vonPeter Strack 22.06.2025

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Indolencio Zambrana Abapori ist ein Lichtblick. Manche setzen darauf, dass der Kleinbauer die von der Politik gespaltene Organisation der Guaraní in der Chaco-Region im bolivianischen Tiefland wieder zusammen bringen und Klientelismus und Korruption überwinden helfen kann. Vor kurzem wurde er zum Sprecher des Rats der Guarani-Gemeinden von Santa Cruz gewählt. Doch er selbst scheint wenig zuversichtlich, etwa dass die Idee des „Lands ohne Übel“, die die Guaraní-Kultur über Generationen geprägt hat, für die Zukunft Bestand haben kann. Ein Hauptproblem ist die Landfrage. Für Latinorama erzählt der gelernte Lehrer aus seinem Leben.

von Indolencio Zambrana Abapori

Ich heiße Indolencio Zambrana Abapori und bin im Jahr 1984 in der Guaraní-Gemeinde Ivamirapinta im bolivianischen Chaco geboren. Heute wohne ich in der Gemeinde Ivarenda im Landkreis Lagunilla. Sie gehört zur Capitanía (Territorialeinheit der Guaraní, die mehrere Dörfer umfasst) Ipahuazu, die ich zwei Jahre als Capitán Grande angeführt habe. Jetzt bin ich Capitán (wörtlich übersetzt: Häuptling oder Kapitän) des Rates aller Guarani-Capitanías aus dem Chaco von Santa Cruz. Die meisten Guaraní leben in Santa Cruz, aber es gibt auch zahlreiche Gemeinden in Chuquisaca und Tarija. Ich selbst bin Ava-Guaraní. Die Izozeños wie auch die Guarani aus Chuquisaca und Tarija sprechen jeweils andere Dialekte.

Uferdünen im Chaco, Foto: Diethelm Busse

Keine schönen Kindheitserinnerungen

Ich habe keine schönen Erinnerungen an meine Kindheit. Vor allem denke ich an den Wassermangel. Ich war sieben oder acht Jahre alt und musste fünf Kilometer weit laufen, um mit Plastikkanistern zwei oder drei Liter Wasser zu holen. Um vier Uhr morgens musste die ganze Familie dafür aufstehen. Das reichte dann für einen Tag für die Küche. Es reichte aber nicht, um uns richtig zu waschen. Wir erleben also nicht erst heute mit der Klimakatastrophe solche Trockenheit, sondern schon seit vielen Jahren. Auf den Viehfarmen der Großgrundbesitzer gab es zwar künstlich angelegte Teiche. Aber da mussten wir noch früher am Morgen hin, um uns von dort Wasser zu stehlen. Manche waren übergriffig. Wenn ihre Angestellten uns dabei erwischten, trieben sie uns zu Pferd in die Flucht.

Heute ist mit dem Klimawandel eine Lösung noch weiter entfernt. Bei uns im Chaco können die Temperaturen 36 oder 40 Grad erreichen. Aber wenn der Südwind aus Patagonien weht und die Temperatur abstürzt, dann friert man richtig. Selbst die Leute aus La Paz, die 15 Grad-Temperaturen gewohnt sind, halten das bei uns kaum aus. Als Kinder hatten wir zum Schutz die Ponchos aus Schafwolle, die uns unsere Mutter gewebt hatte. Damals gab es Schafe, zumindest bei uns Zuhause.

Schule in La Brecha, Foto: Diethelm Busse

Früher wurde die zweisprachige Schulbildung besser implementiert

Wir sind zwölf Geschwister, sieben Mädchen und fünf Jungen. Alle haben ihren eigenen Weg gefunden und leben verstreut. Die meisten wohnen in der Großstadt Santa Cruz. Ich bin immer im Territorium der Guaraní geblieben. In die Schule bin ich in Ivamirapinta gegangen. Bis zum 8. Schuljahr. Den Klassenraum hatten die Eltern aus Lehm und Rohrgeflecht noch selbst gebaut. Später in der Zeit der Erziehungsreform unter Gonzalo Sánchez de Lozada nach 1994 wurden moderne Aulen gebaut (gegen den sogenannten Frontalunterricht). Uns haben die gefallen, weil sie neu waren, nicht wegen der Form. Die zweisprachige Schulbildung gab es in der Guaraní-Region dagegen schon vor der Erziehungsreform. Teko-Guarani ist eine kirchliche Organisation, die sich damals im Auftrag der Guaraní-Gemeinden um die zweisprachige Schulbildung gekümmert und die Lehrpersonen pädagogisch-methodisch begleitet hat.

