vonGerhard Dilger 04.07.2012

latin@rama

Seit 2008 Nachrichten vom anderen Ende der Welt und anderswoher.

Mehr über diesen Blog

„Ich bin kein Freund von Putschen, von Putschisten und hätte einen Regierungswechsel nach Wahlen besser gefunden“, sagte Dirk Niebel letzte Woche vor dem Menschenrechtsausschuss des Bundestags.

Rechtsliberale unter sich: Niebel (rechts) war der erste Staatsgast von Federico Franco (ganz rechts)

Inzwischen haben Mercosur und Unasur Paraguay suspendiert, doch die deutsche Regierung drückt sich immer noch um eine klare Verurteilung des „sanften Putsches“ (Cristina Fernández de Kirchner) herum.

Der Grüne MdB Thilo Hoppe bezeichnet den Ausschluss Paraguays als „wichtiges Signal für die Welt und in die Richtung Europas und der deutschen Regierung: Die Frage, ob das blitzartige Amtsenthebungsverfahren nach demokratischen Spielregeln verlaufen ist, ist von den Nachbarstaaten und Bündnispartnern Paraguays mit ‚Nein‘ beantwortet worden“ und fordert: „Darauf sollte die EU reagieren, indem es Südamerika seine Unterstützung öffentlich zusagt“.

Hoppe weiter:

Die Ereignisse der letzten Tage in Paraguay werfen Fragen auf und zeigen deutlich eine politische Kluft zwischen einigen lateinamerikanischen Staaten und Deutschland bzw. der EU. Während erstere ihre Botschafter aus Paraguay abrufen, zeigt sich Deutschland in der Person Niebels in einer Front mit Spanien, Kanada und dem Vatikanstaat und legt mit seinem Besuch eine Anerkennung der neuen Regierung nah. Nun ist es an Außenminister Westerwelle, den Fehler seines Parteikollegen auszubügeln und sich im Namen der Demokratie hinter die Entscheidung der Südamerikanischen Staatengemeinschaft zu stellen.

Ob es wirklich dazu kommt? In Lateinamerika jedenfalls wurde Niebels Positionierung aufmerksam registriert. Dafür, dass es mehr war als ein „Patzer“ (Spiegel Online), ein Tritt ins „Fettnäpfchen“ (Focus) oder auch ein „Fauxpas“ (Hoppe), spricht die strategische Nähe der deutschen Liberalen zu Putschisten auch in Honduras oder Thailand, wie in einer Analyse des linken Think-Tanks German Foreign Policy überzeugend nachgewiesen wird. Hier das Fazit:

In Thai­land diente der Putsch von 2006 wie der hon­du­ra­ni­sche Staats­streich von 2009 und der aktuelle Umsturz in Para­guay der Macht­si­che­rung einer kleinen, mit dem Westen koope­rie­renden Olig­ar­chie, die ihren Ein­fluss und ihren Wohl­stand gegen auf­be­geh­rende Massen zu sichern suchte. Zuver­läs­sige Ver­bün­dete finden der­ar­tige Eliten regel­mäßig in der Naumann-​Stiftung und jetzt auch im Ber­liner Entwicklungsministerium.

Besonders gerne setzen sich Lateinamerikas Oligarchen auf jenen Klatschseiten in Szene, auf die bis heute kaum eine „seriöse“ Tageszeitung verzichten möchte. So verwundert es kaum, dass auch Niebel auf der Sociales-Seite von La Nación aus Asunción auftaucht. Manch einer der erlauchten Gäste dürfte mit den „feinen Getränken“ in der Residenz des deutschen Botschafters auf den Putsch angestoßen haben.

 

 

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/latinorama/nach-niebel-was-sagt-die-bundesregierung-zu-paraguay/

aktuell auf taz.de

kommentare

  • Na Lugo war auf jeden Fall für viele eine Enttäuschung, auch wenn die „zig minderjährigen Frauen“ wohl übertrieben sind: Soweit ich weiß hat er zwei der Vorwürfe anerkannt, minderjährig war jedoch keine der Damen.

    Verfassungstreu ist aber so ein Ding: Die paraguayische Verfassung schreibt keinen Zeitraum für das „juicio politico“ vor, doch 24 Stunden zwischen Anklage und Urteilsspruch sind doch wohl etwas knapp. Außerdem ist der Vorwurf „schlechte Amtsführung“ auch ein sehr weiter Begriff.

    Ich würde ferner generell in Frage stellen, ob das Parlament den direkt durchs Volk gewählten Präsidenten einfach so abwählen können soll, v.a. in solch einem klientelistischem Land, in dem 90% aller Parlamentssitze den konservativen, traditionellen Parteien zufallen.

  • Es stuende der Bundesregierung gar nicht zu, Vorgaenge in Paraguay zu verurteilen, die in friedlicher Weise nach demokkratischen Regeln abgelaufen sind. Die Nachbarn von Paraguay sollten sich da auch besser raushalten.
    Im uebrigen stimme ich Frau Wille zu, dass Lugo alles andere als ein Aushaengeschild war. Deutschland sollte dem neuen Regierungschef Unterstuetzung und Solidaritaet zusichern.

  • Ich finde Niebels Verhalten in Paraguay ebenfalls skandaloes und peinlich für die deutsche Aussenpolitik. Ein Putsch bleibt ein Putsch.
    Allerdings weine ich dem ehemaligen Bischof Lugo keine Traene nach. Wer politisch gross geworden ist als „Bischof der Armen“ und sein Bischofsamt dazu missbraucht hat, klandestin mit zig minderjährigen Frauen Kinder zu zeugen, hat für mich jeden persönlichen und politischen Kredit verspielt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert