vonGerhard Dilger 12.02.2025

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Von Frank Braßel

Nicht einmal zur Wahlparty erschien der ecuadorianische Präsident Daniel Noboa am Sonntagabend, er ließ Anhänger*innen und Journalist*innen vergeblich warten. Offenbar persönlich beleidigt war der Sohn der reichsten Familie des Landes. Seine Untertanen hatten nicht wie die rechtlosen Arbeiter*innen in den Bananenplantagen seines Vaters gehorcht und ihm den erwarteten klaren Sieg bei den Wahlen verwehrt.

Knapp elf Millionen Ecuadorianer*innen stimmten mit jeweils 44 Prozent für Noboa und seine wichtigste Gegenkandidatin, Luisa González von der Revolución Ciudadana des ehemaligen linken Präsidenten Rafael Correa. Die beiden werden in einer Stichwahl am 13. April erneut gegeneinander antreten.

Noboa war erst im November 2023 überraschend zum Präsidenten Ecuadors gewählt worden – für eine Übergangsperiode nach dem Rücktritt seines Vorgängers, dem Bankier Guillermo Lasso. Dass er jung war und wenig politische Erfahrung hatte, schien Daniel Noboa von der wenig beliebten Politikerkaste abzuheben.

Doch von dem „neuen Ecuador“, das er stets und überall versprach, ist wenig zu sehen. Er setzte auf eine rein militärische Strategie gegen die Drogenbanden, die Ecuador in den vergangenen Jahren zum gefährlichsten Staat Lateinamerikas gemacht haben. Während sich zunächst die Situation etwas zu beruhigen schien, musste im Januar mit 731 gewaltsamen Toten der blutigste Monat in der Geschichte des Landes konstatiert werden.

Verkohlte Kinderleichen

Zudem mehren sich Berichte über Menschenrechtsverletzungen auf Seiten der Militärs. Erst im Dezember verschleppten Soldaten vier afroecuadorianische Kinder aus einem Armenviertel Guayaquils, die nach wochenlanger Suche als verkohlte Leichen mit Folterspuren gefunden wurden. „Nur die Spitze eines Eisbergs“, sagt Billy Navarrete von der Menschenrechtsorganisation CDH. „Inzwischen kennt man die Namen von gut zwei Dutzend Opfern des Militärs.“

„Die Häufung von Menschenrechtsverletzungen durch die Sicherheitskräfte hat viel damit zu tun, dass es keine Säuberung von Militär- und Polizeiangehörigen gibt, die von kriminellen Gruppen kooptiert werden“, ergänzt der Sicherheitsanalyst Luis Córdova am Tag nach der Wahl. Die Drogenökonomie und damit verbundene Korruption sind nicht nur im Sicherheitsapparat präsent, sondern auch in Wirtschaft, Justiz und Politik. Dagegen sind Noboa und die ihm ergebene Generalstaatsanwältin nur vorgegangen, wenn es um politische Gegner ging.

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So arrogant sich Noboa am Wahlabend verhielt, so willkürlich hat er Gesetze und Verfassung seines Landes missachtet. Seine Vizepräsidentin hat er außer Landes geschickt und dann ohne juristische Grundlage durch eine junge Frau ersetzt, in deren Haus sich lange Rubén Cherres, einer der wichtigsten Verbindungsmänner zwischen Mafia und Politik, vor der Justiz versteckt hielt und dort im März 2023 ermordet worden war.

Obwohl er gemäß Verfassung als Kandidat von seinem Amt zurücktreten müsste, tat Noboa dies nur tageweise, verkündete dann aber trotzdem vermeintliche Erfolge seiner Präsidentschaft. Im April 2024 ließ er die Polizei mit Gewalt in die mexikanische Botschaft eindringen, um einen Oppositionspolitiker festnehmen zu lassen, der dort Asyl erhalten hatte: eine international verurteilte Verletzung diplomatischer Grundregeln.

Die Wirtschaft Ecuadors schrumpfte in 2024, monatelange Stromrationierungen haben dazu mit beigetragen. Nur noch ein Drittel der arbeitsfähigen Bevölkerung verfügt über eine sozialversicherungspflichtige Anstellung mit Mindestlohn. Das Durchschnittseinkommen ist im vergangenen Jahr von 400 auf 350 Dollar gefallen, die Armut angestiegen. Ein ideales Rekrutierungspotenzial für die Drogenbanden.

