vonKnut Henkel 26.10.2011

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Begleiten und informieren heißt die Mission der Peace Brigades International (PBI). Seit dreißig Jahren begleiten Freiwillige der Organisation Menschenrechtsaktivisten bei ihrer schwierigen Arbeit. Das stärkt ihnen nicht nur den Rücken, sondern sorgt für internationale Aufmerksamkeit und Schutz. Eine Stippvisite in Mexiko.

Unscheinbar ist die einfache, weiß gekalkte Lehmkate. Nur das helle Holzschild mit dem Schriftzug „Kambaxo Xuaji Guini Me’pha“ weist darauf hin, das sich hier das Büro der Opim befindet. Neben dem Schriftzug ist das Emblem der indigenen Organisation zu sehen: ein praller Maiskolben, unter dem sich eine Hacke und eine Machete kreuzen.

Aus dem Inneren des Hauses sind gedämpfte Worte zu hören, dann erklingt eine volle, warme Stimme aus dem Halbschatten der Türfassung: „Mais ist unser wichtigstes Anbauprodukt“. Die Stimme gehört Obtilia Eugenio Manuel. Direkt neben der Eingangstür hatte sie gesessen, die Neuankömmlinge gehört und das Treffen im Inneren der Kate unterbrochen. Nun deutet die kleingewachsene Frau auf die beiden braunen Hügel, die erst auf den zweiten Blick neben dem Maiskolben zu erkennen sind. „Die stehen für die Berge, die neben der Landwirtschaft unser Leben prägen“.

Dann fordert sie die Besucher auf,  in das halbdunkle Innere des Hauses in Ayutla de los Libres zu treten. So heißt die Provinzstadt im Süden des mexikanischen Bundessstaates Guerrero. Dort kauern ein gutes Dutzend Menschen im diffusen Licht, das durch die Eingangstür und die Ritzen im Gebälk eintritt, und beratschlagen.

„Unsere Situation ist derzeit extrem schwierig. Wir suchen nach Wegen, wie wir unsere Arbeit aufrechterhalten können, denn ich kann mich in Ayutla nicht mehr allein bewegen“, erklärt die Frau mit einem ernsten Blick. Die auf den ersten Blick verträumt wirkende Stadt von rund 50.000 hat Augen und Ohren, die Präsidentin der Organisation des indigenen Volkes der Me’Phaa (Opim) wird auf Schritt und Tritt beobachtet.

Kampf für die Rechte der Minderheit

„Obtilia, gib auf, du Schlampe. Hör auf, schlecht über die Regierung zu sprechen. Ich weiß, dass du auf allen Ebenen Beschwerden eingelegt hast. Hör einfach auf. Wenn wir wollen, dann kriegen wir dich…“ stand in der letzten Morddrohung, die die Frau von Mitte dreißig erhalten hat. Die kam per Post wie viele andere, aber auch auf dem Mobiltelefon hat die streitbare Frau schon Morddrohungen erhalten.

Sie tritt für die Rechte ihres Volkes, der Me’Phaa, ein, die in den Bergen rund um Ayutla leben. Dort ist auch Obtilia aufgewachsen, doch im Gegensatz zu vielen ihrer Mitstreiter spricht sie fließend Spanisch und kann sich in den Amtsstuben der Verwaltung behaupten. Gegen die Diskriminierung ihres Volkes und für die Rechte der Minderheit und die der Frauen kämpft sie. Alles andere als einfach in der patriarchalen Gesellschaft Mexikos – auch bei den Me’Phaa haben die Frauen lange Zeit die Männer machen lassen.

In dem Haus ihrer Eltern in Barranca de Guadalupe, einem Dorf knapp drei Stunden von Ayutla entfernt, war das allerdings deutlich anders. Obtilias Vater, ein kleiner, drahtig wirkender Mann, dem man sein Alter kaum abnimmt, hat seine älteste Tochter schon früh auf Versammlungen mitgenommen und ihr und den elf Geschwistern die Gleichberechtigung auch Zuhause vorgelebt.

„Bei uns im Dorf hat es Männer gegeben, die ihre Frauen schlecht behandelt haben, sie nicht respektiert haben.  Mein Vater hat mich in solchen Situationen immer gefragt: Willst Du so leben? Das wollte ich nicht und so habe ich angefangen zu lernen“, erklärt die älteste von sechs Schwestern.

Das hat gefruchtet und die Autorität, die Obtilia innerhalb und außerhalb der Opim, die sie gemeinsam mit ihrem Mann Cuauhtémoc Ramírez und rund 130 weiteren Me’Phaa 2002 gründete, ist beeindruckend. Wenn die kleine, kräftige Frau mit den leuchtenden Augen beginnt zu sprechen, wird respektvoll geschwiegen. Nicht nur im Opim-Büro, sondern auch auf regionalen Menschenrechtskonferenzen.

Das hat sie zu einer Symbolfigur in der Region gemacht – einer überaus gefährdeten, wie die Freiwilligen der Peace Brigades International (PBI) betonen. Die begleiten Obtilia wenn es irgend geht und versuchen mit ihrer Präsenz die Menschenrechtlerin zu schützen. „Polizei und Armee kann ich nicht vertrauen“, sagt Obtilia, die nur noch sporadisch in Ayutla auftaucht, um die Arbeit ihrer Organisation zu koordinieren.

Obtilia Manuel Eugenia mit ihren beiden Begleitern von PBI.

Angst als ständiger Begleiter

Ihrer vier Kinder hat sich bei Verwandten in einem anderen Bundesstaat in Sicherheit gebracht und in ihr Heimatdorf reist sie nur noch ausnahmsweise. Zu gefährlich, denn in Guerrero gibt es paramilitärische Strukturen, die etwas dagegen haben, dass die indigene Minderheit im Bundesstaat ihre Stimme erhebt, erklärt der Anwalt Vidulfo Rosales vom Menschenrechtszentrum Tlachinollan, die eine Dependance in Tlapa unterhält.

Nur in der Begleitung der Freiwilligen mit den weißen T-Shirts und dem grün-weißen Symbol der Friedensbrigaden (PBI) füllt sie sich leidlich sicher und auch heute warten zwei vor der Tür der einfachen Kate im Zentrum von Ayutla.

„Die bringen uns nicht nur Sicherheit, sondern auch den Vorteil, dass sie Informationen über unsere Situation in die Welt tragen“, erklärt die Menschenrechtsaktivistin und besteigt die Ladefläche des Pick-Ups, der vor dem Gebäude stand. Auch ihre beiden Begleiter von PBI steigen auf, denn nun geht es zurück – wohin, ist geheim, denn die Wände in Ayutla haben schließlich Augen und Ohren.

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kommentare

  • Schon in der Dekade der 1960 befand sich eine Militaersperre an der Fernstrasse entlang der Pazifikkueste – bei der Stadt Ayutla.

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