„Joh Fuera“ steht auf den Pappkartons, die zahlreiche Demonstranten in Tegucigalpa in die Höhe recken. JOH sind die Initialen von Juan Orlando Hernández, dem amtierenden Präsidenten von Honduras. Hernández wurde im November 2017 in einer von Wahlmanipulation geprägten Urnengang im Amt bestätigt.
Doch für viele Honduraner*innen ist JOH alles andere als legitimiert. „Juan Orlando Herández ist nicht mein Präsident. Er steht für eine korrupte, sich bereichernde Regierung, die enge Verbindungen zum Drogenmilieu hat. Bestes Beispiel dafür ist die Tatsache, dass der Bruder des Präsidenten in den USA einsitzt. Gegen ihn wird wegen seiner engen Kontakte zum organsierten Drogenschmuggel ermittelt“, sagt Donny Reyes, Koordinator der LGBTI*-Organsiation Arcoíris. Reyes engagiert sich für die Menschenrechte und die Rückkehr der Demokratie in Honduras und ist wie viele seiner Mitstreiter von Arcoíris nahezu täglich auf der Straße.
Ende April begannen die Proteste der Lehrer und der Angestellten des Gesundheitsministeriums gegen die drohende Privatisierung von Krankenhäusern und Bildungseinrichtungen in Honduras, die von der Regierung vorangetrieben wird. Die entsprechenden Gesetze wurden am 24. April im Parlament verabschiedet und die Welle der Proteste, die seitdem über das mittelamerikanische Land fegt, ist beispiellos.
Laut einem Bericht von Amnesty International vom 5. Juli hat es zwischen dem 4. März 2019 und dem 25. Juni nicht weniger als 346 Protestdemonstrationen in Honduras gegeben. Anders als früher konzentrierten sich die Proteste nicht in der Hauptstadt Tegucigalpa und der Industriemetropole San Pedro Sula, sondern sie finden landesweit statt und sie halten an, so Donny Reyes.
So gab es am Mittwoch (10. Juli) drei Protestveranstaltungen, berichtet der Menschenrechtsanwalt Víctor Fernández von der Breiten Bewegung für Würde und Gerechtigkiet (MADJ). Der Jurist lebt in San Pedro Sula, ist aber regelmäßig in anderen Regionen des Landes unterwegs, weil er dort Fälle vertritt. Für ihn sind die Proteste Ausruck die tiefsitzenden Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der Regierung. „Ich habe den Eindruck, dass der Protest quasi ein Akt der Selbstbefreiung ist. Die Leute haben nach Jahren unter schwierigen Lebensbedingungen, einer Kette von Korruptionsfällen und Indizien für die enge Beziehungen zwischen organisierter Drogenkriminalität und Regierung die Nase voll – wollen den Wandel“, so der 44-jährige Anwalt.
Dagegen geht die Regierung mit Gewalt vor, wie der Amnesty-Bericht belegt. Er macht die Militärpolizei für zwei von mindestens sechs Opfern verantwortlich und wirft der paramilitärisch auftretenden Polizeieinheit auch den Schusswaffeneinsatz gegen Demonstranten vor wie am Beispiel des Einsatz an der Autonomen Universität von Tegucigalpa, wo am 24. Juni wahllos auf Studenten geschossen wurde, so Amnesty.
Mindestens achtzig durch Schußwaffen verletzte Menschen hat es in den letzten Wochen gegeben und viel spricht dafür, dass etliche auf das Konto der Militärpolizei gehen, die qusi im rechtsfreien Raum agiert. Für ihn ist die Militärpolizei das zentrale Repressionswerkzeug der Regierung und eine zutiefst kriminelle Organisation. Dieser Eindruck wird durch den Berichts von Amnesty International bestätigt.
„Anzeigen gegen die Militärpolizei kann laut den Gesetzen nicht irgendein Staatsanwalt aufnehmen, sondern sie müssen direkt in der Kaserne der Einheit gemacht werden. Wer traut sich das schon?“, so Donny Reyes, der Koordinator von Arcoíris, der auch zahlreiche Angriffe der Militärpolizei gegen Homo-, Trans- und Bisexuelle dokumentiert hat. Die LGBTI*-Comunity ist auch bei der Protesten vorne mit dabei, denn unter der Regie von Juan Orlando Hernandez ist Honduras für die LBGTI*-Gemeinde zum gefährlichsten Pflaster in Mittelamerika geworden.
Seit Januar 2019 sind nicht weniger als 26 Morde an Menschen mit LGBTI*-Hintergrund verübt worden. Alarmierende Zahlen, die genauso wie die aktuellen Proteste und die Repression, die gegen sie eingesetzt wird, kaum internationale Resonanz nach sich ziehen. „Die Europäische Union und auch die USA verharren in Untätigkeit. Damit machen sie sich zu Komplizen der Regierung von Juan Orlando Hernández“, klagt Victor Fernández, der im Frühjahr den Bremer Solidaritätspreis für Menschenrechte gemeinsam mit seinem Bruder Martín erhalten hat.
Fernández geht davon aus, dass die Proteste weitergehen, obwohl die Regierung längst die entsprechenden Dekrete für die Privatisierung von Gesundheits- und Bildungssystem zurückgezogen hat. Allerdings hat die Regierung in den letzten Wochen versucht den Dialog mit der Plataforma Social de la Defensa de Salud y Educación, in der große Teile der Zivilgesellschaft zusammengeschlossen sind, zu nutzen, um die Plataforma zu spalten. „Es wurde immer nur mit einem Teil der Organisationen der Plataforma verhandelt. Das macht die Regierung unglaubwürdig“, so Fernández.
Ein zentraler Grund, weshalb die Proteste weitergehen – der andere ist die Tatsache, dass große Teile der Bevölkerung es leid sind sich von einer korrupten Elite, die vor allem in die eigene Taschen wirtschaftet, regieren zu lassen. Ya basta, es reicht, ist deshalb eine weitere Parole, die in Honduras immer wieder zu hören ist.