Angesichts dieser Bilanz mag es überraschend erscheinen, dass Noboa bei den Wahlen überhaupt eine Chance hatte. Der Präsident bleibt erstaunlich populär. Nicht zuletzt, da er sich eher „unpolitisch“ gab. Zu konfliktiven Themen schwieg er meist, negative Sozialdaten konterte er mit positiven Fantasiezahlen. Seine Frau organisierte massive Wahlgeschenke in Armenvierteln. Gleichzeitig war Noboa in den sozialen Medien allgegenwärtig: in Badehose oder Maßanzug, mit Sonnenbrille oder Kampfhelm, zwischen Sonnyboy und Macho. Gerade jüngere Wähler*innen fühlten sich davon angesprochen.

Indígenas als Zünglein an der Waage?

Die genaue Auszählung der Wahlen war auch Dienstagabend noch nicht abgeschlossen. Ob der Präsident um 0,2 Prozent vor González bleibt, ist ebenso unsicher wie die Mehrheit im Parlament, wo Noboa gerne seine Mutter Annabella Azín als Präsidentin sehen würde. In jedem Fall könnte die Indígena-Partei Pachakutik, die mit gut fünf Prozent ihres explizit linken Kandidaten Leonidas Iza mehr als einen Achtungserfolg erzielte, in der politischen Zukunft Ecuadors eine wichtige Rolle spielen.

„Mathematisch scheint ein Sieg Luisas in der Stichwahl gut möglich“, erläutert Luis Córdova. „Aber weder ist klar, was bis zur Wahl im April geschehen wird, insbesondere in Bezug auf die Positionierung der USA, noch wird eine Einigung zwischen der Revolución Ciudadana und Pachakutik einfach sein.“

Leonidas Iza hat diesbezüglich klar gemacht, dass nicht er allein über eine Wahlempfehlung entscheiden werde. „Die Stimme gehört nicht den Anführern oder Parteien. Unsere Entscheidung wird gemeinsam mit dem Volk, den Organisationen und all jenen, die uns vertraut haben, getroffen. Es geht um ein Projekt für das Land in einer politischen und ideologischen Linie, um die wichtigsten Probleme des Volkes zu lösen. Und wir werden weiterkämpfen, wenn derjenige, der die Regierung übernimmt, sie nicht löst.“

Der „Mini-Trump“

Daniel Noboa ist in Miami geboren und besitzt die US-Staatsbürgerschaft. Er war neben dem Argentinier Javier Milei und Nayib Bukele aus El Salvador der dritte lateinamerikanische Staatschef bei der Amtseinführung Trumps. „Die Erklärung des internen bewaffneten Konflikts durch Präsident Noboa im Januar 2024 entspricht einer strategischen politischen Ausrichtung der Agenda des Pentagons oder des Verteidigungsministeriums der USA für Südamerika,“ erläutert Córdova die inhaltlichen Übereinstimmungen. „Es wäre leicht vorstellbar, dass Washington Noboa während der zweiten Wahlrunde politische Unterstützung gibt, indem ein spezifischer Hilfsplan zur Bekämpfung der Kriminalität angekündigt wird. Aber wie bei Trump üblich, wird dies im Austausch für etwas geschehen.“

Hier mögen sich die Wünsche des US-Präsidenten und des ecuadorianischen „Mini-Trump“, wie er manchmal spöttisch genannt wird, durchaus ergänzen. In gewisser Hinsicht zeichnet sich ein solches Szenario bereits ab, wenn man verfolgt, wie in den letzten beiden Jahren die Narco-Banden von Unternehmern als paramilitärische Kräfte im lukrativen Bananen- und Krabbensektor sowie bei Bergbauprojekten gegen jede Art von Widerstand eingesetzt wurden. Noboa will genau diese Sektoren stärken und strebt massive Privatisierungen im Energie- und Erdölsektor an.

Welche Alternativen?

