vonClaudius Prößer 26.06.2009

Latin@rama

Politik & Kultur, Cumbia & Macumba, Evo & Evita: Das Latin@rama-Kollektiv bringt Aktuelles, Abseitiges, Amüsantes und Alarmierendes aus Amerika.

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Chilenen im Ausland sind drollig. Ständig schießen sie Be­weis­fo­tos, die den Daheimgebliebenen zeigen, was sie von der großen wei­ten Welt ge­se­hen haben. Vor allem aber müssen sie selbst mit drauf sein, gerne in der Gruppe, in allerlei komischen Posen oder mit der zum Victory-V ge­form­ten Hand – so ist es in Chile Brauch.

Immerhin die Hände unten gelassen haben die Pressevertreter in der De­le­ga­tion von Präsidentin Michelle Bachelet, die am Dienstag eine halb­stün­dige Audienz bei ihrem Amtskollegen Barack Obama bekam. Im An­schluss outeten sich die Berichterstatter als hoffnungslose Oba­ma-Fans und überredeten ihn mit Schmeicheleien (“You must come to Chile. Everybody loves you there”) und rationalen Argumenten (“We travelled such a long way”) zu einem Gruppenfoto im Rosengarten des Weißen Hauses. Wie eine aufgekratzte Schulklasse drängelten sie sich um den Präsidenten, die eigene Würdenträgerin vergaßen sie dabei fast.

Zuhause waren natürlich alle neidisch auf die tollen Bilder und schrieben Böses über die verwischte Grenze zwischen Berichterstattung und Fan­dom. Auch ein paar Blogschreiber in der US-Hauptstadt fanden die Dis­tanz­lo­sig­keit der Chilenen befremdlich. Dabei ist sie doch ein treues Ab­bild der Obama-Manie, die in Chile immer noch herrscht: Der so sichtbar andere Präsident ist nicht weniger populär, als es einst Michael Jackson war – für den sich die Nach­rich­ten­mo­de­ratorin des Staats­fern­se­hens gestern Abend ganz in schwarz gehüllt hatte.

Ein wenig untergegangen ist bei der Foto-Affäre, dass Obama kurz zuvor eine ganze Menge Hoffnungen enttäuscht hatte: Nach dem Tête-à-tête mit Bachelet hatte er einem chilenischen Journalisten außerplanmäßig eine Frage gestattet, die dann etwas schwer verdaulich ausfiel: Ob er, Obama, sich für die Mitwirkung der CIA an der Vorbereitung des Putschs von 1973 entschuldigen werde. Die knappe Antwort: “Die Vereinigten Staaten haben immer für das Gute gekämpft. Ich denke, den einen oder anderen Fehler haben wir dabei begangen”, so der Liebling der Presse. “Aber mir geht es darum, voranzukommen und nicht zu­rück­zu­schau­en.”

Bei Klick auf das Bild öffnet sich ein Video (Quelle: La Tercera)

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