Der Schwerpunkt von TEKO Guaraní war die Schulbuchentwicklung, Foto: Diethelm Busse

Das fiel dann mit der Erziehungsreform weg. Und so stand die zweisprachige Schulbildung dann zwar im Gesetz, aber sie wurde nicht mehr so gründlich implementiert. Auch heute geben die Lehrpersonen ihr nicht mehr die Bedeutung, die sie haben sollte. Das Fach „Guaraní“ wird häufig gar nicht unterrichtet, weil die Lehrpersonen meinen, dass sie keine Sprachlehrer- oder Lehrerinnen sind. Und obwohl sie selbst Guaraní sind, unterrichten viele nicht mehr zweisprachig. Niemand fordert es ein. Die Schulverwaltung interessiert es nicht. Zur Oberstufe musste ich dann fünf Kilometer in eine andere Gemeinde laufen, um im Jahr 2002 das Abitur zu machen.

Unterrichtsbeginn in einer Guaraní-Schule in El Espino, Foto: Diethelm Busse

Nach dem Militärdienst Ausbildung zum Lehrer

Es folgte ein Jahr Militärdienst in der Kaserne von Charagua. Dann bin ich auf die „Normal“ (pädagogische Hochschule) gegangen, um Lehramt zu studieren. Ab 2008 bin ich dann Lehrer gewesen in Igüembe. Das liegt weit weg in Chuquisaca. Weil ich näher nach Zuhause wollte, gab ich später meine Arbeit auf, wurde aber im Jahr 2021 in ein Gemeindeamt gewählt. Zwei Jahre lang war ich Capitán Grande von Ipahuazu. Zu dieser Capitanía gehören dreizehn Dorfgemeinden, die ihr eigenes Territorium haben und in denen jeweils so um die fünfzig Familien leben. In meiner Gemeinde sind es 120 Familien, ungefähr 600 Personen. Außerhalb unseres Dorfes leben noch einmal 20 Familien. Es gibt auch eine TCO (von der Agrarreformbehörde abgestecktes indigenes Territorium). Dorthin gehen Familien, die in ihrer Gemeinde keinen Platz mehr finden. Das sind zwei Dorfgemeinden, so dass wir derzeit 15 Dorfgemeinden in der Capitanía haben. Die Capitanía Bajo Izozog hat 60 Gemeinden, usw..

Die meisten Guaraní leben inzwischen in der Stadt, gehören aber nach wie vor zur Gemeinde. Manche wollen nichts mehr vom Dorf wissen, wenn sie eine Arbeit in einer Firma gefunden oder ein Geschäft eröffnet haben. Aber andere kommen immer wieder zurück. Vor allem am Ende des Jahres, um die Jahreswende zu verbringen und ihren Acker zu sähen. Danach gehen sie wieder zum Geldverdienen in die Stadt.

Leben vom eigenen Acker

Ich selbst lebe von meinem Acker. Mein Amt als Koordinator des Rats de Capitanes ist ja nicht bezahlt. Aber für die Reisen gibt es Geld aus dem ein oder anderen Projekt. Ich bearbeite fünf Hektar Land. Dieses Jahr war ein gutes Jahr. Wenn Mais im Haus ist, ist man glücklich. Vor zwei Jahren gab es eine große Trockenheit und es war schwierig. Ab er dieses Jahr hat es viel geregnet. Das Land war gesegnet. Ich habe auch Hühner, Enten und Schweine, um die Familie zu unterhalten. Mais und Kleintierhaltung, dass ist die Berufung der Guaraní-Dörfer. Die Tiere werden auch verkauft, aber der Mais bleibt zumeist für den eigenen Verbrauch. Ich habe fünf Kinder. Die älteste ist 15 Jahre alt. Die nächsten folgen mit 12 und 13 Jahren. Sie müssen sich auf ihr Leben vorbereiten. Eine Tochter will Tierärztin werden, einer der Söhne Polizist. Das ist sein Traum. Und wir Eltern schauen, was wir tun können, damit er Wirklichkeit wird. Damit sie eine Rolle im Leben spielen und nicht nur auf den Acker angewiesen sind.

