vonGerhard Dilger 09.02.2011

latin@rama

Seit 2008 Nachrichten vom anderen Ende der Welt und anderswoher.

Mehr über diesen Blog

„Eine andere Welt ist möglich? – Kampf um Amazonien“ – so heißt der Dokumentarfilm, den Regisseur Martin Keßler nun auch in Brasilien vorgestellt hat.

Es handelt sich um den besten Film über den geplanten Bau des Megastaudamms Belo Monte am Rio Xingu, einem Nebenfluss des Amazonas. Keßler lässt vor allem jene zu Wort kommen, die von dem höchst umstrittenen Megaprojekt bedroht sind und sich seit Jahrzehnten dagegen wehren, etwa den austrobrasilianischen Bischof Erwin Kräutler. Zudem hat er das Weltsozialforum in Belém 2009 genutzt, um den Kontext von Belo Monte auszuleuchten. Die von den brasilianischen Steuerzahlern hoch subventionierte Wasserkraft kommt vor allem multinationalen Aluminiumkonzernen zugute.*

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=CXErr8uAuMI&[/youtube]

Antonia Melo von der lokalen Protestbewegung beklagt sich in diesem Ausschnitt (ab 1:19), dass Regierung und der Staatsbetrieb Eletronorte den Dialog verweigern. „Viele reden über Amazonien, ohne es zu kennen“, sagt der damalige Präsident Lula da Silva auf dem Weltsozialforum 2009  (ab 1:56), und, an die Adresse ausländischer Journalisten: „Kümmert Euch um Eure Angelegenheiten, Brasilien kümmert sich um die seinen“.

Es ist derselbe Lula, der jetzt auf dem Weltsozialforum in Dakar den Afrikanern geraten hat, die sozial und ökologisch äußerst fragwürdige Agrarpolitik der Brasilianer zu übernehmen, von der vor allem das nationale und transnationale Agrobusiness profitiert. So habe man die „grüne Wüste Cerrado“ urbar gemacht, sagte Lula – in Wirklichkeit verschwindet das wertvolle Ökosystem gerade unter Zucker- oder Sojamonokulturen. Lulas Tipp: Der Hunger in Afrika sei durch die Ausweitung einer „grünen Revolution“ auf Afrikas Savannen in den Griff zu bekommen.

In Brasilien, wo die Umweltbehörde Ibama vor ein paar Wochen eine offenbar rechtswidrige Genehmigung für den Baubeginn erteilt hat, geht unterdessen die Debatte über Belo Monte weiter. Gestern demonstrierten Hunderte Indigene und Flussbewohner aus der Xingu-Region in Brasília und überreichten Regierungsbeamten gut 600.000 Unterschriften gegen das auch volkswirtschaftlich widersinnige Mammutprojekt. KritikerInnen erinnern immer wieder daran, dass allein die hohen Transmissionsverluste, die sich bei einer Modernisierung des Stromnetzes bedeutend verringern ließen, der fünffachen Kapazität von Belo Monte entsprechen.

Erwin Kräutler spricht von einem „Dolchstoß ins Herz Amazoniens“: „Es geht nicht nur um Belo Monte. Es geht um den Dominoeffekt. Wenn Belo Monte durchgeführt wird, kommen drei weitere Dämme am Xingu infrage und auch am Tapajos.“ Insgesamt seien im gesamten Amazonasgebiet über 100 Wasserkraftwerke vorgesehen: „Damit ist Amazonien am Ende, und das hat Folgen. Nicht nur für Amazonien, sondern für die ganze Welt.“

Präsidentin Dilma Rousseff war nicht zu sprechen. Antonia Melo zeigte sich nach dem Treffen mit den Funktionären frustriert: „Die Regierung sagt, sie will den Dialog, aber sie ist nicht bereit, auch nur ein Jota an dem Projekt zu ändern“, meinte die Aktivistin. „Was ist das für ein Dialog?“

* Vgl. dazu die immer noch aktuelle DGB-Broschüre Silber aus Lehm – Wie nachhaltig ist Aluminium? (pdf)

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/latinorama/eine_andere_welt_ist_moeglich_-_hunderttausende_gegen_belo_monte/

aktuell auf taz.de

kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert