vonKnut Henkel 08.09.2010

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Juan González Díaz sitzt entspannt auf seinem Gartenstuhl. Aufmerksam mustert der alte Mann die Leute, die mehr oder minder geschäftig vorbeigehen. Genießerisch zieht er an seiner dicken Zigarre und stößt eine Rauchwolke in Richtung der Bronzefigur aus, die ihm gegenüber auf einer Bank sitzt. Er lässt den Blick schweifen, bis ein Ruck durch seinen mageren, schlaksigen Körper geht. Ein Lächeln huscht über seine Lippen als er das blasse Pärchen näher kommen und zielstrebig auf die schmiedeeiserne Parkbank mit der Bronzefigur zusteuern sieht. Behende erhebt er sich und setzt dem bronzenen Mann mit den halblangen Haaren die runde  schmucklose Nickelbrille auf die Nase.

Gerade rechtzeitig, denn schon sind die beiden Touristen da. Der „Rough Guide to Cuba“ in der Hand weist sie als Briten aus und stolz sind sie, dass sie endlich die Büste von Oberbeatle John Lennon gefunden haben. Die bewacht Juan González Díaz seit nunmehr sieben Jahren. „Mehrfach ist die Brille verschwunden“, stöhnt der alte Mann, der sich seine Pension mit der Observierung des auch in Kuba verehrten Beatles-Stars aufbessert. Touristen lassen gern einen CUC, einen Devisenpeso, springen, wenn Juan González die Brille zückt und obendrein für die Besucher auf den Auslöser der Kamera drückt. Ein Schnappschuss zur Erinnerung ist für die allermeisten Besucher Pflicht und so hat der 87-jährige Rentner mit der beige-braunen Uniform auf seine alten Tage noch gelernt wie man mit modernen Digitalkameras umgeht. Das lohnt sich, denn auch Steven und Gloria Smith aus Liverpool lassen etwas springen nachdem sie die Fotos im Kasten haben und den kleinen Park in Havannas Stadtteil Vedado verlassen.

John Lennon-Park heißt der inoffiziell und lange hätte niemand in Kuba gedacht, dass man dem charismatischen Beatle zu Ehren einmal eine Parkbank mit seiner Büste aufstellen würde. Als dekadent galt die Liverpooler Band in Kuba einst, denn lange Haare, struppige Bärte und psychedelische Klänge waren in Kuba Ende der 60er und zu Beginn der 70er Jahre alles andere als en Vogue. Da wurde mit harter Hand getreu dem Leitspruch von Fidel Castro „Innerhalb der Revolution alles – gegen die Revolution nichts“ regiert. Oberster Kulturkontrolleur war damals Luis Pavón Tamayo, der als „Zar der Zensur“ in die Annalen einging und dessen Name Kubas Kulturschaffenden bis heute die Nackenhaare zu Berge stehen lässt. Unter Pavón standen die Fab Four aus Liverpool auf dem Index und erst einem erklärten Beatlesfan, dem Kulturminister Abel Prieto, ist es zu verdanken, dass John Lennon von der „persona non grata“ zur „persona gratissima“ aufstieg. Die persönliche Weihe empfing Lennon beziehungsweise dessen bronzene Büste im Park von Fidel Castro persönlich. Der adelte den unbequemen Musiker wegen seines Engagements gegen den Vietnam-Krieg zum „revolutionären Held“. Ein Akt über den sich viele Musiker in Kuba amüsiert haben, denn der ehemalige Staatschef und selbst ernannte Berufsrevolutionär galt zeitlebens nicht gerade als Fan der Musik und wenn überhaupt dann der Marschmusik. Für Juan González Díaz hat das allerdings sein Gutes, denn ohne die Statue und die runde Nickelbrille hätte der alte Wachmann schließlich nichts zu tun. Viva John!

Foto via Beautiful Daze – thanks, Rod!

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kommentare

  • Musik von Europa nach 1945 : Made in Liverpool by genuine euro-trash. Ich empfehle den Latinos: youtube Video „dein ist mein ganzes herz domingo villazon netrebko“ und den Euros empfehle ich youtube Video „danzon no.2“. Der heutige Euro und besonders der Aleman bringt nur „trash“ nach Lateinamerika und trifft nur „street people“.

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