Departamentsversammlung der Guaraní Gemeinden von Santa Cruz, ganz rechts: Indalencio Zambrana, Foto: APG Santa Cruz

Die Spaltung der indigenen Organisationen

Am 9. April wurde ich zum Präsidenten des Rates der 13 Capitanías von Santa Cruz gewählt. Das ist eine neue Herausforderung. Laut den reformierten Statuten müssen die Leitungsgremien jetzt alle drei Jahre ausgetauscht werden. Mein Ziel ist es, die Organisation zu stärken. Gerade in der Vorwahlzeit müssen wir sehen, in welche Richtung wir gehen wollen. Der Wahlprozess wird stark von den politischen Parteien kontrolliert. Aber wir suchen Möglichkeiten, unsere eigenen Kandidaten einzuschreiben. Denn die Parteien manipulieren dich in die von ihnen gewünschte Richtung. Im Regionalparlament haben wir als CIDOB (Dachverband der indigenen Völker des Tieflands) über die Sonderwahlkreise sieben Abgeordnete und wollten, dass sie eine eigene Fraktion bilden. Doch die Parteien waren damit nicht einverstanden. Sie drohten, in dem Fall die Abgeordneten durch ihre Stellvertreter auszutauschen. Die Spaltung der indigenen Organisationen ist ein großes Problem. Jede Regierung versucht, die indigenen Völker zu spalten. Als die Asamblea Pueblo Guaraní (APB, Dachverband der Guaraní) 1987 gegründet wurde, waren wir noch einig. Doch Mitte der 1990er Jahre während der Zeit der großen Protestmärsche kamen Minister und Senatoren nach Camiri und die Entscheidungen wurden gemeinsam mit ihnen getroffen. Erst mit den einen, dann mit den anderen. Am Ende wusste man nicht, wem man folgen sollte. Den Regierungen ist das recht, weil es so keine Proteste gibt und sie ihre Politik einfacher durchsetzen können. Etwa in der Landfrage, damit die Regierungsanhänger Land bekommen. Und so kommt es, dass heute Siedler aus Oruro oder dem Chapare in die indigenen Territorien eindringen.

Fehlende Acker- und Weideflächen

In meiner Zeit als Capitán haben wir eine Klage beim Agrargericht in Camiri eingereicht. Das war nicht einfach. Drei Jahre haben wir benötigt. Immer wieder mussten wir dort hin und Eingaben machen, um die gerade einmal 200 Hektar Land zurückzubekommen, die sie uns abgenommen hatten. Das ging bis zum obersten Gericht in Sucre. Da hatte es Geschäfte mit den früheren Autoritäten gegeben. Aber bei einem indigenen Territorium ist der Verkauf von Land verboten. Deshalb haben wir es zurückgewinnen können.

Arbeiten im Team, Foto: APG Santa Cruz

Im Rat der Capitanías arbeiten wir im Team. Ich habe meinen Stellvertreter und für die unterschiedlichen Arbeitsbereiche wie Landfragen, Produktion, Infrastruktur, Schulwesen, Justiz gibt es Verantwortliche. Alle Ämter sind ehrenamtlich und man muss in einer der Dorfgemeinden leben. Das Haus, das Ackerland und die Arbeit, die einem den Unterhalt garantiert, sind die Gründe, im Dorf leben zu bleiben. Diejenigen, die kein Land haben, gehen in die Stadt. Die Alteingesessenen haben vielleicht noch fünf oder sechs Hektar Land. Aber für die jung Verheirateten reicht es nicht mehr. Wenn sie einen Beruf lernen, können sie anderswo Arbeit suchen. Und wer keinen Beruf hat muss auch ein Einkommen suchen. Meist in der Stadt.

Land ohne Übel“

70 Prozent der Bewohner*innen sprechen noch unsere Sprache, aber 30 Prozent verlieren diese Fähigkeit. Sie verstehen Guaraní, sprechen es aber kaum. Das beunruhigt mich. Manche wollen gar nicht mehr, dass ihre Kinder unsere Sprache sprechen. „Wofür soll das gut sein?“, fragen sie. Unsere Versammlungen werden aber noch in Guaraní abgehalten. Zur Not wird das Guarani mit dem Spanischen vermischt. Und wenn Besuch kommt, wird ohnehin Spanisch gesprochen, damit sie etwas verstehen.

