Satellitendaten bestätigen Bedeutung indigener Völker im Klimaschutz
Von KLima-Reporterin Luisa Donner
Lang galten moderne Naturwissenschaften und traditionelles Wissen als Gegensätze schlechthin. Nun zeigt gerade eine geowissenschaftliche Studie, dass ohne die indigenen Völker im Amazonasbecken der Klimaschutz auf der Strecke bleibt. Die Studie haben Wissenschaftler, Entwicklungsorganisationen und die indigenen Völker gemeinsam erstellt.
Der Rückgang der Regenwaldbestände ist eine der einflussreichsten Gründe für die Erderwärmung. Durch Abholzungen werden CO2-Bestände freigesetzt, die massgeblich zur Erderwärmung beitragen. Die besten Waldschützer, damit genau das nicht passiert, sind die indigenen Völker, die seit Jahrhunderten im und mit dem Wald leben. Dies heisst auch, dem Druck der Modernisierung standhalten: Der Bau neuer Straßennetze, die Bergbauprojekte, Wasserkraftwerke, Erdgas- und Erdölkonzessionen bedrohen nicht nur den Lebensraum der indigenen Völker, sondern könnten zur Freisetzung erheblicher CO2-Mengen führen.
Ungeordnete Besitzverhältnisse
Das Forschungszentrum WHRC (The Woods Hole Research Center) hat unter Mitarbeit von RAISG ( Red Amazónica de Información Socioambiental Georefrenciada), EDF (Environmental Defense Fund) und dem Dachverband der Indigenen des Amazonasbeckens (COICA) in einer Studie den Zusammenhang zwischen von indigenen Völkern bewohnten Gebieten und dem Kohlenstoff-Speicher im Amazonasgebiet herausgestellt.
Während des Klimagipfels in Lima wurden die Ergebnisse und die daraus resultierenden Forderungen vorgestellt: In den neun Ländern mit Anteil am Amazonasgebiet (Bolivien, Brasilien, Kolumbien, Ecuador, franz. Guayana, Guayana, Peru, Surinam und Venezuela) wurde erstmals die Menge und Verteilung des gespeicherten Kohlenstoffs quantifiziert. Brasilien, Peru und Kolumbien speichern fast 80% des Kohlenstoffs der untersuchten Länder in ihren Regenwäldern. 55% des Vorkommens im gesamten Amazonasgebiet befinden sich in Regionen, die als geschützt gelten oder von Indigenen bewohnt werden. Die wissenschaftliche Arbeit zeigt damit erstmals Zahlen, die auf die Wichtigkeit hinweisen, die Bewohner der Gebiete und ihr Wissen in die Pläne zum Klimaschutz miteinzubeziehen.
Ein Großteil der von Indigenen bewohnten Amazonas-Fläche gehört ihnen jedoch gar nicht – zumindest nicht nach den Kriterien des westlichen Rechtssystems. Die meisten Gebiete gehören offiziell den Nationalstaaten. Die mögen in ihrer jeweiligen Regierungsideologie voneinander abweichen: Beim Vorrang grosser Infrastrukturprojekte vor den Interessen der lokalen indigenen Bevölkerung sind sie sich weitestgehend einig. Da nutzt es auch nichts, wenn sich eine Regierung „indigen“ nennt, wie die bolivianische. Jorge Furagaro, der Vertreter der COICA, spart nicht mit harschen Worten auch am Vorgehen sogenannter sozialistisch geführter Länder. So sei Venezuela bei der Titulierung indigenen Gemeinschaftslandes weit abgeschlagen. „ Die indigene Bevölkerung lehnt große Infrastukturprojekte auf ihrem Gebiet ab“, erklärt Jorge Furagaro. Sie widersprechen ihrem Verständnis vom Umgang mit der „Mutter Erde“.
Wissenschaftler unterstützen indigene Forderungen
Den Bewohnern des südamerikanischen Regenwaldes dient ihr Wald als „natürliche Versicherung“. Sie beziehen ihr Wasser, ihre Nahrung und existenziellen Schutz aus den Bäumen ihrer Umgebung. Die besten Experten des Waldes sind ihre Bewohner. Sie verfügen über durch Generationen weitergegebenen Kenntnisse über natürliche Maßnahmen zum Schutz der Vegetation und des Klimas. Ohne eine direkte Teilhabe an staatlichen finanziellen Mitteln und eine Abnahme der Bedrohungen durch Infrastrukturprojekte und Rohstoffausbeutung ist dies jedoch nicht möglich. Die Indigenas fordern deshalb eine rechtliche Absicherung ihres gemeinschaftlichen Landbesitzes und eine Beteiligung bei den in Lima nun zur Verhandlung anstehenden Klimaschutz-Instrumenten. Bisher beschränkt sich ihr Status dabei auf den eines Beobachters.
Sie können nur Druck ausüben auf ihre jeweiligen Regierungen, damit diese ihre Interessen in offiziellen Verhandlungen der Konferenzen vertreten und sie z.Bsp. bei der Ausstattung des Grünen Klimafonds berücksichtigt werden.
„ Sie bleiben Sklaven“, die keine direkten Gelder zur Verfügung hätten und mehr Unterstützung der Staaten fordern, erklärt Chris Meyer, einer der Autoren der vorgestellten Studie und Mitarbeiter beim Environmental Defense Fund.
Sara Rios vom Instituto del Bien Común (Peru) hat die Studie koordiniert und war erschrocken, als sie das Ausmaß der Bedrohungen gesehen hat, denen besonders die Amazonasgebiete der Andenländer ausgesetzt sind. Bedrohungen, die den in Lima verhandelten Klimaschutz ad absurdum führen können. Ohne stärkeren Einbezug der indigenen Völker geht es beim Klimaschutz nicht vorwärts – dies ist eine der Schlussfolgerungen der an der Studie beteiligten Wissenschaftler.
Text und Foto: Luisa Donner
Die KLima-Reporteros sind 14 peruanische und deutsche Journalismus-Studierende und Freiwillige, die vom 1. – 12. Dezember 2014 rund um die Weltklimakonferenz aus Lima berichten werden. Das Projekt der Infostelle Peru e.v. wird unterstützt von taz.panterstiftung, Stiftung Umverteilen, Katholischer Fonds.
Vielen Dank für diesen Artikel! Leider wird noch immer unterschätzt, welches enorme Wissen indigene Völker über ihre Umwelt haben. Und schlimmer noch: Oft werden sie vertrieben, wenn ihr Land zu Schutzgebieten gemacht wird – obwohl sie es waren, die es über Generationen erhalten und geschützt haben. Es wird Zeit, dass „Naturschützer“ dies anerkennen und sich für die Rechte indigener Völker einsetzten, statt sie zu umgehen. Nur so kann auch Naturschutz erfolgreich sein.