vonClaudius Prößer 04.06.2009

latin@rama

Seit 2008 Nachrichten vom anderen Ende der Welt und anderswoher.

Mehr über diesen Blog
Die nächsten Ferien stehen eigentlich erst im Juli an – aber in Puerto Montt geht zurzeit kaum ein Kind in die Schule. Das hat unterschiedliche Gründe: An den öffentlichen Schulen Chiles streiken seit vorletzter Woche die Lehrer, um eine von der Regierung in Aussicht gestellte, aber nie ausgezahlte Sonderzulage einzufordern. Noch ist keine Einigung ist in Sicht. Die vielen privaten Einrichtungen betrifft das nicht – dennoch sind viele mindestens bis kommende Woche geschlossen. Wegen Schwei­ne­grippe.

Tatsächlich verbreitet sich das Virus in Chile so schnell wie in kaum einem anderen Land, und am schnellsten greift es in Puerto Montt um sich. Warum das so ist, stellt für die Gesundheitsbehörden ein Rätsel dar. Wahrscheinlich hat es viel mit dem feuchtkalten Wetter zu tun, das hier unten jeden Winter für generalisierte Atemwegsbeschwerden und Gliederschmerzen sorgt. Heute gibt es in der Stadt knapp 40 bestätigte Fälle von influenza humana, ziemlich genau so viele wie in ganz Deutschland. In Chile bewegt sich die Zahl auf die 400 zu, Dunkelziffer unbekannt. Dabei war überhaupt erst vor drei Wochen der erste Ansteckungsfall in Santiago bekannt geworden.

Am vergangenen Sonntag hat die Grippe auch ihr erstes chilenisches Opfer gefordert: Im Krankenhaus von Puerto Montt starb ein 37-jähriger Klempner. Wie es so weit kommen konnte, ist nicht ganz klar. Die Ärzte vertreten die Ansicht, dass der Patient erst vorstellig wurde, als es praktisch schon zu spät war, die Angehörigen machen die schlechte und schleppende Versorgung in der öffentlichen Einrichtung dafür verantwortlich.

Wegen der regionalen Häufung will auch Gesundheitsminister Álvaro Erazo in den kommenden Tagen mit einem Expertenteam nach Puerto Montt kommen. Er sollte sich in Acht nehmen: Seine erste Beamtin vor Ort, die Direktorin des regionalen Gesundheitsdienstes, hat sich, wie heute bekannt wurde, ebenfalls mit Influenza A-H1N1 angesteckt. Am Montag will die Ärztin aber schon wieder zur Arbeit erscheinen. Dann soll auch der Unterricht an vielen Privatschulen weitergehen, der in dieser Woche eingestellt wurde, um einer weiteren Ausbreitung des Virus vorzubeugen.

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/latinorama/schwer_vergrippt/

aktuell auf taz.de

kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert