Prophezeit hatten es Exil-Kubaner schon lange. Nun ist das Ende der Politik des „nassen und des trockenen Fußes“ da. Washington und Havanna haben sich auf eine Normalisierung der Auswanderung geeinigt. Dabei ist auch die Abwerbung kubanischer Ärzte durch die USA ersatzlos gestrichen worden – ein Stück kalter Krieg weniger.
Für Ben Rhodes endet mit dem „Cuban Adjustment Act“ eine privilegierte Situation für legal und illegal einreisende Kubaner in die USA. „Wir denken, dass der Kongress den Cuban Adjustment Act aufheben wird“, so erklärte der Sicherheitsberater vom noch amtierenden US-Präsidenten Barack Obama am letzten Donnerstag. Zwar kündigte Donald Trump an, eine der letzten Maßnahmen der Regierung Obama überprüfen zu wollen, allerdings kommt das Ende der Zuwanderungs-Präferenz für Kubaner seiner Anti-Zuwanderungspolitik sehr entgegen.
Havanna war der Sonderstatus, den die Kubaner in den USA genossen, lange ein Dorn im Auge. Der basiert auf dem Cuban Adjustment Act aus dem Jahre 1966. Darin ist fixiert, dass alle Kubaner*innen, die mindestens ein Jahr und einen Tag in den USA gelebt hat, die US-amerikanische Staatsbürgerschaft angeboten bekommen. Die Maßnahme, ursprünglich für eine kleine Gruppe politischer Flüchtlinge gedacht, hat in den vergangenen Jahrzehnten die Migration in Richtung USA angeheizt. Alle Auswanderungskrisen in Richtung USA, ob die Mariel-Krise von 1980 oder die Balsero-Krise vom Sommer 1994, hatten die USA zum Ziel.
Letztere führte dazu, dass die USA 1994 Migrationsgespräche mit Kuba aufnahmen, der Auswanderung über das Meer einen Riegel vorschoben und die legale Auswanderung über die Vergabe von 20.000 Visa, in Kuba La Lotería genannt, auflegten. 1995 wurde der „Cuban Adjustment Act“ deshalb um den Passus des „Wet foot, dry foot“ ergänzt. Diese bis zum 12. Januar gültige Regelung sah vor, dass kubanische Migranten, die auf offener See von der US-Küstenwache aufgegriffen wurden, nach Kuba zurückzubringen sind und dort aufgenommen werden. Alle Kubaner, die die USA auf dem Landweg, also „trockenen Fußes“ erreichten, wurden hingegen aufgenommen.
Diese Regelung hatte sich in der Realität der letzten beiden Dekade zu einer Art Freifahrtschein in eine bessere Zukunft entwickelt. Abertausende Kubaner nutzen die gesetzliche Regelung, um den wirtschaftlichen Nöten der Insel zu entfliehen.
Doch es war schon lange absehbar, dass das Gesetz fallen würde, so Alfredo Durán. Der Exil-Kubaner gehört zu ersten Generation der Migranten, ist ein Veteran der gescheiterten Invasion in der Schweinebucht, hat sich aber seit Beginn der 1980er Jahre für den Dialog engagiert. Durán befürwortete schon im April 2016 die Initiative von Marc Rubio, US-Senator kubanischer Herkunft, um die automatische Gewährung von Leistungen für kubanische Migranten zu bremsen. „Es gibt keine Unterschiede zwischen Kubanern und Mittelamerikanern – sie kommen aufgrund fehlender ökonomischer Perspektiven“, so Durán. Dabei lässt er zwar die Bandenkriminalität in Honduras und El Salvador etwas außer Acht, aber das Gros der Menschen, die aus dem Süden gen USA ziehen, träumen den amerikanischen Traum, so der mexikanische Migrationsspezialist Rodolfo Casillas von der Lateinamerikanischen Fakultät für Sozialwissenschaften (Flacso) in Mexiko-Stadt.
Für Casillas und andere Experten ist die besondere Behandlung von kubanischen Einwanderern ein „Relikt aus dem Kalten Krieg“ und verhindere die „Normalisierung“ der Beziehungen zwischen Washington und Havanna. Zudem rufe diese zunehmend Probleme mit anderen mittel- und südamerikanischen Staaten hervor, die nicht mehr bereit seien, die „absurde Einwanderungspolitik“ seitens der USA zu unterstützen.
Das hat sich in den letzten Jahren mehrfach gezeigt. Am offensichtlichsten, als im Dezember 2015 rund 8.000 Kubaner an der Grenze zwischen Costa Rica und Nicaragua strandeten, weil Nicaragua die Grenze geschlossen hatte. Managua war nicht gewillt, die illegale Durchreise der Kubaner zu tolerieren, und das sorgte für hektische Verhandlungen zwischen den zentralamerikanischen Ländern, Ecuador, Kolumbien, Mexiko und den USA. Letztlich wurden die 8.000 Kubaner auf dem Luft- und Landweg an die Grenze in die USA transportiert – eine Sonderbehandlung, mit der die kubanischen Migranten, die jetzt auf dem Weg sind, nicht mehr rechnen können.
Herbe Überraschung für die Kubaner auf dem Weg in die USA
Für sie ist das Übereinkommen zwischen Washington und Havanna eine herbe Überraschung, denn es ist schließlich mit der Verkündung am 12. Januar in Kraft getreten. Folgerichtig müssen alle Kubaner, die sich derzeit auf dem Weg von Georgetown in Guyana über Venezuela, Kolumbien, Zentralamerika und Mexiko in die USA befinden, mit ihrer Deportation rechnen. Havanna hat zugesagt, alle aufzunehmen sowie zusätzlich mehrere hundert Kubaner, die in den USA unerwünscht sind.
Damit endet die Abwanderung gen USA der meist jungen und besserqualifizierten Kubaner, die Perspektiven suchen, die sie auf der Insel nicht finden. Sie werden sich neu orientieren müssen: auf einen Platz in der Visa-Lotterie der US-Botschaft in Havanna hoffen oder in eines der wenigen Länder ausreisen, wo Kubaner willkommen sind.
Der kubanischen Regierung ist das recht, denn sie hat in der Vergangenheit immer wieder geklagt, dass sich die Insel die Abwanderung des qualifizierten Nachwuches nicht leisten kann, hat aber, so kritisieren kubanische Sozialwissenschaftler, wenig für deren Perspektiven getan. Noch wichtiger aus kubanischer Perspektive ist aber, dass auch die Abwerbung von Ärzten durch die USA endet. Das entsprechende Programm „Cuban Medical Professional Parole Program“, kurz CMPP, wird ersatzlos gestrichen und das ist ein Erfolg der kubanischen Verhandlungscrew. Rund 8.000 Ärzte sind laut US-Quellen im Rahmen des Programms seit 2006 abgeworben worden. Für die Kubaner war das ein „Attentat gegen die humanitären medizinischen Missionen“ der Insel. Das ist nun genauso Geschichte wie die Sonderbestimmungen für kubanische Migranten. Ein Schritt in Richtung Normalität zwischen Washington und Havanna.