vonHildegard Willer 11.12.2014

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Zeitgleich zum Weltklimagipfel findet in Lima der „Gipfel der Völker“ (Cumbre de los Pueblos) statt. Dieser Gipfel soll im Kontrast zur inhaltlich abstrakten und nur für wenige Menschen zugänglichen Weltklimakonferenz allen Gruppen und Organisationen aus der Zivilgesellschaft eine Plattform für ihre Ideen, Projekte oder Forderungen bieten. An zahllosen Orten Perus sind in den letzten Jahrzehnten vielfältige Bewegungen entstanden, die die Umwelt als zentrales Thema haben oder sich zunächst aus ganz anderen Beweggründen zusammenfanden – die Umweltfrage nehmen aber alle inzwischen als wichtigen Faktor in ihren Lebenswelten wahr.

Die zahlreichen peruanischen Organisationen und Bewegungen zusammen zu bringen und einen gemeinsamen Gipfel zu organisieren war keine leichte Aufgabe, wie Antonio Zambrano Allende von der Bürgerbewegung Movimiento Ciudadano frente al Cambio Climático – Mocicc (Bürgerbewegung gegen den Klimawandel) erzählt. Der „Gipfel der Völker“ in Lima wird von Gewerkschaften, Bauernbewegungen, den Indigenen-Organisationen, Produzenten ökologischer Waren sowie der Frauen- und Studentenbewegungen organisiert. Zambrano Allende bezeichnet allein die Tatsache, dass all diese unterschiedlichen Gruppen gemeinsam den „Gipfel der Völker“ organisiert haben, als Erfolg: „Bis hier hin gekommen zu sein ist schon ein Sieg“.

Einsatz für die Rechte indigener Völker
Ein wichtiges Thema im rohstoffreichen Peru ist der nachhaltige und soziale Umgang mit den natürlichen Ressourcen. Vor allem im Amazonasgebiet kommt es aufgrund von nicht anerkannten Gebiets- und Autonomierechten immer wieder zu Konflikten zwischen indigenen Gruppen auf der einen Seite und dem Staat und illegalen Raubabbau-Unternehmen auf der anderen Seite. Pilar Camero Berríos von der Organisation Derecho, Ambiente y Recursos Naturales (Recht, Umwelt und Natürliche Ressourcen), die sich für eine nachhaltige Entwicklung und die Rechte der Indigenen im Amazonasgebiet einsetzt, weist auf dem „Gipfel der Völker“ besonders auf dieses Problem und die Folgen auf das Ökosystem Wald hin. Für eine nachhaltige Nutzung der Ökosysteme sei es vor allem wichtig, technische Kriterien für die Bewertung zu verwenden und keine rein politisch motivierten Entscheidungen zu treffen.

Die angemessene Nutzung der Wälder müsse sich, neben den Umweltkriterien, auch immer besonders an den indigenen Interessen orientieren. Die noch relativ junge Organisation, die ein sinnvolles Umwelt- und Ressourcenmanagement fordert und mit dem Erhalt der Biodiversität eine nachhaltigen Entwicklung Perus in Gang setzen will, ist mit Initiativen sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor aktiv. Im Moment führt die Organisation das internationale Projekt REDD+ (Reducing emissions from deforestation and forest degradation) in Peru, bei dem Vertreter der Regierung, der zivilgesellschaftlichen Gruppen und dem Privatsektor teilnehmen.

Kleinbauern-Gewerkschaften

Ein anderes weiteres Beispiel für die Buntheit der peruanischen Zivilgesellschaft ist die große Anzahl an Agrar- und Bauernbewegungen. Eine davon: Die Confederación Nacional Agraria (Nationaler Agrarverband) kurz CNA, der sich 1974 zur Verteidigung der gerade erreichten Agrarreformen bildete. Sie vertritt auch heute noch die Interessen von Kleinbauern, die weniger als 6 Hektar Land besitzen. In einer aktuellen Unterschriftenaktion setzten sie sich gegen das neue Gesetz 30230 der peruanischen Regierung ein. Dieses Gesetz erlaubt es dem Staat Grundstücke zu enteignen, wenn sie angeblich für wichtige Investitionsprojekte gebraucht werden. Dies könnte vor allem die Bevölkerung in ländlichen Gebieten treffen, wenn Infrastrukturprojekte im Amazonasgebiet oder neue Minenvorhaben in den Anden durchgesetzt werden sollen.

