegen aus Haiti zusammen?
Wir haben ein Abkommen mit Haiti. Die Biodiversität kennt keine Grenzen, und deshalb arbeiten wir über die Landesgrenzen hinweg zusammen. Finanziert durch die dominikanische Regierung haben wir zehn binationale Brigaden gebildet, die sich ausschließlich mit der Wiederaufforstung im Grenzbereich beschäftigen. Aber die Situation in Haiti ist dramatisch. Die Menschen auf beiden Seiten der Grenze sind enthusiastisch, sie machen mit und verstehen, dass es auch zu ihrem Vorteil ist. Aber auch Haiti braucht jetzt ein solches Programm.

»Wir brauchen die Hilfe
jener, die über Jahrzehnte
große Gewinne
erzielt haben.«

Umweltschutz und Baumpflanzung in Regionen, in denen die Menschen aufgrund des fehlenden Geldes quasi gezwungen sind, Holz zum Kochen zu benutzen. Ist das nicht anachronistisch?
Solange in Haiti Nachfrage nach Holzkohle besteht, wird es einen Markt dafür geben. Fakt ist, dass die haitianischen Familien zwar das Holz schlagen und zu Kohle verarbeiten, die Händler und Auftraggeber sind jedoch Dominikaner. Hier haben wir es geschafft, durch die Nutzung von Gas den Holzkohleverbrauch um 80 Prozent zu reduzieren. Um dies auch in Haiti umzusetzen, braucht die dortige Regierung Hilfe. Im Bereich des Wasserscheidenmanagements gibt es diese schon, unter anderem von Deutschland und der Europäischen Union. Aber bei den binationalen Projekten gehen fast 80 Prozent der Gelder für Direktoren, Ausbilder, Berater und Koordinatoren drauf. So können wir die Lebenssituation der Menschen nicht verbessern.

Information:
Seit 35 Jahren in der Dominikanischen Republik aktiv
Die Welthungerhilfe ist seit 1974 in der Dominikanischen Republik tätig. Insgesamt wurden dort in den vergangenen 35 Jahren 95 Projekte mit einem Volumen von 17 Millionen Euro durchgeführt. Momentan arbeitet die Welthungerhilfe vor allem in der Randzone des Nationalparks José Armando Bermúdez, die sich in der Provinz Santo Rodriguez im Nordwesten der Dominikanischen Republik befi ndet. Gemeinsam mit der Partnerorganisation Centro Naturaleza unterstützt die Welthungerhilfe dort rund 1500 Familien in 65 dörflichen Gemeinden. Ziel ist es, die Lebensbedingungen der Bewohner der Randzone des Nationalparks zu verbessern und gleichzeitig die Umwelt zu schützen. Zunächst wird gemeinsam mit den Betroffenen ein Plan zur nachhaltigen Bewirtschaftung erarbeitet. Neue, nachhaltige Techniken in der Land- und Viehwirtschaft erhöhen das Einkommen der Menschen. Langfristig sollen die Erträge der Kleinproduzenten so stabilisiert werden, damit der illegale Holzeinschlag zurückgeht. Ein weiterer Schwerpunkt des Projekts ist die Hilfe zur Selbsthilfe: Durch Fortbildungen und Kurse werden die lokalen Organisationen gestärkt und weitergebildet, sodass sie die nachhaltige Nutzung der Randzone nach Projektende selbst fortführen und verwalten können.
WISSENSWERTES
WELTHUNGER-INDEX: Rang 24/121 Ländern

Welche Art der Zusammenarbeit wünschen Sie sich?
Der Methodologie von »Quisqueya Verde« zeigt, dass Aufforstung möglich ist, wenn die Mittel in die Gemeinden gelangen. Wir würden es begrüßen, wenn zum Beispiel außer der Welthungerhilfe noch mehr deutsche Hilfsorganisationen zusammen mit haitianischen und dominikanischen Partnern die Menschen in Projekte zum Erhalt der Biodiversität mit einbeziehen. Spezialisten könnten uns helfen, die Erfahrungen zu systematisieren und besser umzusetzen. In diesem Jahr werden wir noch eine Initiative im Grenzgebiet starten, bei der Schulen und Gemeinden bei der Wiederaufforstung helfen.

Der Umweltschutz kollidiert oft mit den Interessen des Tourismus im Land. Wie versuchen Sie, Ihre Kollegen mit einzubeziehen?
Zusammen mit dem Tourismusministerium sind wir dabei, eine gemeinsame Abteilung des nachhaltigen Tourismus einzurichten. Aber wir haben eine Ursünde begangen, indem wir keinen Generalplan für die Entwicklung des Tourismus hatten. Das hat die Umwelt geschädigt. Wir sind jetzt dabei, genaue Regeln aufzustellen. Aber es ist natürlich schwer, hinterher die Versäumnisse der Vergangenheit wieder gutzumachen. Auch hier bräuchten wir die Hilfe jener, die über Jahrzehnte große Gewinne erzielt haben, die nicht im Land geblieben sind. Je effektiver wir unsere Umwelt erhalten, umso mehr Einkommen werden wir im Tourismusbereich machen – wir, unser Land, aber auch die ausländischen Investoren.

Sie verbringen viel Zeit vor Ort, in den Naturschutzgebieten und bei Aufforstaktionen. Warum?
Mir geht es darum, das Optimale beim Umweltschutz umzusetzen. Die Menschen lernen hier durch das Beispiel. Ich zeige den Menschen durch meine Präsenz und Mitarbeit, dass Umwelt für mich sehr wichtig ist. Es kommt auf jedes Detail an, denn die Summe der Details macht die großen Dinge aus.

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