Das „Land ohne Übel“ ist der Ort, wo man in Ruhe leben kann. Und das liegt meines Erachtens bei uns Zuhause in unserem Territorium, wenn wir genug zu essen haben und über das Notwendige verfügen. Zumindest in diesem Jahr mit dem reichlichen Regen war es so. Die Leute sind zufrieden. Die Preise auf dem Markt für Reis mögen sehr angestiegen sein. Aber wir haben genug Bohnen und Mais geerntet und können gekochte Maiskolben, Maisbrei und geröstetes Mehl genießen. In der Stadt gibt es nur Reis und Nudeln.

Erfahrungen und Wissen an die neuen Generationen weitergeben, Foto: P. Strack

Jahr für Jahr muss sich die Organisation erneuern

Wenn ich mein derzeitiges Amt abgebe, werde ich schauen, was ich dann tun werde. Ich will gerne wieder in den Lehrerberuf zurückkehren, am liebsten in meiner Gemeinde. Da kann ich nicht nur mein Wissen an die neuen Generationen weitergeben, sondern auch meine Erfahrungen in der Organisation und so neue Führungspersönlichkeiten formen. Seitdem ich erwachsen bin, beteilige ich mich. Zuerst einfach durch Zuhören bei den Versammlungen. Auch das ist eine Form zu lernen. Und in der Schule sowieso. Unsere Organisation muss sich Jahr für Jahr erneuern. Jede Gemeinde hat da ihr eigenes Vorgehen. Bei uns sind es die erfahrenen alten Gemeindemitglieder, die mit den jungen Leuten reden und ihnen auf den Versammlungen berichten. In meinem Dorf gibt es keine Eifersucht der Älteren, weil die Jungen nun ihre Aufgaben übernehmen. Zwei, die schon recht betagt sind, sagen immer: „Jetzt ist eure Zeit gekommen“. Aber sie sind immer in der Nähe und beraten die Jungen. Ich selbst habe großen Respekt vor den Alten und frage sie immer, ob ich richtig handele oder ob ich etwas korrigieren muss, um nicht zu viele Irrtümer zu begehen.

Ich habe die Korruption immer kritisiert

Es gibt aber solche und solche. Es gibt auch frühere Anführerinnen, die ihre Sache nicht gut gemacht und sich korrumpiert haben. Um deren Hilfe brauchen wir nicht zu bitten. Zum Beispiel die Gelder des Fonds für Indigene Völker, die veruntreut wurden. Marco Aramayo, der frühere Direktor, der die Korruption aufgedeckt hat, wurde ins Gefängnis gesteckt, um die Verantwortlichen zu decken. Er hat für das bezahlt, was andere getan haben (Hier die spanischsprachige Dokumentation: FraudeFondoIndigena von Marco Aramayo). Die politische Macht hat ihn zum Schweigen gebracht. Ich glaube nicht, dass die veruntreuten Gelder noch zurückgewonnen werden können. In meiner Capitanía gab es ein Projekt des FONDIOC zur Weiterverarbeitung des Mais. Dafür sollten Fahrzeuge gekauft werden. Das geschah dann aber nicht. Es wurden nur eine halbe Million Bolivianos (damals umgerechnet gut 70.000 US Dollar) für ein Lager und den Bürobetrieb ausgezahlt. Aber dabei blieb es. Niemand wurde eingestellt. Wenn man die Verantwortlichen von damals danach fragt, dann werden sie nur zornig. Sie sagen, die Regierung sei dafür verantwortlich. Aber warum reklamieren sie die Gelder dann nicht?