Edwin Humareda von dem Regionalverband der CNA in Ica, im Süden Perus, erzählt uns zudem von den ganz konkret spürbaren Auswirkungen des Klimawandels, die die Kleinbauern unter Druck bringen. Viele Brunnen seien durch die Klimaerwärmung ausgetrocknet und das Wetter sei unvorhersehbarer und starken Schwankungen unterworfen. Heftige Regenfälle in der Knospenzeit der Baumwollplantagen drohe ganze Ernten zu zerstören. „Unsere Pflanzen werden auch zunehmend von uns unbekannten Krankheiten und Plagen befallen, gegen die wir nur wenig ausrichten können“ erzählt Humareda.

Viele Kleinbauern benutzen aus Ressourcenmangel und staatlicher Unterstützung chemische Mittel um ihren Ertrag zu steigern, was die ohnehin durch Minen und ungefiltertes Abwasser belastete Wasserqualität weiter negativ beeinträchtigt. Die CNA setzt sich deshalb unter anderem auch für einen nachhaltigen und ökologischen Landbau ein. Die Qualität der Lebensmittel soll so verbessert werden und gleichzeitig den Bauern einen ertragreicheren Anbau ermöglicht werden. Die Organisation arbeitet hauptsächlich auf regionaler Ebene. „Wir glauben, dass politische Entscheidungen von unten eine größere Auswirkung haben, als die Entscheidungen der Nationalregierung von oben“ sagt Humareda selbstbewusst.

Umweltgruppen

Auch im Rechtsbereich gibt es in Peru inzwischen Organisationen die sich für die Belange der Umwelt einsetzen. Die Sociedad Peruana de Derecho Ambiental – SPDA (Peruanische Gesellschaft für Umweltrecht) kämpft seit 1986 für eine bessere politische und rechtliche Umsetzung von Umweltstandards.

Die Initative Conservamos por naturaleza (Wir erhalten aus (die) Natur) der SPDA arbeitet mehr auf lokaler Ebene und unterstützt verschiedene Initiativen zum Erhalt der Umwelt in ganz Peru. Die Organisation will erreichen, dass sich die Peruaner gegenseitig in ihren Umweltschutzmaßnahmen unterstützen. „Wir zeigen die Geschichten der Personen und Kommunen, die das Land Peru beschützen und suchen Unterstützung für Sie, da ihnen der Staat leider nur wenig Förderung zum weiteren Erhalt ihrer Projekte gibt“ berichtet Jack Lo Lau von Conservamos por naturaleza. Ein konkretes Projekt, das zusammen mit der Organisation Ania.org aufgebaut wurde ist das Tierras de Niños-Projekt. Die Idee ist die Kinder durch Bildungsprojekte für ihre Umwelt zu sensibilisieren und durch Baumpflanzaktionen mit der Natur zu verbinden. Weitere Arbeitsfelder sind Wiederaufforstungprojekte im Amazonasgebiet und die Vermarktung der lokalen Produkte. Nach seinen Erwartungen zu der aktuell stattfindenden COP20 befragt, hofft Lo Lau auf Abkommen, die die kurzfristigen materiellen Interessen der Länder beiseite stellen.

Große Hoffnung hat er, dass die Klimakonferenz die peruanische Gesellschaft verändert: „Wir hoffen, dass diese Weltklimakonferenz, die viele Informationen vermittelt, die Köpfe und Herzen der Peruaner prägt, und wir uns so der Verantwortung, die wir für diese Erde haben, bewusster werden.“

Text und Fotos: Marie Ludewig

 

 

Dklima (2)ie KLima-Reporteros sind 14 peruanische und deutsche Journalismus-Studierende und Freiwillige, die vom 1. – 12. Dezember 2014 rund um  die Weltklimakonferenz aus Lima berichten werden. Das Projekt der Infostelle Peru e.v. wird unterstützt von taz.panterstiftung, Stiftung Umverteilen, Katholischer Fonds.

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