González und die Correistas sind in ihrem Entwicklungsmodell, das auch auf dem Extraktivismus fußt, gar nicht so weit von Noboa und den USA entfernt. Allerdings treten sie für eine stärkere Rolle des Staates in der Wirtschaft und in der Sozialpolitik ein. Ohne dies scheint eine Lösung der Kriminalität gerade unter den Jugendlichen in den Armenvierteln unmöglich, für die es derzeit kaum Alternativen zum Angebot der Drogenbanden gibt.

Der Extraktivismus ist wiederum ein rotes Tuch für die Indígena-Bewegung, da er vielfach ihre Lebensgrundlagen und die Umwelt zerstört. Sie treten stärker für dezentrale Demokratie- und Wirtschaftskonzepte und die Agrarökologie ein. Dies hält der ehemalige Präsident Rafael Correa, der als Übervater nicht nur auf den Wahlplakaten hinter González schwebte, sondern bis heute die Partei aus dem belgischen Exil kontrolliert, für „infantil“. Wie ein stärkeres Aufeinanderzugehen zwischen Correistas und Pachakutik möglich sein soll, ist schwer vorstellbar. Correa scheint in seiner besserwisserischen Arroganz noch gestärkt und glänzt durch die Abwesenheit jedweder Selbstkritik.

Keine optimalen Voraussetzungen also für eine letztlich notwendige Allianz, die eine Alternative schaffen müsste. Eine Alternative zu dem sich unter Noboa bereits abzeichnenden autoritären, militärischem Konfliktlösungsmodell in einer extrem polarisierten Gesellschaft mit gravierenden Sicherheitsproblemen. Ob man sich zusammenrauft?

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kommentare

  • Sehr geehrter Herr Marner, wie Sie sehen, ist Ihr langer Leserbrief angekommen. Ich werde versuchen, knapp zwei zentrale Punkte Ihrer Kritik aufzugreifen.
    1. Mir ist nicht klar, wieso Sie darauf kommen, Noboa hätte in den 15 Monaten „beachtlich(es)“ erreicht. Er hat ständig Gesetze und Verfassungsprinzipien verletzt (was Sie aus politischen
    Gründen zu rechtfertigen scheinen, mir erscheint das für ein Staatoberhaupt ein sehr schlechtes Vorbild), sein Kabinett regelmäßig und oft sehr willkürlich verändert, er hat das klare Votum einer Volksabstimmung für die Einstellung der Ölförderung im Naturpark Yasuní missachtet, Kriminalität und Drogengeschäft nicht unter Kontrolle bekommen, bei den Eltern der im Dezember vom Militär verschleppten und später ermordeten vier Kinder nicht einmal um Verzeihung gebeten, sondern lieber seinen neuen Tätowierungen und die schicke Silverster-Garderobe in den sozialen Medien präsentiert. Als einzigen konkreten Punkt erwähnen Sie, dass er den Staat wieder zahlungsfähig gemacht hätte (was in der Praxis, wie Sie aufgrund Ihrer intimen Ortskenntnisse sicher selbst wissen, nur sehr bedingt stimmt) – auf Kosten der Erhöhung der öffentlichen Verschuldung um mehr als 6 Mrd. USD.
    2. Mir ist nicht klar, wieso Sie behaupten, die taz würde „diese korrupte Revolución Ciudadana als hoffnungsvolle linke Alternative zum ach so bösen Präsidenten Daniel Noboa“ präsentieren. Dies entspricht gar nicht dem Inhalt des Artikels.
    Doch vier weitere Jahre unter Noboa werden für das Land ein Desaster bedeuten, orientiert an den Methoden von Bukele, Milei und Trump. Und wenn tatsächlich sein Vater ihn auf die Präsidentenrolle vorbereitet haben sollte, wie Sie schreiben, erfüllt mich das keinesfalls mit Optimismus. Denn Alvaro Noboa hat in seinen Bananen-Plantagen vielfach die Arbeitsrechte missachtet, Gewerkschaften verfolgt und ist häufig seine Steuern schuldig geblieben. (Sein Sohn hat sie ihm nun erlassen.) Für mich kein vorbildlicher Staatsbürger und Lehrer.
    Das Land befindet sich in einem echten Dilemma, so haben es auch mehrer Leser*innen dem Artikel entnommen. Lenin Moreno konnte als treuer Gefolgsmann Correa seinen Kurs nach der Wahl 2017 ändern, leider zu einem brutalen neoliberalen Kurs, der zu den Covid-Leichen in den Straßen Guayaquils beigetragen hat.
    Vermutlich hätte Luisa González diese Chance auch, aber könnte stärker auf die Indigena-Bewegung zugehen und alternative Entwicklungswege zumindest antesten. Noch mehr Neoliberalismus, noch mehr Militär, noch mehr Korruption, noch mehr Menschenrechtsverletzungen wünsche ich Ecuador nicht. (Ich kenne das Land übrigens seit 30 Jahren, von denen ich sechs dort gelebt habe, und konnte die drei Monaten vor den Wahlen vor Ort verbringen und mit vielen Personen Kontakte unterhalten.)
    Mir ist im übrigen nicht verständlich, warum für die unbestreitbaren negativen Folgen der drei letzten, neoliberalen Regierungen seit 2017 von Anhänger*innen derselben Rafael Correa verantwortlich gemacht wird. Und der war in der Tat nicht unfehlbar – auch wenn er das bis heute zu glauben scheint.

