vonNiklas Franzen 06.02.2015

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Mit dem Fahrrad kam São Paulos Bürgermeister Fernando Haddad am Sonntag, um das größte Graffiti Lateinamerikas einzuweihen. Mehr als 200 Künstler und Künstlerinnen hatten seit Anfang Dezember 70 Wände entlang der Avenida 23 de Maio besprüht. Die Straße ist eine der wichtigsten Verkehrsadern der Millionenmetropole. Nun bedecken 15.000 Quadratmeter Farbe die Seitenstreifen der Fahrbahn und verwandeln die belebte Straße in ein fünf Kilometer langes Freilichtmuseum.

DSCN5351Viele der bunten Werke sind über 10 Meter hoch und mehrere Meter breit. Auch schmücken zahlreiche politische Werke die Wände. Der Sprüher Thiago Mundano thematisiert mit einer riesigen Wüstenlandschaft die aktuelle Wasserkrise im Land. Seit Monaten sitzt die Metropole São Paulo praktisch auf dem Trockenen. „Tausche I-Phone gegen 2 Liter Wasser“, heißt es auf einem Schild, das auf einen Kaktus gesprüht ist.

São Paulo gilt seit langer Zeit als Welthauptstadt des Graffitis. Die bunten Bilder sind mittlerweile Symbol der „grauen Stadt“. Sprüher wie die Zwillinge Os Gemeos haben den Durchbruch auf dem internationalen Kunstmarkt geschafft.

In der Vergangenheit hatten São Paulo’s Graffiti-Maler jedoch immer wieder mit starker Repression zu kämpfen. Ex-Bürgermeister und derzeitiger Minister für Stadtentwicklung Gilberto Kassab startete im Jahr 2007 mit dem „Saubere-Stadt-Gesetz“ einen Kreuzzug gegen die Szene. Die rechte Stadtverwaltung ließ hunderte Werke übermalen, Sprühern wurden harte Strafen auferlegt und der offizielle „Tag des Graffitis“ abgeschafft.

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Haddad beim Graffiti-Sprühen im November 2014 (Foto: Marcelo D’Sants)

Seit 2013 ist Fernando Haddad von der Arbeiterpartei PT im Amt. Der Sohn libanesischer Einwanderer präsentiert sich gerne auch als Bürgermeister der „jungen Kreativen“ und unterstützt zahlreiche subkulturelle Projekte in der Stadt. Immer wieder greift der von der Presse als „Graffiti-Bürgermeister“ genannte Haddad bei öffentlichen Anlässen selbst zur Sprühdose. Im Zuge der jüngsten Aktion nannte Haddad Graffiti „eine wünschenswerte Realität São Paulos“.

Andere kritisierten die Initiative scharf, da auch historisches Kulturerbe der Stadt freigegeben und besprüht wurde. Laut den Kritikern verursache die Sprühfarbe enorme Schäden an den Wänden. Architekt Benedito Lima de Toledo nannte die Aktion eine „desaströse Intervention“ und Professor Lúcio Gomes Machado schimpfte über die „Respektlosigkeit gegenüber der urbanen Landschaft“.

Auch in Zukunft wird Graffiti weiter die Bewohner der Stadt spalten. Die „Kunst der Straße“ ist jedoch ohne Zweifel ein wichtiger Teil São Paulos und verleiht der Megacity Farbe und Charme.

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