Der Grandseigneur des kubanischen Boxports ist tot. Am Montag, den 11. Juni, erlag Schwergewichtschamp Teófilo Stevenson einem Herzinfarkt. Drei Olympiatitel hatte Stevenson vorzuweisen und er galt als Ausnahmeerscheiung im Amteuerboxen – ähnlich wie sein Freund Muhammad Ali bei den Profis.
Mit dem Foto des großen, tänzelnden Boxers ist eine ganze Generation von kubanischen Boxern groß geworden. Das Bild von Teófilo Stevenson hängt an einem Ehrenplatz in der Sporthalle der Finca Horbeín Quesada im Norden Havannas. Dort, wo die kubanische Boxstaffel seit Dekaden ihren letzten Schliff bekommt und wo derzeit die letzten Vorbereitungen für den Auftritt der acht Faustkämpfer laufen, die sich für das Olympische Turnier in London qualifiziert haben. Dort war auch Teófilo Stevenson oft anzutreffen, denn der Mann, der am Montag in Havanna einem Herzinfarkt erlag, war Vizepräsident des kubanischen Boxverbandes und in dieser Funktion immer auch bei großen Turnieren am Ring präsent gewesen.
Zuletzt vor zehn Tagen beim Córdova Cardín in Havanna. Das Turnier war der letzte große Test auf kubanischen Boden für die Staffel, die bei den Spielen in London für goldene Medaillen sorgen soll. Natürlich wollte sich auch Stevenson ein Bild von der Form der kubanischen Faustkämpfer machen. Die sollen schließlich im Idealfall die Insel so repräsentieren wie es einst der Modellathlet aus Puerto Padre, einem Örtchen in der Provinz Las Tunas, tat.
1972 hatte Teófilio Stevenson Lawrence, so sein ganzer Name, zum ersten Mal die große internationale Bühne betreten und sich in München die Goldmedaille im Schwergewicht umhängen lasen. Der sympathische Modellathlet erregte internationales Aufsehen. Nicht nur weil er einen unglaublichen Punch im rechten Arm hatte, dem seine Gegner kaum etwas entgegenzusetzen konnten, sondern auch weil er überaus geschickt mit Worten umzugehen wusste. Journalisten, die ihm in den folgenden gut zehn Jahren immer wieder zu einem Profikampf animieren wollten, hielt er entgegen: . „Was ist ein Million Dollar gegen acht Millionen Kubaner, die mich lieben?“. Mit einem Lachen schlug der 1,96 Meter große Modellathlet die Angebote dann aus.
Einem Kampf mit seinem späteren Freund Muhammad Ali stand Kubas eleganter und flinker Ausnahmeboxer aber nicht generell ablehnend gegenüber. Sich mit den Besten der Welt zu messen hat den Mann, der nur einen Steinwurf von einer Zuckerfabrik aufwuchs, immer gereizt. Nur den Amateurstatus wollte er nicht verlieren und eine Profikarriere kam für ihn nie in Betracht. „Das Profiboxen hat mir nie gefallen“, erklärte er in einem seiner letzten Interviews im Mai mit der BBC. Da äußerte sich das 60-jährige Boxidol, der 301 seiner 321 Kämpfe gewonnen hat und dabei drei Olympiasiege und drei Weltmeistertitel erboxte, auch zu einem der weniger leichten Themen – der Abwanderung von Athleten.
Davon war in den letzten Jahren auch der Boxsport betroffen. Jeder habe das Recht sich für seinen Weg zu entscheiden, erklärte er da. Moderate Töne eines überzeugten Revolutionärs, als der sich Kubas wohl brillantester Boxer der Geschichte immer präsentiert hat. Das gilt auch für seinen Nachfolger auf dem Schwergewichtsthron Félix Savón, der Stevenson noch wenige Tage vor dessen Tod am Ring gesehen hatte. Stark hätte er gewirkt, erklärte Savón gegenüber der kubanischen Presse traurig.
Doch Anzeichen für gesundheitliche Probleme hatte es schon seit Monaten gegeben. Schon im Januar war der Boxfunktionär wegen Blutgerinnseln in der Herzgegend vierzehn Tage lang stationär behandelt worden und hatte daraus auch keinen Hehl gemacht. Gleichwohl kam der Tod des Boxers, der 1984 Favorit auf ein viertes Olympiagold war, aber aufgrund des Olympiaboykotts der Kubaner nicht antreten konnte, überraschend.
Noch am vergangenen Wochenende hatte er gemeinsam mit rund einhundert Persönlichkeiten aus Kubas Sportgeschichte an einem Spaziergang durch die Straßen Havannas teilgenommen, um für die Olympischen Spiel in London zu werben.
Da ging es der Boxlegende noch sichtlich gut, wie Fotos auf der Homepage der Parteizeitung „Granma“ zeigen.
Zwei Tage später war er tot. Für den kubanischen Boxsport ein unersetzlicher Verlust, aber das Beispiel des wort- wie schlaggewaltigen Mannes wird weiterleben. Trainer wie Félix Savón werden dafür genauso sorgen wie die Schwarz-Weiß-Fotos an den Wänden des Trainingscamps im Norden Havannas.