  • Ich verfolge das politische Geschehen in Ecuador seit 30 Jahren; meine Frau kommt von dort und wir wollten uns eigentlich in wenigen Jahren dort zur Ruhe setzen. Ich verorte mich politisch links genauso wie meine Frau. Und ich habe mich sehr über Ihren Artikel geärgert, denn das, was in Ecuador passieren wird, wenn Luisa González und ihre Revolución Ciudadana gewinnen sollte, das ist keine Verschiebung nach links, sondern die Kapitulation der Demokratie vor der Drogenmafia und der Korruption.

    Ich bin KEIN Freund von Daniel Noboa, aber wenn man berücksichtigt, was der junge Mann in den gerade mal 1,5 Jahren der Präsidentschaft erreicht hat, die er von dem gescheiternen Präsidenten Lasso übernommen hatte, dann finde ich das recht beachtlich. Der Staat war praktisch komplett pleite, Lasso wusste nicht einmal wie er die Gehälter der Staatsbediensteten des kommenden Monats finanzieren sollte. Noboa hat – gut ausgebildet von seinem Vater mit dem Ziel die Präsidentschaft (später) einmal zu übernehmen – es geschafft Resourcen zu mobilisieren, damit der Staat nicht vollends zusammenbricht. Nur kam die Präsidentschaft für Noboa zu früh (weil Lasso mitten in der Legislaturperiode gescheitert war). Wunder darf man in nur 1,5 Jahren Präsidentschaft nicht erwarten; schon gar nicht, wenn die Revolución Ciudadana von Correa im Parlament die Mehrheit hat und alle (auch sinnvollen) Vorhaben blockiert um Noboa zu diskreditieren und um sich einen Vorteil für die nächste Wahl zu verschaffen.

    Was mich an Ihrem Artikel zum Einstieg direkt geärgert hat, ist der erste Absatz: Zitat: „Seine Untertanen hatten nicht wie die rechtlosen Arbeiter*innen in den Bananenplantagen seines Vaters gehorcht und ihm den erwarteten klaren Sieg bei den Wahlen verwehrt.“ – und er wäre beleidigt gewesen und hätte deshalb nicht an der „Wahlparty“ teilgenommen. Nun: Aus meiner Sicht gibt es NICHTS zu feiern, da kann ich mir schon vorstellen, warum.

    Aber die Ursprünge der aktuellen Misere liegen z.T. schon Jahrzehnte zurück – wie so häufig. Das kommt in Ihrem Artikel aber gar nicht vor; dafür ist er viel zu oberflächlich. Seitdem ich mich mit der Lage in Ecuador beschäftige, gibt es ein Riesenproblem namens Korruption. Aber das Land war relativ stabil und friedlich. Die Leute lebten (zu einem großen Teil) arm aber friedlich und nicht unglücklich. Meine Frau kommt aus einem kleinen Dorf in den Anden, als sie Kind war. Das Geld reichte vorn und hinten nicht; wenn ein paar neue Schuhe gekauft werden mussten, dann war das ein Drama. Unter diesen Voraussetzungen ein halbes Wunder, dass sie (an einer staatlichen Uni gratis) studieren konnte und es nach Europa geschafft hatte. – Egal.

