vonBenjamin Kiersch 23.05.2013

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20th Century FoxHeute mal ausnahmsweise ein Filmtipp aus den USA zu einem Thema, das in Lateinamerika offiziell kein Thema mehr ist: die Todesstrafe. Das einzige Land in den Amerikas, in dem nach wie vor fleissig im Namen von Recht und Ordnung gemordet wird, sind die USA – verblüffend, wenn man bedenkt, dass es just das Land ist, in dem „Bravados“ gedreht wurde, ein Film, den allen Latin@rama-LeserInnen aller- aber auch wirklich allerwärmstens ans Herz gelegt sei. Den Text habe ich ursprünglich für meine US-amerikanischen Freundinnen geschrieben – die geneigten LeserInnen mögen die womöglich zuweilen etwas holprige Übertragung aus dem Englischen im voraus entschuldigen.

Also: Gestern nacht sah ich „Bravados“ mit Gregory Peck, ein klassischer Hollywood-Western der alten Schule von 1958. Es war schon verdammt  spät…
aber ich konnte mich nicht von der Glotze losreissen. Peck ist einfach grossartig: sieht gut aus, ist schlagfertig (mit der Zunge und mit dem Colt) und intelligent. Und er hat eine Mission. Peck stand Ende der 40er Jahre  auf der schwarzen Liste des „Komitees für un-amerikanische Umtriebe“ der US-Regierung, das die „kommunistische Unterwanderung“ der USA untersuchte und unter Senator Joseph McCarthy in der besten Traditionen der römischen Inquisition politische Prozesse gegen „Staatsfeinde“ inszenierte.

Wie später in seiner Rolle als engagierter Verteidiger eines Mannes, der aus rassistischen Motiven der Vergewaltigung eines Mädchens angeklagt wird in dem – ebenfalls sehr empfehlenswerten – Klassiker „Wer die Nachtigall stört“, spielt Peck in „Bravados“ Jim Douglas, einen Farmer, der eine Bande von vier Outlaws verfolgt, wanted dead or alive, die angeblich seine Frau vergewaltigt und ermordet haben. Douglas bringt einen Gangster nach dem anderen zur Strecke und tötet drei von ihnen kaltblütig, trotz der Unschuldsbeteuerungen der Männer, getrieben von einem unersättlichen Drang nach Rache und Gerechtigkeit. Als Douglas den letzten Banditen stellt, geht er selbst zu Boden, als die Frau des Gangsters eine Tonkaraffe an seinem wunderschönen Schädel zertrümmert, und seine Suche nach Gerechtigkeit nimmt eine überraschende Wendung… aber sehen Sie selbst.

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=nt6wpcuIhv4[/youtube]

Gedreht in den wunderschönen Landschaften New Mexicos, zwischen rauen Männern mit rauchenden Colts und unschuldigen Ladies mit Wonderbras, ist „Bravados“ eines der besten und überzeugendsten Statements gegen die Todesstrafe, die je gemacht wurden.

Als Peck alias Douglas von seinem Rachezug in das verschlafene Städchen Río Arriba zurückkommt, wird er als Held gefeiert: er hat eigenhändig drei gesuchte und gefährliche Banditen umgelegt und die schöne Tochter des respektablen Kolonialwarenhändlers aus der Gewalt der Gangster befreit. Der Sheriff dankt ihm mit den Worten „Douglas, es kommt selten vor, das ein Mann so viel für seine Nachbarn tun kann, so wie Sie. Wir werden Ihnen ewig dankbar sein und Sie in unseren Herzen bewahren“.

Happy End? Weit gefehlt: Jim Douglas ist ein gebrochener Mann. Er weiss, dass er das Geschehene nie rückgängig machen kann. Die Wunden in seiner Seele und die Gedanken an die fälschlich Ermordeten werden ihn sein Leben lang begleiten. Douglas sucht Zuflucht bei dem Padre in der Dorfkirche  – die, das sei nebenbei bemerkt, den wahrscheinlich besten Knabenchor des Wilden Westens unterhält –, und er fleht die jubelnden Bewohner von Río Arriba an: „Bitte, schliesst mich nicht nur in euren Herzen, sondern auch in Euer Gebet ein.“

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=2DRVjBuDrqw[/youtube]

Es ist unfassbar, dass mehr als fünfzig Jahre, nachdem dieser- man kann es nicht oft genug betonen -brilliante Film in den US-amerikanschen Kinos debütierte, mehrere Tausend Menschen Jahr für Jahr ganz offiziell ermordet werden. Allein in den USA wurden im vergangenen Jahr 43 Personen hingerichtet. Durch Menschen, die erstaunlicherweise noch immer glauben, durch den Tod eines Menschen könne Recht geschaffen werden. Diese Menschen, sowie ihre Richter und Henker, die ihrerseits Opfer einer absurden und tödlichen Ideologie sind, sollten wir in unsere Herzen und – falls zutreffend – Gebete einschliessen.

Besonders denjenigen, die noch immer dieser zutiefst verabscheuungswürdigen Ideologie anhängen, sei unbedingt ans Herz gelegt, sich mit einem Sixpack und Chips einzudecken – zu dem Film passen Tecate, Tortillas und Guacamole besonders gut -, in die Videothek ihres Vertrauens zu gehen, „Bravados“ auszuleihen und dem Gregory Peck – welche Augenweide! – dabei zuzuschauen, wie er ebendiese Ideologie ad absurdum führt. Natürlich sollten sich auch alle anderen unbedingt den Film anschauen. Ich garantiere Ihnen, dass Sie – im Unterschied zu Jim Douglas – nach 90 Minuten mit den „Bravados“ nichts bereuen werden!

PS: Auch wenn die Todesstrafe in allen lateinamerikanischen Ländern offiziell abgeschafft oder zumindest seit mindestens 10 Jahren nicht mehr angewandt wird, sind in einigen Ländern Morde aus politischen oder „Gerechtigkeits“ motiven an der Tagesordnung. Amnesty International dokumentiert  in Bolivien 2012 mehrere Fälle von Lynchjustiz . So wurden Ende Mai 2012 vier Polizisten in Saca Saca (Oruro) eine Woche lang von der lokalen Bevölkerung festgehalten und ermordet, nachdem sie angeblich einen Taxifahrer ermordet hatten. In Kolumbien beklagten Indigena-Organisationen, dass 2011 111 ihnen nahe stehende Personen ermordet wurden. Amnesty International dokumentiert weiterhin allein in den ersten 6 Monaten des selben Jahres 17 „aussergerichtliche Hinrichtungen“ von angeblichen „Guerrillakämpfern“ durch das kolumbianische Militär. Ein Fortschritt, betont Amnesty – 2008 seien es noch über 200 Hinrichtungen gewesen.

Auch ein wichtiges Thema, mit dem Latin@rama sich mal beschäftigen sollte… für heute soll es genug sein. Und Sie müssen ja heute auch noch zur Videothek, erinnern Sie sich?

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