Interview mit Ricardo Bacallao, 52, dem Initiator von „Big Cuba“, dem zehntägigen Kuba-Festival im Berliner Programmkino Babylon. Dort werden über zehn Tage Filme, Diskussionen über die kubanische Kultur und die elementare Krise, die die Insel derzeit durchleidet, angeboten. Eine Option, um mit Besucher:innen von der Insel ins Gespräch zu kommen, so Bacallao.
latin@rama: „Bebo“, ihr Dokumentarfilm über den kubanischen Pianisten Bebo Valdés, der unter ungeklärten Umständen 1960 ins Exil nach Schweden ging, bildet gemeinsam mit dem Konzert von Roberto Fonseca den Auftakt von „Big Cuba“. Hängt das eine mit dem anderen zusammen?
Ricardo Bacallao: Ja, denn Roberto Fonseca gehört zur Familie Valdés, ist Pianist wie Bebo und dessen berühmter Sohn „Chucho“ Valdés. Roberto Fonseca hat sich in seinem Spiel von Bebo Valdés inspirieren lassen.
„Bebo“ ist auch ein Film über die kubanische Diaspora – in diesem Fall eines Künstlers. Warum ging der erfolgreiche Jazz-Musiker Bebo Valdés – was ist passiert im Jahr 1959?
Gute Frage, denn der bin ich letztlich bei meiner Recherche zwischen 2019 und 2022 nachgegangen. Exakt kann ich sie trotzdem nicht beantworten, obwohl ich mit großen Teilen der Familie Valdés gesprochen habe.
Selbst sein ältester schwedischer Sohn, der mit ihm aufgewachsen ist, kann sie nicht beantworten. Bebo hat die wenigen Male, die er über seine Ausreise aus Kuba gesprochen hat, immer den Eindruck erweckt, dass ihm Gefängnis, Unrecht, von Seiten der damaligen Regierung drohte. Sein Sohn Rickard hingegen hat gesagt, dass er das Andenken an seinen Vater beschädigen würde, wenn er sich äußern würde. Ich bin gegen Wände gelaufen, habe den Eindruck, dass die Familie ein Geheimnis hat, das ich jedoch nicht lüften konnte. So wird es weiterhin spekuliert werden.
Den wenigen Interviews zufolge, fühlte sich Bebo Valdés bedroht, richtig?
Ja, er hat gesagt, dass er nur die Alternative hatte ins Gefängnis zu gehen, vor einem Erschießungskommando zu landen oder zu gehen. Er hat sich für die letzte Option entschieden – hat Frauen und Kinder verlassen und ist nie wieder nach Kuba zurückgekehrt. In Schweden hat er unter teils schwierigen Bedingungen gelebt – mit seiner dritten Frau, der Schwedin Rose Marie Pehrson.
Aber die Gründe sind offen?
In diesem speziellen Fall ja, aber Bebo wäre nicht der erste der Probleme mit der neuen kubanischen Regierung hatte. Celia Cruz ist ein anderes bekanntes Beispiel, aber die Liste der ins Exil gegangen Künstler:innen ist lang. Insgesamt sind zwischen 1959 und 1962 rund 250.000 Kubaner:innen ausgewandert. Zwischen 1965 und 1975 verließen noch einmal 300.000 Menschen in den sogenannten Freiheitsreisen die Insel. Das ist ein enormer Aderlass angesichts von knapp sechs Millionen Einwohner:innen. Unter den Migrant:innen gab es viele Künstler – darunter die bereits erwähnte Celia Cruz. Ich habe sie 1997 noch gesehen, gesprochen als ich in den USA Kino studierte. Das ist eine traurige Facette der kubanischen Geschichte.
Die in Ihrer Arbeit eine Rolle spielen?
Ja, richtig, mich interessieren derartige Schicksale rund um die kubanische Diaspora und Bebo reiste nur mit einem Koffer voller Noten und Arrangements aus, der ihm auf dem Flughafen jedoch beschlagnahmt wurde. Er kam mit nichts in Schweden an, musste sich sein Klavier von der Schwiegermutter finanzieren lassen.
Wie sind Sie auf die Idee gekommen einen Film über einen weltberühmten Pianisten zu machen, der lange vergessen war, der dank eines Albums mit Paquito D‘Rivera in den 1990er Jahren seine musikalische Wiederauferstehung feierte und 2013 verstarb?
Durch Zufall, ich habe den Dokumentarfilm Calle 54 des spanischen Oscar-Preisträgers Fernando Trueba über den Latin Jazz gesehen, war beeindruckt und lernte wenig später Emilio Valdés, ein Enkel Bebos, in New York kennen. Da entstand die Idee zum Film und über Emilio lernte ich andere Mitglieder der Familie kennen und dadurch wurde die Figur Bebo Valdés und seine ungewöhnliche Biografie immer interessanter für mich. Die Tatsache, dass Bebó, der mehr als ein halbes Leben in Schweden verbracht hat, dort wenig bekannt und kaum gewürdigt ist, hat mich dann eher noch bestärkt den Film zu machen und die Recherchen zwischen 2019 und 2022 durchzuführen.
Premiere wird Ihr Film in seiner endgültigen Fassung nun in Berlin haben bei Big Cuba, dem von Ihnen initiierten Festival über Kino in Kuba. Warum ist so ein Festival nötig, was hat Sie motiviert es anzustoßen, es zu organisieren und sich um alles zu kümmern?
Zuerst einmal lebe ich in Berlin, dann ist die kubanische Kultur so vielfältig und spannend, dass ich mich gefragt habe, warum ist niemand auf die Idee gekommen so etwas auf die Beine zu stellen. Also habe ich es initiiert, denn Berlin ist nach dem Fall der Mauer so etwas wie eine Freie Zone – hier wird diskutiert, Streitgespräche geführt, sich verhalten. Hier ist vieles im Kulturbereich und darüber hinaus möglich und das unterscheidet Berlin ganz erheblich von Havanna. Mich hat die Idee eine Zona franca der kubanischen Kultur mitten in Berlin für zehn Tage zu schaffen, begeistert und fasziniert.
Wie sind Sie zum Film gekommen?
Ich bin in Havanna aufgewachsen und der kubanische Film war immer etwas heiliges, etwas unantastbares, ein Freiraum. Das hatte mich früh fasziniert, denn das Filmambiente war relativ frei von Ideologie. Ich bin durch das Sehen vieler Filme immer wieder in die Szene gerutscht, habe mich mit der politischen Zensur von Kino und Kunst beschäftigt und war und bin beeindruckt wie sich viele gegen die Zensur gestemmt, Respekt eingefordert haben.
Ist das ein Grund Leute wie Fernando Pérez nach Berlin einzuladen, einer der großen Regisseure der Insel, der sich immer wieder in die politische Debatte eingeschaltet hat?
Ja, für mich ist Fernando Pérez der einflussreichste lebende Regisseur Kubas und ich habe an ein paar Tutorials mit ihm teilgenommen und bin beeindruckt von ihm als ehrlichen, kritischen und offenen Menschen.
Der sich nicht scheut sich zu äußern, der klar Position bezogen hat zum 11. Juli 2021 und den niedergeschlagenen Protesten auf der Insel …
Sich korrekt zu Verhalten hat immer seinen Preis. Es erfordert Mut sich gegen Unrecht zu äußern – in jedem System. Die klare Haltung von Fernando Pérez bewundere ich, denn er verhält sich im privaten genauso wie in der Öffentlichkeit. Das ist selten.
Big Cuba ist mehr als ein Kino-Festival, ist es ein Fenster der kubanischen Kultur, ein Freiraum der Diskussion, den es auf der Insel nicht mehr oder kaum mehr gibt?
Oh ja, natürlich ist das mein Anspruch und über die Situation in Kuba kann Ihnen meine Mutter, die gerade nach Deutschland gekommen ist, besser berichten als ich. Zensur hat es in Kuba immer gegeben, aber heute wird darüber gesprochen, sich gewehrt, die Verhältnisse angeprangert – das ist der große Unterschied. Die Kultur ist es, die uns verbindet und die kubanische Kultur gilt es zu verteidigen und dafür ist ein Freiraum wie hier in Berlin so wichtig. Ich habe viel von der deutschen Kultur, vom Umgang, dem Aushalten von Widersprüchen gelernt.
Genau diese Freiräume scheint es in Kuba nicht mehr zu geben – seit dem 24. November 2020 mit den Protesten vor dem Kulturministerium in Havanna, wo sich einige hundert Künstler:innen versammelt hatten und einen Dialog einforderten. Darunter Fernando Pérez.
Meine Intention ist es einen Freiraum zu bieten und den suche ich auch in meiner Arbeit als Regisseur – ich beschäftige mich mit der kubanischen Diaspora, Biografien von Kubaner:innen, die die Insel verlassen haben, um im Ausland zu leben – aus unterschiedlichen Gründen. Sie sind oft vergessen – Bebo ist da eine Ausnahme, aber auch erst dank seiner späten Erfolge.
Aus Kuba stammte Genetik fuer den Tango welcher in Argentinien geboren wurde: Genetik der „Habanera“ von Kuba. Der „Bolero“ entstand in Kuba vor der Mitte des 19ten Jahrhunderts teilweise mit Genetik der Cazione Napolitana (Italien) . Der „Danzon“ stammt von Kuba: Heute ist der „Danzon“ in Mexiko fuer alle tanzbare Festlichkeiten und in Universitaeten als Akademikertanzgruppen. Der „Danzon“ hat die Genetik des englischen „Country-Dance“ des 17ten Jahrhundert. Die Franzosen nannt es „Contredanse“. Mozart komponierte „Contradanzas“. Das Verhalten der Taenzer heute 2024 ist noch teilweise wie damals im 17ten Jahrhundert. Youtube: FILM DANZON . Fidel und Raul waren naiv und kopierten den „Sozialismus“ von Osteuropa und DDR: Romantische Musik war nicht „proletarisch“ ! Nach 1959 verliessen viele Musiker und Saenger Kuba weil sie im Ausland verdienen mussten und weil die „Revolucion“ nur proletarische Kampgesaenge wollte. Die „Musikindustrie“ war bis 1959 ein wichtiger Wirtschaftzweig Kubas: Die Musiker verdienten im Ausland und die Komponisten bekamen Einkommen durch ihre Rechte. Der „Danzon“ ist heute eine Philhaermonikerliebling, auch in Berlin ! : Youtube DANZON NO 2 . Komponiert von einem Mexikaner. Hier nur unter uns: Die Kulturhymne ALLER Kubaner vom Komponisten GONZALO ROIG sieh youtube SALIDA DE CECILIA VALDES MARINEL CRUZ . Die Soprano ist von Puerto Rico. Thailand Philharmonics mit einer Kolumbianerin: SALIDA DE CECILIA VALDES BETTY GARCES .