    In den 90er Jahren hat man – nach einer Hyperinflation (verursacht durch Korruption) – die staatliche Währung auf den US-Dollar umgestellt. – In dem Moment hat es die Wirtschaft halbwegs stabilisiert, aber es sollte sich noch zum Problem auswirken; dazu später. 2007 hat dann Rafael Correa die Präsidentschaft übernommen – als Hoffnungsträger der Linken und der Armen. Auch meine Frau und ich sowie große Teile der Familie meiner Frau in Ecuador haben ebenfalls große Hoffnungen gehabt. In der ersten Amtszeit hat er auch so einige Projekte durchgezogen, die gut und vielversprechend waren.

    Aber bereits in der ersten Amtszeit hatten FARC-Rebellen aus Kolumbien in Nordecuador Zuflucht gesucht – von wo aus sie Anschläge auf kolumbianischen Territorium verübt hatten. Ob dies mit wissentlicher Duldung durch die Regierung unter Correa geschah, ist unklar; das will ich nicht unterstellen. Dass das ecuadorianische Militär (und der Grenzschutz) nicht viel dagegen unternommen hat ist jedenfalls unstrittig.

    Jedenfalls hat sich das kolumbianische Militär genötigt gesehen in einer Militäroperation diese Rückzugsposten auf ecuadorianischem Territorium anzugreifen – was eine diplomatische Krise zwischen den Nachbarländern verursacht hatte. In der zweiten Amtszeit wurde das Handeln von Rafael Correa immer problematischer. Immer mehr wurden Medien zum Propaganainstrument der Regierung instrumentalisiert. Zugegeben, die Versuche von Diffamierungskampagnen der Opposition waren auch sehr problematisch, aber auf Propaganda und Lügen mit Gegenpropaganda und Lügen zu antworten ist nicht unbedingt das, was man von einem Staatsmann erwartet.

    Es wurden zum Teil sinnlose aber teure Infrastrukturprojekte angegangen bei denen jede Menge Kohle abgezweigt wurde. Das lief über den Vizepräsidenten Jorge Glas. Beide, Rafael Correa und Glas, sind wegen Korruption rechtskräftig verurteilt (Panama Papers) – übrigens nicht nur in Ecuador, sondern auch in den USA.

    Die derzeitigen Probleme mit mangelhafter Energiesicherheit und Stromabschaltungen gehen auf die Regierungszeit unter Correa zurück. Da wurde z.B. ein Wasserkraftprojekt unterfinanziert gestartet, von Chinesen realisiert und dann wurde aus dem eh schon zu geringem Budget noch jede Menge „Schwarzgeld“ abgezweigt. In Folge haben die Chinesen für das „Restbudget“ eine „Scheißqualität“ geliefert und trotzdem (aufgrund von Korruption) die Abnahme für die mangelhafte Wasserkraftanlage erhalten. Und das ist nur ein Beispiel unter vielen.

    Generell sind viele Projekte gestartet worden, bei allen sind viele Schwarzgelder abgezweigt worden und viele sind nichts weiter als Bauruinen. Um das zu finanzieren hat Correa das Land überschuldet und z.B. das zukünftig zu fördernde Erdöl an Chinesen verkauft. Die nachfolgende Regierung zunächst unter Lenin Moreno (ebenfalls „Revolución“) hatte gar keine andere Wahl als auf einen neoliberalen Kurs einzuschwenken, weil Einnahmen fehlten, wegbrachen (damalige Ölpreisentwickung) und gleichzeitig der IWF die Daumenschrauben angezogen hatte. Auch Mehreinnahmen über verstärkte Ölexporte (zum Beispiel) waren nicht mehr möglich, weil die Vorgängerregierung das bereits an die Chinesen „verpfändet“ hatte.

    Alles um bei unnützen Projekten Schwarzgeld abzweigen zu können. Ein weiteres großes Problem besteht darin, dass Correa die US-Militärbasis in Manta geschlossen hat. Alles mit dem „Argument“ der „nationalen Souveränität“. Klar, die amerikanische Präsenz war nicht uneigennützig. Aber die militärische Überwachung des Luftraums und der Küstengewässer hat halt sehr geholfen, Drogenschmuggel präventiv zu bekämpfen. Das lag insofern (auch) im Interesse der USA damit über diesen Weg schonmal weniger Kokain in die USA kommt. Aber es half halt auch Ecuador bei der Bekämpfung der Drogenkriminalität, die bis dahin nur gering war.