Ich habe die Korruption immer kritisiert. Wenn es Gelder für die indigenen Gemeinden sind, dann müssen sie auch in den Dörfern ankommen. Davon dürfen sich die Vertreter*innen der Gemeinden nichts in die eigene Tasche stecken. Wenn zehn Kühe finanziert werden, dürfen nicht drei davon einbehalten werden. Diejenigen, die sich an den Projekten bereichert haben, leben inzwischen aber meist in der Stadt. Nicht, weil die Leute sie kritisieren würden, sondern weil sie sich selbst schämen. In der Capitanía Caguazú zum Beispiel gab es jemanden, der sich in einem Amt der Organisation bereichert hat. Jetzt hat er 17 Rinder, die für die gesamte Gemeinde gedacht waren, allein für seine Familie. Das wurde auch angezeigt. Manche meinen wegen solchen Fällen, dass alle Amtsträger*innen unserer Organisation korrupt sind. Deshalb bin ich bei dem Thema sehr vorsichtig. Bei der letzten Trockenheit hatten wir zwei Lastwagen mit Lebensmitteln von der Zivilverteidigung bekommen. Die haben wir alle zum Bürgermeisteramt auf den Dorfplatz gebracht, damit die Leute alles mit eigenen Augen sehen und kontrollieren können. Andere dagegen wollen sogar, dass ihnen die Dörfer eine Summe zahlen, um ihr Kontingent abholen zu können. Die machen mit der Hilfe ein Geschäft.

Kinder mit traditionellen Masken, Foto: Diethelm Busse

Niemand wurde für falsches Handeln geschlagen

Trotzdem denke ich, dass es noch eine moralische Reserve in den indigenen Kulturen gibt. Man muss die schlechten Erfahrungen von den guten unterscheiden, wenn man vorankommen will. Da ist zum Beispiel der Respekt untereinander oder die gegenseitige Hilfe. Es sind wichtige Werte in den Gemeinden, die man bewahren kann. Wenn jemand im Dorf krank wird oder gar ins Krankenhaus muss, dann sammeln wir für ihn oder sie. Nicht nur Geld, sondern vielleicht etwas Rindenextrakt zur Heilung oder Bohnen, womit die Familie sich in der Zeit der Krankheit versorgen kann. Und auch wenn wir keine abgegrenzte Grundstücke wie in der Stadt haben, respektieren die Nachbarn das Gehöft und bauen ihr Haus mit etwas Abstand. Dafür braucht es keine Papiere oder Gerichte.

Mein Vater war auch schon kommunale Autorität. Ich erinnere mich daran, dass einmal eine Frau eine Ziege gestohlen und geschlachtet hat. Den ganzen Tag musste sie dann mit dem stinkenden Fell herumlaufen. Das war die Strafe damals. Bei den Guaraní habe ich nie gesehen, dass jemand geprügelt wurde, weil er etwas Schlechtes getan hatte. Einmal, als ein junger Mann seine Mutter geschlagen hatte, wurde die lokale Autorität informiert. Und der ließ ihn zur Strafe vor versammelter Gemeinde auf Händen und Füßen kriechen, sich entschuldigen und an der Brust seiner Mutter saugen. So wie ein Baby. Damit er sich schämt und seine Mutter nicht noch einmal schlägt. Und damit ihm klar wird, dass seine Mutter ihn groß gezogen hat und er sie nicht schlagen kann. Das war, als ich etwa zehn Jahre alt war. Diese Art von Justiz wollen wir zurückgewinnen.

Düstere Zukunftserwartungen

In zwanzig Jahren wird sich die Situation in meinem Dorf verschlechtert haben. Es wird kein Land mehr geben, wo die nachfolgenden Generationen leben können. Manche Gemeinden haben deshalb damit begonnen, das gemeinsame Land aufzuteilen. Manche hoffen auf Arbeit in der Erdgas-Industrie und haben deshalb den seismischen Erkundungen zugestimmt. Als Einkommensquelle wäre das gut, aber aus Umweltgesichtspunkten nicht. Sie sagen, dass sie keine Erkundungen an Wasserquellen vornehmen. Aber die Mitglieder der Gemeinden, die darauf achten sollen, sehen das häufig nicht. Und so besteht die Gefahr, dass Grundwasser und Quellen beeinträchtigt werden.

Zu den Hintergründen siehe auch dieses aktuelle Interview „Land ohne Übel“  mit Erwin Melgar aus der Ila-Zeitschrift Nr. 485 mit dem Schwerpunkt „Lichtblicke“

Zu interkulturellen zweisprachigen Bildung in der Region, siehe: Schule bei den Guaranies in Bolivien, Identitätsstärkung und Zukunftsbefähigung,  Paulo Freire Verlag Oldenburg (2006), von Diethelm Busse,  für dessen Fotos wir uns auch bedanken. 

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