    Wenn man jetzt diese US-Militärbasis schließt (wie gesagt mit dem „Argument“ der „nationalen Souveränität“), dann müsste man diese Kontrolle (durch das US Militär) ersetzen durch eine eigene Kontrolle durch ecuadorianischen Zoll und Militär. Das hat aber nicht stattgefunden. Entweder mangels Gelds, mangels Kompetenz oder vielleicht sogar aus Absicht.

    Jedenfalls gab es schon früh Gelder der FARC und der Drogenmafia (da gibt es große Überschneidungen) in den Wahlkampfkampagnen der „Revolución Ciudadana“ unter Correa und seinen Nachfolgern (zum Teil auf kommunaler oder Provinzebene). Die nachfolgende Regierung unter dem Banker Victor Lasso hatte dann mit einer beispiellosen Rezession zu kämpfen die durch Covid nochmal „den Rest“ bekommen hatte.

    Der Tourismussektor (Galapagos!) ist in der Zeit fast vollständig zusammengebrochen – In Guayaquil lagen die Covid-Leichen auf den Straßen (das Gesundheitssystem war infolge der Misswirtschaft der Vorgänger-Regierungen und der Daumenschrauben des IWF zusammengeschrumpft) und gleichzeitig brach ein Großteil der Transfer Leistungen der Exil-Ecuadorianer in die Heimat weg.

    Dadurch ging die Wirtschaftsleistung massiv zurück – was die Armut im Land verstärkte. In dieses Vakuum ist dann die Drogenmafia vorgestoßen. Unter der armen Bevölkerung kann man leicht Personal für die Mafia rekrutieren. Eine wirksame Kontrolle (wie vormals mit dem US-Stützpunkt in Manta) gab und gibt es nicht mehr. Kleinflugzeuge kommen aus Kolumbien, liefern „heiße Ware“ in Ecuador ab. Dort geht es ohne wirksame Kontrolle auf die Schiffe. Vor allem auf Bananendampfer.

    Zum Teil wird die Ladung schon an Land „geimpft“ mit Koks, zum Teil erst auf hoher See. Der ecuadorianische Staat ist „blind“, weil sie keine Leute haben oder weil die wenigen die da sind bestochen und/oder erpresst werden (wir wissen wo du wohnst – und du willst doch nicht dass deinen Kindern etwas zustößt – aber du kannst wenn du wegschaust auch dein spärliches Gehalt aufbessern).

    Mittlerweise hat die Drogenmafia große Teile der Gesellschaft okkupiert; allen voran die Partei Revolución Ciudadana von Rafael Correa. Die Tatsache, dass immer wieder korrupte Politiker der Revolución Ciudadana sind, die dafür sorgen, dass Mafiosi freikommen oder freie Hand haben, spricht doch Bände. Wenn Noboa seine Vizepräsidentin kaltstellt – mit verfassungsrechtlich zugegebenermaßen problematischen Mitteln – dann hat das einen Grund: Die Dame wollte allen ernstes den korrupten Jorge Glas und den korrupten Rafael Correa begnadigen und Correa damit eine Rückkehr in die ecuadorianische Politik ermöglichen. Das wäre möglich gewesen, wenn Noboa die Präsidentschaft hätte ruhen lassen, um Wahlkampf für sich zu machen – dann hätte die Vize Verónica Abad kommissarisch die Amtsgeschäfte übernommen. Die Verfassung hatte das so vorgesehen.

    Sie wird wohl von der Revolución Ciudadana gekauft worden sein um erklärtermaßen Glas und Correa zu begnadigen. Das hatte die Verfassung nicht vorgesehen. Also hat Noboa Verónica Abad kaltgestellt (aus meiner Sicht „Gott sei Dank“). Auch hat Noboa dafür gesorgt, dass Jorge Glas, der sich rechtskräftig wegen Korruption verurteilt in die mexikanische Botschaft in Quito geflüchtet hat (und sich als Unschuldslamm und „politisch Verfolgter“ darstellt) in einer problematischen Aktion aus der Botschaft rausgeholt wurde bevor er in einer geplanten Nacht-und-Nebelaktion mit Botschaftsgepäck, Botschaftsfahrzeugen und einer mexikanischen Militärmaschine außer Landes geschafft werde konnte.

    Um klarzustellen: Jorge Glas ist KEIN politisch Verfolgter, sondern ein durch und durch Korrupter der zu lasten der armen Bevölkerung Ecuadors viele Millionen auf Konten in Panama „auf Seite geschafft“ hat. Es sollte im Interesse der armen Bevölkerung liegen, dass Glas und auch Correa hinter Gittern bleiben und nie wieder in Ecuador politisch aktiv werden dürfen.

    Aber sowohl die Präsidentschaftskandidatin Luisa González der Revolución Ciudadana als auch die formale aktuelle Vizepräsidentin Verónica Abad betreiben eine andere Agenda. González ist nur eine Marionette von Rafael Correa. Insofern hoffe ich (als Linker!!!!) inständig, dass Daniel Noboa in den Stichwahlen gewinnt. Denn mit González wird das Land der Korruption und der Drogenmafia kampflos übergeben. Es drohen venezolanische Zustände.

    Nochmal zum Thema Korruption: Mein Schwager, Dr. der Biologie – promoviert an der Uni Bayreuth – war in Ecuador zur Zeit von Rafael Correa tätig als Leiter des Nationalpark Cajas mit 100 Mitarbeitern. Jedesmal, wenn irgendwelche Wahlen waren (kommunal, Provinz…), da musste er 10% seines Gehaltes über Monate abführen in die „schwarzen Kassen“ für den Wahlkampf der Partei Revolución Ciudadana. Sonst hätte er von heute auf morgen seinen Job verloren. Wenn man Schulgeld für seine 2 Kinder zahlen muss und die Schulden von der Eigentumswohnung abstottert, dann ist das in einem Land ohne Arbeitslosenversicherung keine gute Perspektive. Also hat er das Spiel zunächst einmal mitgespielt. (Was blieb ihm anderes übrig?)

    Als es dann ein Bergbauprojekt (Gold) im Natur- und Nationalpark Cajas gab, da hat er sich nach einem Gutachten französischer Geologen dagegengestellt, weil die Trinkwasserversorgung der 750.000 Einwohner-Stadt Cuenca damit durch Schwermetalle bedroht wäre. Das passte den Regierenden der Partei Revolución Ciudadana nicht und er hat den Job verloren. Auch an den (staatlichen) Universitäten hat er keinen Job mehr bekommen; er war verbrannt. Nun ist er mit seiner deutschen Frau und den deutschen Kindern in Deutschland. Vor Ort hatten sie „nix mehr zu essen“.

    Wenn ich dann hier in der taz lesen muss, dass diese korrupte Revolución Ciudadana als hoffnungsvolle linke Alternative zum ach so bösen Präsident Daniel Noboa für „die rechtlosen Arbeiter*innen in den Bananenplantagen seines Vaters“, dann werde ich wütend. In einem politischen System unter der Revolución Ciudadana wären sie nicht nur arm, sondern hätten zusätzlich noch immer größere Probleme mit der Drogenmafia, mit schnellen Express-Entführungen und unsinnigen Projekten aus den wenigen staatlichen Einnahmen, die nur der Korruption dienen.

    Wenn das bei Ihrem Autor Frank Braßel ankommt, dann wäre ich Ihnen sehr dankbar. Vielleicht kann man aus dem Beitrag auch diesen klassenkämpferischen bias da rausnehmen „die bösen Reichen“ und die „guten Linken“. An der Partei Revolución Ciudadana ist nichts wirklich links – außer der Diskurs für den populistischen Stimmenfang. Ich stelle auch gerne den Kontakt her zwischen Ihrem Autor und meiner Frau und meinem Schwager. Die sollen einfach mal mit eurem Autor reden. Dann könnt Ihr basierend darauf auch gerne nochmal recherchieren. Und der nächste Beitrag ist dann hoffentlich etwas weniger schönfärberisch zugunsten einer Revolución Ciudadana, unter der das Land noch weiter in Richtung „failed state“ abdriften würde.

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